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IS-Rückkehrer: "Aladin-Hosen trage ich nicht"

4. August 2015

In Celle stehen zwei mutmaßliche IS-Rückkehrer vor Gericht. Einer von ihnen schildert, mit welchen Methoden die Extremisten junge Wolfsburger nach Syrien gelockt haben. Auch über sich selbst hat er viel zu erzählen.

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Celle: Prozess gegen IS-Kämpfer Ayoub B. (Foto: Picture-Alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Hollemann

Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden mutmaßlichen IS-Heimkehrern Ayoub B. und Ebrahim H. B. die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Ayoub B. (26) ist auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt, weil er an Kampftrainings teilgenommen und laut Anklage auch zur Waffe gegriffen haben soll. Der 27-jährige Ebrahim H. B. stand nach den Ermittlungen sogar kurz davor, einen Selbstmordanschlag in Bagdad zu begehen. Doch dieser Prozesstag steht ganz im Zeichen von Ayoub B.

Fast drei Stunden lang sagt der Wolfsburger vor dem Oberlandesgericht Celle aus. Detailreich gibt der Deutsch-Tunesier am zweiten Verhandlungstag Einblick, wie zahlreiche junge Wolfsburger - die später die "Wolfsburger Zelle" genannt wurden - in die Fänge des "Islamischen Staates" gerieten.

Charismatischer Prediger zieht alle in seinen Bann

Den Berichten nach beginnt die Radikalisierung junger Muslime in Wolfsburg mit Gebetstreffen. Ein charismatischer Anwerber des "Islamischen Staates" habe dann von einem neuen, gerechten Staat nur für Muslime geschwärmt und eine Ausreisewelle nach Syrien in Gang gesetzt, so Ayoub B. in seiner Aussage. "Das ist der wahre Islam, alle kommen rüber gerade, das ist ein neues Land", habe der Prediger gesagt und euphorisch für eine Reise in das IS-Gebiet geworben.

Der Aufbruch erster radikalisierter Wolfsburger Muslime nach Syrien habe eine Sogwirkung auf andere der Gruppe gehabt, so dass immer mehr dorthin gereist seien. Manche hätten vom "Heiligen Krieg", andere von "humanitärer Hilfe" gesprochen, sagt der 27-Jährige in seiner Vernehmung. "Der geht, der geht, der vielleicht, da wollte ich auch mit", beschreibt der Angeklagte den Sog, der unter den jungen Muslimen entstand. Die Männer hätten allerdings gewusst, dass die Polizei sie im Visier hatte, meint Ayoub B. Auch weil klar war, dass viele Eltern sich damals bereits um ihre radikalisierten Kinder sorgten, fädelten sie die Ausreise im Geheimen ein.

Bekannt gewesen sei, dass der aus Syrien gekommene Anwerber zunächst eine Al Kaida nahestehende Terrorgruppe unterstützt habe. Wegen einer großen Kenntnis des Islams sei er "der wissende Bruder" genannt und von allen der Gruppe geliebt worden. "Jeder wollte sein bester Kumpel sein." Geschickt habe der Anwerber alle um den Finger gewickelt, sagt Ayoub B.

Vater warnte vor Terroristen

Celle Auftakt Prozess gegen zwei IS-Kämpfer aus Wolfsburg Koran
War den Pressefotografen ein Bild wert: Zwei Ausgaben des Korans im Gerichtssaal in CelleBild: Getty Images/AFP/H. Hollemann

"Ich würde lügen, wenn ich sage, ich bin blind nach Syrien gegangen", sagt Ayoub B., dem es nach eigenen Angaben nicht um den bewaffneten Kampf, sondern um das Studium des Islams ging. "Du wirst die Lichter der Türkei sehen, du kannst jederzeit zurück", sei ihm weisgemacht worden. "Er hat nicht gesagt, dass Leute geköpft und versklavt werden und Muslime sich untereinander umbringen."

Die Radikalisierung in Wolfsburg sei in der tunesischen Moschee, in deren Vorstand sein Vater sitze, schnell aufgefallen, sagte der Angeklagte. Der Prediger und einige andere, die einen radikalen Islam vertreten, hätten dort Hausverbot erhalten. Sein Vater habe ihn vor diesen Männer gewarnt und klar von "Terroristen" gesprochen. Aber der Prediger habe ihm versichert, dass die "alten Leute" nichts vom Islam verstünden. Die Gruppe traf sich daraufhin in der türkischen Moschee, wo man sie nicht verstand, weil sie alles auf Arabisch besprachen.

Zweifel an ideologischen Lehren des IS

Prozessbeobachter beschreiben Ayoub B. als schmächtigen jungen Mann, der seinen Weg vom Jugendlichen mit Schul- und Drogenproblemen bis hin aufs Schlachtfeld im Irak und zurück in die deutsche Haft detailreich beschreiben kann. Immer wieder müsse er lachen und bringe mit seinen Schilderungen auch Gericht und Zuhörer zum Schmunzeln.

"Aladin-Hosen trage ich nicht, ich habe Designer-Klamotten", begründet Ayoub B. seine Ablehnung der für Salafisten typischen Hosen. "Wieso ist ein Auto auf Kredit ‚haram‘ (aus muslimischer Sicht tabu), wie soll ich mir sonst einen Audi leisten?" Auch bei einer Reise zu seiner Verlobten gab er sich eher weltlich: Den Islamistenbart rasierte er sich ab und beschaffte sich ein Cabriolet - "weiß, schwarze Sitze, Leder", wie er dem Richter erläutert.

chr/hz (dpa)