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WM-Botschafter mit bedenklicher Botschaft für Homosexuelle

8. November 2022

Ein offizieller Botschafter der WM in Katar bezeichnet Schwulsein als "geistigen Schaden". Die Garantien der Organisatoren wirken wie reine Lippenbekenntnisse.

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Vier Männer in weißen Gewändern spazieren vor dem Schriftzug der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Katar 2022
Der Beginn der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar rückt näherBild: Ibraheem Al Omari/REUTERS

Khalid Salman hat kein Blatt vor den Mund genommen und seine klare Haltung deutlich zum Ausdruck gebracht. Er habe Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen, gab der offizielle Botschafter der Fußball-WM in Katar unverblümt zu. Denn diese würden dann etwas lernen, was nicht gut sei. In seinen Augen sei Schwulsein "haram", also verboten und gar "ein geistiger Schaden", so der ehemalige Nationalspieler in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar". Nach diesem Satz grätscht der Pressesprecher des Organisationskomitees dazwischen und bricht das Interview ab.

Die Worte Salmans lassen tief blicken. Denn offenkundig ist die ablehnende Haltung gegenüber Homosexuellen im Emirat weiter tief verankert, viele Versprechungen der vergangenen Wochen wirken nun wie reine Lippenbekenntnisse. Der Wüsten-Staat bemüht sich seit längerem, ein anderes Bild zu vermitteln. Auch Fans aus der LGBTQ-Szene seien willkommen, hieß es offiziell. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag) hatte Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani Kritik an Katar vor allem aus Europa noch als "sehr arrogant und sehr rassistisch" bezeichnet. Zugleich hatte er auf Reformen in seinem Land verwiesen, die auch nach der WM fortgesetzt würden.

Der Emir von Katar  Tamim bin Hamad Al Thani sitzt auf einem Stuhl
Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani bezeichnet Kritik an Katar als "arrogant"Bild: Vyacheslav Prokofyev/SNA/IMAGO

HRW: "Keine Überraschung"

Für Human Rights Watch (HRW) kommen die Äußerungen von Khalid Salman in der ZDF-Dokumentation die am heutigen Dienstag (20.15 Uhr) ausgestrahlt wird, alles andere als überraschend. Es bestehe "ein großes Risiko", dass das Zeigen von gleichgeschlechtlicher Liebe "geahndet wird - egal welche Zusicherungen es gibt", sagte Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Menschenrechtsorganisation: "Katar ist kein Rechtsstaat. Da kann man nichts einklagen." Er "warne" deshalb alle Personen der LGBT-Community vor einer WM-Reise.

Homosexualität steht im Emirat unter Strafe, doch für die WM gibt es Bekenntnisse. "Alle Menschen, egal woher sie kommen, wen sie lieben und woran sie glauben, müssen bei der WM sicher sein. Jeder Fan muss sich frei und ohne Angst bewegen können", hatte Innenministerin Nancy Faeser nach ihrer Inspektionsreise in der vergangenen Woche gesagt: "Diese Sicherheitsgarantie hat mir der Premierminister gegeben."

Kritik ließ nicht lange auf sich warten. "Wenn jetzt gesagt wird, dass die WM bedenkenlos für queere Menschen sei, ist das ein fatales Zeichen für die queere Community in Katar", sagte Christian Rudolph von der Anlaufstelle für sexuelle Vielfalt des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): "Welches Katar hat denn Nancy Faeser bitte gesehen? Dann kann sie sich auch gleich durch Nordkorea führen lassen."

HRW: "Vorsicht geboten"

Auch Michalski würde Homosexuellen bei allen Bekundungen raten, "sehr vorsichtig" zu sein. Es solle keiner auf den Schutz des Weltverbandes FIFA oder heimischer Politiker hoffen. "Da ist eine Feigheit zu sehen", führte er beim TV-Sender Sky aus: "Da kann man sich als Fußballfan nicht drauf verlassen, dass man geschützt wird, wenn man dort in Gefahr kommt." Mögliche Maßnahmen Katars würden von Stockhieben bis hin zu Gefängnisstrafen reichen.

Bereits in einem im Oktober von Human Rights Watch veröffentlichten Bericht war von willkürlichen Festnahmen und Misshandlung queerer Menschen die Rede. Demnach seien zwischen 2019 und 2022 "sechs Fälle von schweren und wiederholten Schlägen und fünf Fälle von sexueller Belästigung in Polizeigewahrsam" dokumentiert worden. Die katarische Regierung wies die Vorwürfe laut der Nachrichtenagentur AFP zurück.

Aus Deutschland hat mit Alexander Wehrle ein prominenter Vertreter trotz seiner Homosexualität seine Reise zur WM angekündigt. Er wolle "ein Zeichen setzen", betonte der Aufsichtsratschef der DFB GmbH. Wie Katar damit umgeht, bleibt erst recht nach den jüngsten Aussagen spannend. "Jeder wird akzeptieren, dass sie hierherkommen. Aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen", äußert Salman in der ZDF-Dokumentation vielsagend.

ck/jst (SID, dpa)