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Impfen oder nicht impfen?

15. Januar 2011

Das Husten, Schnupfen und Fiebern beginnt wieder. Gegen Grippe impfen lassen sich trotzdem nur die wenigsten. Die meisten Experten, wie Ole Wichmann vom Robert Koch-Institut in Berlin, lehnen eine Impfpflicht jedoch ab.

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Grippeimpfung (Foto: dpa/lsn)
Bild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Neue Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern aus Jerusalem und den USA sagen, dass Massenimpfungen gegen Grippe überflüssig sind. Vielmehr komme es auf eine gute Planung und das Impfen von bestimmten Menschengruppen an. Dadurch sollen sich Grippeepidemien vorzeitig verhindern lassen. Teilen Sie diese Ansicht?

Ole Wichmann, Leiter des Fachgebiets Impfprävention am Robert Koch-Institut, Berlin: Generell sind wir absolut dafür, dass man Impfungen gut planen und Impfpläne erstellen muss. Dafür gibt es in Deutschland bereits die ständige Impfkommission, die STIKO, die sich überlegt, wie man wen und wann impfen sollte.

Impfexperte Ole Wichmann, vom Robert Koch-Institut in Berlin (Foto: DW-TV)
Ole Wichmann vom Robert Koch-Institut in BerlinBild: DW-TV

Ganz neu ist die Erkenntnis der Wissenschaftler also nicht. Dass es zum Beispiel Sinn macht, während einer Pandemie insbesondere Kinder zu impfen, weil diese für die Ausbreitung am wichtigsten sind, hat man schon in früheren Studien festgestellt. Kinder haben einfach mehr Kontakte untereinander, im Gegensatz zu beispielsweise 80-Jährigen.

Also wird in Deutschland nicht wahllos drauflos geimpft?

Nein, von wahllos kann man definitiv nicht sprechen. Im Gegenteil: Wir haben zum Beispiel sehr gut ausgearbeitete Impfkalender für Kinder. Daran kann sich der impfende Arzt genau orientieren. Das sind allerdings nur Impfempfehlungen, eine Impfpflicht gibt es bei uns nicht.

Wäre eine Impfpflicht in Deutschland sinnvoll? In den USA besteht eine solche ja bereits.

Dort gibt es Vorgaben für die Einschulung, wo besonders viel Wert auf die Masern-Impfung gelegt wird. Denn diese - vornehmliche - Kinderkrankheit wurde in den USA und ganz Amerika bereits vollständig eliminiert. Ist man in den USA allerdings nicht geimpft, braucht man eine offizielle Befreiung – beispielsweise aus medizinischen Gründen, wie Unverträglichkeit oder aus religiösen Gründen.

In Deutschland gibt es gelegentlich auch Befürworter einer Impfpflicht. Ich denke aber, wir versuchen die Leute in Deutschland zu überzeugen, was wichtig und sinnvoll ist, um dadurch die Impfquoten generell zu steigern.

Nun entscheide ich mich für eine Impfung: Genügt dann eine einzige, die gegen die saisonale Grippe und die Schweinegrippe schützt oder sind dafür verschiedene Impfungen notwendig?

Dieses Jahr, anders im letzten, haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit mit einer Impfung, der normalen saisonalen Impfung, gegen die Schweinegrippe und die Influenza zu impfen. Es sind also keine zwei Impfungen mehr nötig. In der letzten Saison war das noch anders, da die Produktion für den saisonalen Impfstoff schon begonnen hatte. In dem fehlte aber das sogenannte Schweinegrippe-Virus, das dann noch in einer weiteren Impfung nachproduziert werden musste.

Gibt es eigentlich Alternativen zur Impfung gegen die Grippe?

Grippeimpfungen sind schon das effektivste Mittel, um sich gegen Viren zu schützen. Natürlich kann man allgemeine Hygienemaßnahmen einhalten, wie Händewaschen, um die Übertragung zu minimieren. So eine effektive Maßnahme, wie die Impfung, gibt es aber nicht.

Ist die aktuelle Impfquote zufriedenstellend?

Bei der Influenza hängen die Quoten sehr von den Altersgruppen ab. Normalerweise lautet die STIKO-Empfehlung, dass sich alle Personen jenseits der 60, Personen mit Grunderkrankungen und medizinisches Personal impfen lassen sollten.

Bei den über 60-Jährigen sind wir mit einer Quote von 60 Prozent relativ gut dabei, obwohl die 75 Prozent-Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation noch nicht erreicht ist. Bei den chronisch Kranken, die sich impfen lassen sollten, haben wir leider noch Nachholbedarf. Genauso beim medizinischen Personal, bei dem sich im letzten Jahr nur 20 Prozent gegen Influenza impfen ließen. Die Zahl ist lange nicht zufriedenstellend.

Im letzten Jahr war sie DAS Thema: "Feiert" die Schweinegrippe 2011 ein Comeback?

Was wir wissen, ist, dass das Schweinegrippe-Virus H1N1 auch dieses Jahr wieder zirkuliert. Außerdem ist bekannt, dass von allen aktuellen Influenza-Patienten rund 75 Prozent genau dieses Virus auch haben. Wir gehen aber davon aus, dass mittlerweile, im Gegensatz zur letzten Saison, viel mehr Leute immun dagegen sind. Sei es durch Impfungen oder durch eine Infektion im letzten Jahr….

Welche Rolle spielt das Robert-Koch-Institut in Sachen Impfungen?

Wir unterstützen das Expertengremium der STIKO bei der Zusammenstellung von Literatur und Daten, die belegen, wie gut und nützlich Impfungen sind. Zum anderen analysieren wir Meldungen und überwachen Impfpläne. Teilweise beschäftigen wir uns auch mit Forschung. Wie effektiv zum Beispiel ein Impfstoff ist, der in der breiten Masse angewendet wird.

Zum anderen führen wir deutschlandweite Analysen zu Impfquoten durch, um den Effekt der Impfungen besser einschätzen zu können.

Das Gespräch führte Hannah Fuchs
Redaktion: Judith Hartl