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ISWESTIJA: Bush und Putin hatten Beschluss über Kündigung des ABM-Vertrages bereits in Texas gefasst

14. Dezember 2001

– Neue Qualität der Beziehungen zwischen Russland und den USA hervorgehoben

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Moskau, 14.12.2001, ISWESTIJA, russ., S. Babajewa, J. Baj, D. Safonow

(...) George Bush unterstrich, als er vom Austritt aus dem ABM-Vertrag sprach, dass das "die neuen Beziehungen (zu Russland) oder die russische Sicherheit nicht untergraben wird". "Nach dem 11. September", fügte er hinzu, "ist allen klar geworden, dass die größte Bedrohung für unsere beiden Länder nicht gegenseitig von uns selbst oder von anderen Großmächten auf der Welt, sondern von Terroristen ausgeht, die ohne Warnung zuschlagen, oder Schurkenstaaten, die nach Massenvernichtungswaffen trachten." In Washington wird gemunkelt, der Präsident habe nach den Verhandlungen von Außenminister Colin Powell in Moskau entschieden, dass Tüpfelchen aufs "i" zu setzen. Diesem war es nicht gelungen, Putin zum gemeinsamen Austritt Russlands und der USA aus dem Vertrag zu überreden.

Wie ISWESTIJA jedoch ermittelte, war der Beschluss über den Austritt aus dem ABM-Vertrag von beiden Präsidenten – Putin und Bush – auf der in Texas liegenden Ranch des amerikanischen Führers ausgearbeitet worden. Dort wurde auch die Zeitfolge der "Operation" abgestimmt: die oberste russische Führung wusste, dass der Austritt am 13. Dezember bekanntgegeben wird, dass dem Erklärungen von Bush und später auch Putin folgen werden. In diesem Sinne zeugt die Tatsache, dass der Austritt nicht unerwartet kam, von der neuen Qualität der Beziehungen zwischen beiden Staaten. (...)

Die Reaktion anderer russischer Führer war ebenfalls zurückhaltend. "Vom militärischen Standpunkt her lässt sich das Problem mit dem Austritt der USA aus dem ABM-Vertrag lösen", erklärte der Leiter des Generalstabs, Anatolij Kwaschnin. Andere Militärs unterstreichen: das amerikanische NMD-System wird für die russischen strategischen Kräfte noch 15 bis 20 Jahre lang verwundbar sein. (...)

Auch wenn jemand in Moskau – entgegen dem derzeit entstehenden Klima der bilateralen Beziehungen – versuchen würde, die Kritik am Beschluss von Bush in etwas materielles umzusetzen, so würde das sehr schwer fallen. Russland kann seine Unzufriedenheit technisch durch nichts untermauern. Wozu denn auch. Unter den heutigen Bedingungen sieht es so aus (eher jedoch hypothetisch), dass wenigstens ein Teil der russischen Betriebe in Zukunft Aufträge auf dem Gebiet der Raketenabwehr bekommen wird.

Ist es doch für niemanden ein Geheimnis, dass sich der Austritt der USA aus dem Vertrag weniger durch Politik als Wirtschaft erklären lässt. Die hochtechnologischen Bereiche in den USA stagnieren seit etwa acht Jahren und benötigen riesige Investitionen. Das NMD-System, das auf der ersten Etappe mit 60 Milliarden Dollar und mit 300 Milliarden Dollar im Stadium der Entfaltung bewertet wird, kann amerikanische Unternehmen mit Aufträgen versorgen und zu neuen wissenschaftlichen Entdeckungen führen (die immer so große Projekte begleiten). All das ist berufen, die Rolle der USA als Weltführer endgültig zu festigen. (...) (lr)