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Politik

Für Johnson wird es immer enger

24. September 2019

Das oberste britische Gericht hat die von Regierungschef Boris Johnson erwirkte parlamentarische Zwangspause für illegal erklärt und aufgehoben. Eine herbe Niederlage für den Premier, der abermals Neuwahlen verlangt.

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UN-Vollversammlung in New York | Boris Johnson, Premierminister Großbritannien
Boris Johnson zeigte sich in New York unbeirrt in seinem weiteren VorgehenBild: picture-alliance/dpa/S. Rousseau

Das oberste britische Gericht hat die von Premierminister Boris Johnson verhängte längere Parlamentspause für unrechtmäßig erklärt. Die Regierung habe keine Rechtfertigung für solch eine extreme Maßnahme vorgelegt, urteilte der Supreme Court in London. Es liege nun in der Hand des Parlamentspräsidenten zu entscheiden, wie es weitergehe.

Damit erlitt Johnson eine schwere Schlappe. Trotzdem will er den EU-Austritt seines Landes bis Ende Oktober vorantreiben. "Nach derzeitigem Rechtsstand verlässt Großbritannien die EU am 31. Oktober, komme was wolle", kündigte er vor Journalisten am Rande der UN-Vollversammlung in New York an. 

Lady Brenda Hale: Das Parlament wurde nicht vertagt

Zugleich zeigte er sich nicht einverstanden mit dem Urteil: "Ich widerspreche dieser Entscheidung des Supreme Courts nachhaltig", sagte er. Er habe aber den "größten Respekt für unsere Gerichtsbarkeit", fügte er hinzu. Es liege auf der Hand, dass jetzt "Wahlen einberufen" werden müssten.  Zugleich zeigt er sich weiterhin zuversichtlich, ein Brexit-Abkommen mit Brüssel erzielen zu können. "Und daran arbeiten wir." In Regierungskreisen hieß es, Johnson werde nicht zurücktreten. Er werde noch im Laufe des Tages mit seinem Kabinett eine Telefonkonferenz halten.

Unterhaus tagt am Mittwoch wieder 

Parlamentspräsident John Bercow erklärte nach Verkündung des Urteils, das Unterhaus werde am Mittwochmittag wieder zusammenkommen. Der Chef der schottischen Nationalisten im Unterhaus forderte den sofortigen Rücktritt Johnsons. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte beim Labour-Parteitag in Brigthon den Premierminister auf, sein Amt zu überdenken, und sprach sich für Neuwahlen aus.

Johnson hatte die Abgeordneten am 10. September für fünf statt der üblichen zwei Wochen in eine Zwangspause geschickt. Dagegen hatte es zwei Klagen gegeben, eine davon war von mehreren Abgeordneten eingebracht worden. Der Fall wurde vorige Woche von den elf höchsten Richtern Großbritanniens drei Tage lang verhandelt. 

Großbritannien Protest vor dem Obersten Gericht - Urteil Zwangspause für britisches Parlament
Die Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude waren hoch erfreut nach dem UrteilBild: Reuters/H. Nicholls

Sie entschieden einstimmig, dass die Zwangspause einen "extremen Effekt" auf das Parlament hatte, seinem verfassungsmäßigen Auftrag nachzukommen, wie die Vorsitzende Richterin Lady Brenda Hale bei der Urteilsverkündung ausführte. Das Parlament habe aber ein Recht darauf, in der Zeit vor einem wichtigen Ereignis wie dem geplanten EU-Austritt am 31. Oktober eine Stimme zu haben. Laut der Richterin handelt es sich um einen einmaligen Fall, den es unter diesen Umständen noch nie gegeben habe und "den es wahrscheinlich auch nie wieder geben wird". 

Urteile untergeordneter Instanzen

Dem Urteil waren Entscheidungen unterer Instanzen voraus gegangen. So hatte das oberste schottische Gericht Premierminister Boris Johnson vorgeworfen, Königin Elizabeth II. über seine wahren Absichten für die fünfwöchige Parlamentspause getäuscht zu haben: Die Abgeordneten kaltzustellen, damit sie Johnsons Pläne für einen möglicherweise ungeregelten Brexit nicht durchkreuzen können.

Dagegen hatte der Londoner High Court eine Klage gegen die Zwangspause abgelehnt. Er kam zu der Einschätzung, dass eine rein politische Angelegenheit vorliegt. Beide Urteile waren jetzt vom Supreme Court überprüft worden.

Trotz der Zwangspause konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten ein Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit durch das Parlament peitschten. Es verpflichtet den Premierminister zum Antrag auf eine Brexit-Verschiebung, falls es nicht rechtzeitig vor dem Brexit-Datum am 31. Oktober zu einem Abkommen mit der EU kommt.

uh/ww (dpa, rtr, afp)