Jordanien: Kritik an Hilfe für Israel gegen Angriff aus Iran
16. April 2024Der iranische Angriff auf Israel war kaum beendet, da wurde in Jordanien bereits Kritik an der Reaktion der Regierung in Amman laut . Am Wochenende hatte der Iran mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert, bei deren Abwehr auch Jordanien eine wichtige Rolle spielte. Unter anderem wehrte das Königreich auf Israel fliegende Geschosse ab.
"Der jordanische König hat Raketen auf seine Bürger abstürzen lassen, um Israel zu schützen", hieß in einem weit verbreiteten Beitrag auf dem Kurznachrichtendienst X, dem früheren Twitter. Zu sehen ist ein Bild von Drohnenwrackteilen in der jordanischen Stadt Karak, unweit der Grenze zu Israel. Der in arabischer Sprache gehaltene Beitrag wurde inzwischen geändert. Die überarbeitete Form stellte die jordanische Regierung in einem weniger negativen Licht dar. Diese ist wie viele Regierungen in der Region bekannt dafür, Kritik an ihrer Politik zu unterdrücken.
Viele Falschmeldungen
"Jordanien folgt wie üblich dem Geld", sagte ein anderer Kommentator. "Es ist unverantwortlich, dass Jordanien Raketen über seinen eigenen Städten abschießt", heißt es in einem weiteren Beitrag.
Zudem kursierten im Netz zahlreiche Falschmeldungen über die Ereignisse vom Wochenende - so etwa Beiträge, die den jordanischen König und seine Tochter, eine Pilotin, fälschlicherweise beschuldigten, sie hätten persönlich Lufteinsätze durchgeführt. Andere wiederum behaupteten, beim Absturz brennender Wrackteile seien jordanische Staatsbürger gestorben. Nach Angaben der jordanischen Regierung gab es jedoch keine Toten oder Verletzten. Trotz einiger Wrackteile gab die Regierung keinerlei entsprechende Meldungen heraus. Andere angebliche Wrackteile erwiesen sich als Teile von Öltankern, die einige Wochen zuvor in Brand geraten waren.
Kritik an arabischen Regierungen
Die Empörung äußerte sich nicht nur in Fehlinformationen und Gerüchten. Andere User prangerten die Politik der Regierungen Jordaniens und anderer arabischer Länder als Heuchelei an. Diese Staaten hatten die israelische Militäraktion im Gazastreifen verurteilt und erklärt, sie unterstützten die palästinensische Sache. Doch dann, so die Kritiker, hätten diese Staaten Israel direkt oder indirekt bei der Verteidigung gegen den Iran unterstützt. Derartige Kritik richtete sich nicht nur gegen die Regierung Jordaniens, sondern auch gegen die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien.
Die Kritik in Jordanien geht nicht zuletzt auf demographische Umstände zurück: Jeder fünfte Jordanier ist palästinensischer Abstammung. Zu ihnen zählt auch die jordanische Königin. Vielen Bürgern liegt die palästinensische Sache am Herzen. Die Militärkooperation ihres Landes mit Israel gilt vielen als Verrat.
"Ich bin sehr verärgert darüber, wie Jordanien Israel verteidigt hat", sagt Hussein, ein politischer Aktivist, der aus Furcht vor Konsequenzen seitens der Regierung nur seinen Vornamen veröffentlicht sehen will. "Viele Menschen hier akzeptieren das nicht. Wir unterstützen zwar nicht den Iran und sehen ihn auch als eine der Hauptursachen für die Geschehnisse in Gaza. Aber wir unterstützen jede Aktion, die Israel davon abhält, in Gaza so weiterzumachen wie bisher."
"Es war eine schwierige Nacht", sagt Maryam, eine Universitätsstudentin in Amman, die in der Nähe eines der Trümmergebiete wohnt. Auch sie will nur ihren Vornamen nennen. "Der Iran ist in Jordanien im Allgemeinen nicht beliebt. Aber ich bin dagegen, dass Jordanien iranische Raketen abfängt und sich, ohne es eigentlich zu wollen, in diesen Krieg einmischt."
Regierung: Nur Akt der Selbstverteidigung
Die jordanische Regierung beteuerte angesichts der Kritik, sie habe lediglich aus Gründen der Selbstverteidigung gehandelt. Sie habe Objekte abgefangen, die in den jordanischen Luftraum eingedrungen seien: "Diese stellten eine Bedrohung für unsere Bevölkerung und bewohnte Gebiete dar."
Die Geschehnisse vom Wochenende könne man "niemals als Verteidigung Israels bezeichnen", betont auch Mahmoud Ridasat, ein pensionierter hoher Offizier und Militärexperte in Amman, im Gespräch mit der DW. "Vielmehr ging es um die Verteidigung der jordanischen Souveränität und des jordanischen Luftraums."
Schließlich könne man nicht wissen, ob eine Drohne oder Rakete auch auf jordanischem Territorium einschlagen würde, so Ridasat. Israelische Medienberichte, die die angebliche jordanische Militärkooperation feierten, seien "nichts als israelische Propaganda", so der regierungsnahe Militärexperte.
"Geheimabkommen" mit den USA
Die jordanisch-israelischen Beziehungen sind enger, als vielen bewusst sein mag. Mit einem angeblich "geheimen Abkommen", auf dass sich einige Jordanier dieser Tage in ihrer Kritik an der Regierung beziehen, ist offenbar ein bilaterales Verteidigungsabkommen aus dem Jahr 2021 gemeint. Dieses erlaubt es den US-Streitkräften tatsächlich, sich weitgehend frei in Jordanien zu bewegen. Das Abkommen formalisiere damit "die jahrelange militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Jordanien, wie sie sich zu Beginn der Operationen gegen die Extremistengruppe Islamischer Staat besonders zeigte ", heißt es in einem Bericht des US-Kongresses aus dem Jahr 2023.
"Doch als die ersten Proteste gegen Gaza begannen, forderten viele Jordanier, man solle die Amerikaner rausschmeißen", sagt Tahani Mustafa, auf die palästinensischen Gebiete spezialisierte Analystin beim Think Tank International Crisis Group.
Er gehe allerdings davon aus, dass die Proteste die jordanische Regierung nicht destabilisieren werden, sagt Julien Barnes-Dacey, Nahost-Experte beim Think Tank European Council on Foreign Relations. "Es ist klar, dass verschiedene Seiten die jüngsten Ereignisse auf unterschiedliche Weise darstellen", so Barnes-Dacey. "Letztlich können die Jordanier ihr Vorgehen aber damit rechtfertigen, dass Drohnen und Raketen durch ihren Luftraum flogen." Er meint: "Die jordanische Reaktion zielte eher darauf ab, eine regionale Eskalation zu verhindern, als darauf, ein strategisches Bündnis mit Israel noch enger werden zu lassen."
Viel gefährlicher könne für Jordanien wie die gesamte Region ein größerer Krieg werden, sagt der Forscher. Darum bemühten sich die Regierungen sämtlicher Staaten in der Region, alles zu verhindern, was eine weitere Eskalation in Gang setzen könnte, auch durch Kontakte zum Iran. "Sollten die Jordanier aber nochmals Sicherheitsvorfälle bzw. Attacken in ihrem Luftraum registrieren, werden sie wieder so handeln wie am vergangenen Wochenende", meint Barnes-Dacey.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.