1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Israel verstärkt Druck auf den Iran

Shabnam von Hein
22. Juni 2022

Während der Iran sich den Kontrollen und Auflagen des Atomdeals immer mehr entzieht, schaut Israel nicht tatenlos zu. Eine Folge: wachsende Kriegsangst.

https://p.dw.com/p/4D22f
Naftali Bennett
Israels Ministerpräsident Naftali BennettBild: Tsafrir Abayov/Pool/picture alliance

Israel ist besorgt um die Sicherheit seiner Bürger im Ausland. In der Türkei und weiteren Ländern der Region soll es konkrete Hinweise auf geplante Anschläge gegen israelische Bürger gegeben haben, melden israelische Medien. Vergangene Woche wurden israelische Touristen aufgefordert, Istanbul möglichst umgehend zu verlassen. Seit Anfang Juni gibt es eine Reisewarnung für das Land am Bosporus, herausgegeben von Israels Nationalem Sicherheitsrat (NSC). Nach NSC-Angaben gab es im Mai mehrere Versuche iranischer Agenten, israelische Geschäftsleute und Konsulatsmitarbeiter anzugreifen, was jedoch vom Auslandsgeheimdienst Mossad vereitelt worden sei. Nach diesen Fehlschlägen betrachte der Iran nun auch israelische Touristen in der Türkei als potenzielle Ziele.

"Der Kopf des Oktopus ist das neue Ziel"

Der Grund ist: Der Iran sinnt auf Rache. In den vergangenen Wochen sind im Iran mindestens sechs Mitglieder der Revolutionsgarden sowie Forscher und Mitarbeiter wichtiger militärischer Einrichtungen bei Anschlägen getötet worden. Darunter auch Hassan Sayad Khodaei. Der Oberst der Revolutionsgarden wurde Ende Mai vor seinem Haus in Teheran erschossen. Auf seiner Beerdigung bestätigte Hossein Salami, Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, dass Khodaie an der Spitze der Einheit "Quds-Truppe 840" stand und damit für die Auslandeinsätze der Revolutionsgarden zuständig war. "Der Feind hat ihn jahrelang verfolgt, vom Weißen Haus bis nach Tel Aviv", sagte Salami in seiner Würdigung des getöteten Offiziers.

Teheran Anschlag Sayad Khodai Colonel Revolutionsgarden
Der Oberst der Revolutionsgarden Khodaei wurde Ende Mai vor seinem Haus in Teheran erschossenBild: West Asia News Agency via REUTERS

Khodaei soll Entführungen und Ermordungen von Israelis auf der ganzen Welt geplant haben. So gilt er als Drahtzieher eines Autobombenanschlags in Neu-Delhi im Jahr 2012. Ziel war ein israelischer Diplomat, getroffen wurde dessen Frau, die schwer verletzt überlebte. Wie schon in der Vergangenheit gibt Israel keine Kommentare zu seiner möglichen Täterschaft ab. Israels Premierminister Naftali Bennett sagte lediglich: "Wer Terroristen finanziert und bewaffnet, wer Terroristen beauftragt, wird den vollen Preis zahlen."

Bennett hatte in den letzten Monaten mehrfach erklärt, dass er einen Kurswechsel vollziehen und die sogenannte 'Oktopus-Doktrin' umsetzen wolle. Israel will demnach im Gegensatz zu früher "den Kopf des terroristischen Oktopus" angreifen und nicht nur dessen "Arme". Konkret: Israel greift Mitglieder und Einheiten der Revolutionsgarden nicht mehr nur in deren Operationsgebieten in Ländern wie Syrien, Irak oder Libanon an, sondern attackiert sie auch im Iran selbst. Die neue Strategie soll nicht nur Irans Atomprogramm, sondern auch seine konventionelle Rüstung und Regionalstrategie treffen.

Teherans Kurs führt in die Isolation

"Die Menschen im Iran sind besorgt und haben Angst vor einem möglichen Krieg", sagt der iranische Politologe Sadegh Zibakalam in Teheran im Telefongespräch mit der DW. "Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als ernsthafte Bedrohung für seine Existenz. Eine Rückkehr zur Atomvereinbarung von 2015 scheint immer unwahrscheinlicher. Der Iran hat Kontrollmöglichkeiten der IAEA reduziert und kann sein Atomprogram weiterentwickeln. Unter diesen Umständen würde ich mich nicht wundern, wenn andere Länder der Region sich Israel anschließen und ein Bündnis gegen den Iran schmieden. Sie haben alle Angst vor dem militärischen Einfluss des Irans. Das ist den Menschen im Iran bewusst, und sie haben Angst." Zibakalam hofft, dass die iranische Regierung sich um eine diplomatische Lösung bemüht und deeskaliert.

Das scheint eine schwierige Aufgabe für die iranischen Diplomaten zu sein. Seit Monaten beharren sie kompromisslos auf Teherans Position bei den Wiener Verhandlungen und isolieren damit das Land immer weiter. Dagegen hat Israel sein Verhältnis zu verschieden Ländern der Region in den vergangenen Monaten verbessert. Die Regierung in Jerusalem arbeitet offenbar bereits an einer regionalen Verteidigungsallianz gegen den Iran. Das teilte am Montag Israels Verteidigungsminister Benny Gantz Mitgliedern eines Parlamentsausschusses mit. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll das Bündnis mit Unterstützung der USA verwirklicht werden. Israel verfolgt den Berichten zufolge schon länger Pläne einer regionalen militärischen Zusammenarbeit; die arabischen Staaten halten sich mit öffentlichen Zusagen bislang allerdings zurück.

Trailer: Der endlose Krieg: Iran - Israel - USA