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Karadzic stellt auf stur

29. August 2008

In seinem Kriegsverbrecher-Prozess verweigert der ehemalige Serbenführer weiter die Aussage. Damit wird eine lückenlose Beweisführung der Anklage notwendig. Doch die nimmt sich unerwartet viel Zeit.

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Mann in Anzug (29.8.08, Den Haag - Niederlande, Quelle: AP)
Karadzic am Freitag vor dem Gericht in Den HaagBild: AP

Der frühere bosnisch-serbische Führer Radovan Karadzic hat sich geweigert, zur Anklage im Haager Kriegsverbrecherprozess gegen ihn Stellung zu nehmen. Stattdessen will er die Zuständigkeit des UN-Kriegsverbrechertribunals anfechten. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn am Freitag (29.08.2008) vor dem Tribunal in elf Punkten an, darunter Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Bei seiner zweiten Anhörung wurde Karadzic von dem Vorsitzenden Richter Iain Bonomya gefragt, ob er auf schuldig oder nicht-schuldig plädiere. "Im Einklang mit dem, was ich bislang gesagt habe, verweigere ich die Aussage", antwortete der mutmaßliche Kriegsverbrecher. Entsprechend den Vorschriften wertete Richter Bonomy dies als Unschuldserklärung, so dass die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe gegen Karadzic nun beweisen muss. Dieser bezeichnete das Tribunal als ein Werkzeug der NATO, die ihn liquidieren wolle.

Anklagevertretung zögert

Mehrere Männer in Uniform (Quelle: dpa)
Karadzic mit serbischen Soldaten 1995Bild: picture-alliance / dpa

Anklagevertreter Alan Tiger kündigte an, frühestens Ende des Monats eine überarbeitete Anklageschrift vorzulegen, und handelte sich deshalb deutliche Kritik des Vorsitzenden Richters ein. Chefankläger Serge Brammertz hatte diese Überarbeitung schon vor vier Wochen angekündigt. Der Vorsitzende zeigte wenig Verständnis dafür, dass die Anklagevertreter in diesem seit langem vorbereiteten Verfahren jetzt so viel Zeit benötigten.

Der Vorsitzende gab Karadzic diesmal keine Gelegenheit, seine Behauptung zu wiederholen, die USA hätten ihm 1995 versprochen, er werde nicht vor Gericht gestellt, wenn er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehe. Mit diesem Argument bestreitet Karadzic die Legitimität des Gerichts.

Langer Prozess erwartet

Das Tribunal konzentriert sich in den insgesamt elf Anklagepunkten auf die 43-monatige Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 rund 8000 Muslime getötet wurden. Erwartet wird, dass der eigentliche Prozess im kommenden Jahr beginnt. Die nächste Anhörung findet am 17. September statt. Beobachter rechnen mit einem langen Prozess. Karadzic will sich in dem Verfahren selbst verteidigen.

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher war am 21. Juli von serbischen Sicherheitskräften festgenommen und später an das UN-Tribunal in Den Haag überstellt worden. Karadzic hatte unter falschem Namen in Serbien gelebt und als Arzt gearbeitet. Zusammen mit dem früheren bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic war Karadzic der meistgesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher. Mladic ist weiter auf der Flucht. (rri)