Karl Marx, ein Meister von der Mosel
Karl Marx ist der wohl einflussreichste deutsche Philosoph. Unsicher ist, ob ihm auch gefallen hätte, was man aus seinem Werk gemacht hat. Der Totalitarismus war seine Sache nur bedingt.
Mit nüchternen Augen
Karl Marx war nicht nur ein Meisterdenker, sondern auch ein großer Stilist. Seine ökonomischen Analysen sind zugleich subtile Beschreibungen moderner Lebenswelten. Unter dem Druck der Ökonomie seien die Menschen "endlich gezwungen, ... ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen". Kapitalismus und Aufklärung, so der Philosoph, gehen unter der Hand eine diskrete Bindung ein.
Denker und Flusslandschaft
Karl Marx wuchs in denkbar romantischer Umgebung auf. Das Moseltal, an deren Ufer seine Heimatstadt Trier liegt, gilt als eine der schönsten Kulturlandschaften Deutschlands. Von hier ist es nicht weit bis nach Frankreich. "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" - die großen Ideale des Revolutionsjahres 1789 hörte man bald auch in Trier. Und vorbei war es mit aller weinseligen Gemütlichkeit.
Schöne Seele
In seinen jungen Jahren war Marx ein hoch romantischer Lyriker. "Mich umwogt ein ewig Drängen, / ew’ges Brausen, ew’ge Gluth", heißt es in einem seiner Gedichte. Die Zeilen richtete er an seine Angebetete, Jenny von Westphalen. Die war dafür durchaus empfänglich: Im Juni 1843 heiratete das junge Paar. Erst standesamtlich. Und kurz darauf, Marx' Unglauben zum Trotz, auch kirchlich.
Freund und Finanzier
Sein Leben lang konnte Marx nicht mit Geld umgehen. Die Familie war chronisch pleite. So war es nicht nur ein publizistischer, sondern auch ein ökonomischer Glücksfall, dass er Mitte der 1840er Jahre Friedrich Engels kennenlernte, einen vermögenden, intellektuellen Fabrikantensohn. Der unterstützte ihn regelmäßig. Marx musste zwar weiterhin zum Pfandhaus gehen - aber nicht mehr ganz so oft.
"Expropriation" der "Expropriateure"
Um die Kapitalisten zu zähmen, brauche es eine "Vergesellschaftung der Produktionsmittel", schrieb Marx in seiner Hauptschrift "Das Kapital". Dann werde die "kapitalistische Hülle" endgültig gesprengt. Und dann gehe es auch den "Ausbeutern" an den Kragen: "Die Expropriateure werden expropriiert." Man sieht ganz nebenbei: Die Sozialisten alter Schule besaßen solide Latein-Kenntnisse.
Geschichte als Tragödie - und als Farce
Sehr genau schaute Marx hin, als sich Staatspräsident Charles Louis Napoléon Bonaparte 1851 zum Kaiser der Franzosen ausrief, seinem Vorbild Kaiser Napoléon nacheifernd. "Hegel bemerkt irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen", kommentierte Marx. "Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."
"Ich bin kein Marxist"
Im Namen von Marx kämpften sich totalitäre Regime in vielen Teilen der Welt an die Macht. Mit Gewalt setzten sie jene politische Lehre um, die sie in seinen Werken zu erkennen meinten. Marx selbst schien das Unheil frühzeitig zu ahnen. "Alles was ich weiß: Ich bin kein Marxist", soll er gesagt haben. Das Zitat lässt sich zwar nicht belegen - ehrt aber die auch liberalen Züge seines Werkes.
"Roter" Osten
Der Osten ist "rot" - auch in Afrika. So feiert man Marx und Engels in Äthiopien. Zusammen mit Lenin galten sie als Garanten der großen Zukunft, die das Land sich erkämpfen werde. Im Namen dieser Zukunft wurde Marx' Werk zur unfehlbaren Lehre erklärt. Diese Lehre hatten die Massen zu bejubeln - wie hier 1987 in Addis Abeba, während der Feier zum 13. Jahrestag der Machtergreifung Haile Mengistus.
Nichts wie weg
Bis 1989 stand Marx' Philosophie in Diensten der totalitären Regime im Osten Europas. Dann ging ihnen finanziell die Puste aus. Ganz überraschend brachen die sozialistischen Staaten zusammen. Als erstes öffnete Ungarn seine Grenze Richtung Westen. Und die dort sich bereits aufhaltenden Bürger der DDR wollten nur eines: nichts wie weg. Von 1989 an wurde es zunächst einmal still um Marx.
Das unvollendbare Projekt der Revolution
Einige Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus taucht Marx wieder auf - hier als Graffiti-Figur in Berlin. "Ich habe euch erklärt, wie ihr die Welt verändern könnt", steht auf seinem T-Shirt. Er selbst, längst im Rentenalter, muss Flaschen sammeln, um zu überleben. Die Revolution, könnte man meinen, ist ein unendliches Projekt. Vor allem aber muss sie erst einmal losgehen.
Der Übermensch
Über vier Meter ragt sie in die Höhe, die Marx-Statue aus der Hand des chinesischen Künstlers Wu Weishan. "Seine langen Haare und sein langer Mantel verkörpern seine Weisheit", umriss Weishan seinen Blick auf den Philosophen. In Trier hatte man lange gezögert, die Statue aus China anzunehmen. Denn dort steht es um die Menschenrechte schlecht. Ob Marx das so im Sinn hatte?
Letzter Aufruf
Marx starb 1883, im Alter von 64 Jahren, in London. Seitdem liegt er auf dem dortigen Highgate Cemetery. "Proletarier aller Länder, vereinigt euch": Diesen vielleicht bekanntesten Aufruf des Philosophen hat der Bildhauer Laurence Bradshaw in dessen Grabstein gemeißelt. Der Worte sind viele gewechselt. Ob auch Taten folgen? Und wenn ja: Wären es die richtigen?