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PolitikAsien

Iran: Schwierige Nachbarschaft mit Taliban

Shabnam von Hein
1. März 2023

Zwar hat der Iran die Taliban-Regierung offiziell nicht anerkannt. Und doch wurde die afghanische Botschaft in Teheran jetzt an die Taliban übergeben. Viele Iraner sind verärgert.

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Zwei Taliban-Delegierte in Teheran mit Porträts von Chamenei und Chomeini im Hintergrund
Taliban-Delegation in Teheran im Februar 2021Bild: Fars

Für die iranische Bevölkerung seien die Taliban immer noch "eine illegitime und terroristische Gruppe", war in der iranischen Tageszeitungen "Jomhouri Eslami" am vergangenen Montag zu lesen. "Die Übergabe der afghanischen Botschaft an die Taliban bringt nicht nur Sicherheitsrisiken mit sich. Sie markiert einen dunklen Fleck in der Akte der iranisch-afghanischen Beziehungen". Am selben Tag hatte das iranische Außenministerium die offizielle Übergabe der afghanischen Botschaft an die Taliban-Regierung bestätigt, einen Tag nachdem Taliban-Sprecher Abdul Kahar Balchi dies via Twitter mitgeteilt hatte. Balchi löste damit eine Welle der Empörung unter iranischen Usern aus.

"Die Taliban und ihre Ideologie, die Unterdrückung im Namen der Religion und der religiöse Fundamentalismus sind im Iran verhasst", berichtet die Journalistin Jila Baniyaghoob aus Teheran im Gespräch mit der DW. Baniyaghoob arbeitet seit langem als Afghanistan-Korrespondentin und hat zwei Bücher über das Nachbarland geschrieben: "Kommandeur Massoud in Pandschir" und "Trauer um Afghanistans Blumen", eine Sammlung von Reportagen über das Alltagsleben von Frauen in verschiedenen Regionen Afghanistans. "Was in Afghanistan passiert, verfolgen die Iraner seit langem intensiv. So auch den Widerstand im Pandschir-Tal. Wie fieberten mit, weil es für uns um den Widerstand gegen den Talibanismus ging. Wir und unsere Schwestern in Afghanistan teilen viele Leiden und Probleme. Was sie gerade durchmachen, ist sehr schmerzhaft für uns. Abgesehen davon finden wir es unverschämt, dass die afghanische Botschaft an eine Gruppe übergeben wurde, deren Mitglieder 1998 iranische Diplomaten getötet hatten."

Teherans Forderungen an Kabul 

Im Sommer 1998 hatten die Taliban nach der Eroberung von Masar-i Scharif das iranische Konsulat gestürmt und acht iranische Diplomaten getötet. Wandbilder mit Porträts der getöteten Diplomaten als "Märtyrer" halten im Zentrum Teherans die Erinnerung an das Ereignis wach. Im August 2022 forderte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian die Taliban-Regierung in Kabul auf, die Hintermänner des tödlichen Terroranschlags von 1998 vor Gericht zu stellen.

Gleichzeitig versucht Teheran, die Taliban zur Bildung einer Einheitsregierung unter Beteiligung aller afghanischen Volksgruppen zu bewegen. Die von den Taliban gebildete Regierung besteht bislang mehrheitlich aus Paschtunen. Mit dem Nachbarland Afghanistan teilt der Iran eine rund 950 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Nach Schätzungen der UN leben mindestens 3,5 Millionen Afghanen im Iran, ein Großteil davon hat keine Papiere.

Eine afghanische Familie mit ihren Habseligkeiten an einem Grenzübergang in den Iran
Nach der Machtübernahme der Taliban sind Hunderttausende weitere Afghanen in den Iran geflohenBild: Majid Asgaripour/WANA/REUTERS

"Die Taliban haben keine einzige Forderung des Irans erfüllt", schrieb die Zeitung "Etemad" am Dienstag. "Sie treten die Rechte der afghanischen Bürger mit Füßen und haben nicht vor, andere Gruppen im Vielvölkerland Afghanistan an der Macht zu beteiligen. Mit der Übergabe der Botschaft erkennen wir die Autorität des Islamischen Emirats in Afghanistan an". Die Regierung in Teheran bestreitet das. "Unsere diplomatische Haltung zum Nachbarland Afghanistan hat sich nicht geändert", betonte der iranische Außenamtssprecher Nasser Kanaani vergangene Woche. Angesprochen auf die Übergabe der afghanischen Botschaft an die Taliban sagt er: "Das Ende der Mission eines Diplomaten und die Übertragung der Aufsicht über die Angelegenheiten der Botschaft an einen anderen Diplomaten in demselben Gebäude bedeutet keine Veränderung des rechtlichen Status dieser Botschaft."

Pragmatismus der Nachbarländer 

Fazl Mohammad Haqqani, der als neuer Leiter der Botschaft in Teheran ernannt wurde, soll bereits 2022 Jahr an der afghanischen Botschaft tätig gewesen sein. Sie wurde von einem Diplomaten der vertriebenen Regierung von Ashraf Ghani geleitet, hatte aber ihre Arbeit auf ein Minimum reduziert. "Uns wurde vergangene Woche mitgeteilt, dass die Leitung der Botschaft an die Taliban übergeben wird", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter der afghanischen Botschaft, der nicht genannt werden möchte, im Gespräch mit der DW. "Wir wollten nicht unter der Taliban-Administration arbeiten und wurden aufgefordert, das Gebäude zu räumen".

Der Iran hat sich mit diesem Schritt mehreren Ländern der Region angeschlossen, die den Taliban erlaubt haben, Leiter für die afghanischen diplomatischen Vertretungen zu ernennen. Laut dem Sprecher der Taliban-Regierung, Abdul Kahar Balchi, gehören dazu neben dem Iran Pakistan, China, Usbekistan, Turkmenistan, Russland, Katar, Malaysia, Kirgisistan und Kasachstan. Der Sprecher teilte via Twitter mit, dass auch die Türkei die afghanische Botschaft an die Taliban übergeben habe. Dennoch hat bislang noch kein Land die Regierung der Taliban nach ihrer Machtübernahme und dem chaotischen Abzug der internationalen Truppen im Sommer 2021 offiziell anerkannt.

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