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Ex-Junta-Chef vor Gericht

1. Juli 2010

Argentiniens Ex-Diktator Jorge Rafael Videla muss sich wegen politischer Morde, Folter und Entführungen verantworten. Am Freitag beginnt der Prozess in Córdoba.

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Jorge Rafael VidelaBild: AP

Er gilt als einer der wichtigsten Prozesse nicht nur innerhalb Argentiniens, sondern in ganz Südamerika: An diesem Freitag (02.07.2010) wird das Verfahren gegen oberste Verantwortliche der argentinischen Militärdiktatur neu aufgenommen. Darunter sind Jorge Rafael Videla, damaliger Junta-Chef und Ex-General Luciano Benjamín Menéndez. Der 84-jährige Videla wird wegen Mord, Folter und Entführung in 40 Fällen angeklagt. Darunter ist auch die gewaltsame Entführung und Ermordung des Deutschen Rolf Stawowiok.

Insgesamt sollen unter seiner Herrschaft von 1976 bis 1981 bis zu 30.000 Menschen verschleppt, gefoltert und ermordet worden sein, darunter auch bis zu 100 deutsche Staatsangehörige und Deutschstämmige. Zudem muss Videla sich von September 2010 an wegen 33 Fällen von Entführung von Babys verantworten – die Neugeborenen wurden ihren leiblichen, politisch verfolgten Eltern abgenommen und zur Adoption an hohe Militärs freigegeben.

Neu aufgerollt

General Menéndez, heute 83 Jahre, stand der berüchtigten Heeresgruppe 3 vor. Sie galt als führend im "schmutzigen Krieg" gegen Oppositionelle. Bis heute wirft er den Junta-Chefs vor, es nicht geschafft zu haben "die Subversion komplett auszuradieren". Noch immer, fast 30 Jahre nach Ende der Militärdiktatur sind ihre Verbrechen ungesühnt.

Argentinien Putsch 1976
Militärputsch am 24. März 1976 in ArgentinienBild: AP

Beide gehören zu den wenigen hohen Militärs, die nach Ende der Militärdiktatur 1983 vor Gericht gestellt wurden. 1987 verhinderten zwei Amnestiegesetze weiteres gerichtliches Vorgehen gegen die Diktatoren. Videla und Menéndez wurden drei Jahre später von Staatspräsident Carlos Menem begnadigt.

Erst 2003 wurden die Gesetze von 1987 vom Parlament aufgehoben – und vier Jahre später als verfassungswidrig erklärt. Dies bestätigte im April der Oberste Gerichtshof in Buenos Aires, er hob auch die Begnadigungsdekrete von 1990 auf.

Auch deutsche Justiz ermittelt

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Prozesse wieder oder neu aufgenommen – laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Centro de Estudios Legales y Sociales (CELS) wird zurzeit gegen etwa 1400 Personen wegen Verbrechen zur Zeit der Militärdiktatur ermittelt. Anfang des Jahres erließ die Staatsanwaltschaft Nürnberg einen internationalen Haftbefehl im Falle Rolf Stawowiok gegen Videla, betonte jedoch, dass sie es begrüßen würde, wenn Videla in Argentinien vor Gericht gestellt würde. Der damals 20-jährige Stawowiok war am 21. Februar 1978 in Argentinien verschleppt worden und galt seither als verschwunden. Erst 2009 konnten Wissenschaftler nachweisen, dass er gefoltert, ermordet und als Unbekannter bestattet wurde.

Autor: Anne Herrberg (dpa, afp, ap)

Redaktion. Oliver Pieper