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Vorwürfe gegen NSA reißen nicht ab

29. Oktober 2013

Es scheint ein Fass ohne Boden: Der US-Geheimdienst NSA hat nach einem Bericht der "New York Times" nicht nur die Verbindungsdaten des Handys von Kanzlerin Merkel gesammelt, sondern auch Telefonate mitgeschnitten.

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Symbolbild: Kopfhörer mit USA-Fahne auf einem Tisch (Copyright Imago Christian Ohde)
Bild: imago/Christian Ohde

Obama bewegt sich

Der amerikanische Geheimdienst NSA kommt nicht aus der Schusslinie der Medien. Fast täglich werden neue Enthüllungen über seine zweifelhaften Aktivitäten bekannt. Nun berichtet die Zeitung "New York Times" unter Berufung auf US-Regierungskreise, dass die NSA-Agenten anscheinend auch die Inhalte der Handygespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgespäht hat. Der US-Senat kündigte eine umfassende Untersuchung der Geheimdienst-Aktivitäten an.

Unklar ist allerdings, ob Informationen aus Merkels Telefongesprächen in Berichten der Geheimdienste für das Weiße Haus und andere Regierungsstellen in Washington auftauchten. Die einflussreiche Senatorin Dianne Feinstein hatte am Montag erklärt, das Weiße Haus habe ihr versichert, dass die Überwachung verbündeter Regierungen nicht fortgesetzt werde.

Kommt jetzt ein Verbot?

Obama bewegt sich

Auch die "New York Times" berichtete am Dienstag, dass die Regierung der NSA das Ausspähen von Spitzenpolitikern befreundeter Länder verbieten wolle. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Als Reaktion auf die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hatte Präsident Barack Obama eine Überprüfung der Geheimdienstarbeit eingeleitet, die Ende des Jahres beendet sein soll.

Im TV-Sender ABC News lehnte Obama es ab, die Berichte über die Überwachung Merkels zu kommentieren. Die Praktiken der Geheimdienste würden derzeit überprüft, sagte er. In den vergangenen Jahren hätten sich die Fähigkeiten der Nachrichtendienste "weiter entwickelt". Es müsse gewährleistet werden, dass sie nicht automatisch alles täten, wozu sie technisch in der Lage seien.

Feinstein macht Druck

Seine demokratische Parteikollegin Feinstein fährt eine härtere Linie. Die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses der Kongresskammer kündigte an, die Aktivitäten der NSA auch durch den Senat umfassend untersuchen zu lassen. Sie beklagte, dass die Abgeordneten "nicht zufriedenstellend" über "bestimmte Überwachungsaktivitäten" informiert worden seien. Die Überwachung von Spitzenpolitikern aus verbündeten Staaten lehne sie "vollständig" ab.

Das Mobiltelefon von Merkel soll seit 2002 im Visier der NSA gewesen sein. Der "New York Times" zufolge stellte der Geheimdienst die Überwachung von Merkel und anderen Spitzenpolitikern nach den ersten Enthüllungen des sogenannten Whistleblowers Edward Snowden in diesem Sommer ein. Ob Obama persönlich von diesen Spähaktionen wusste, ist weiter unklar. Die "New York Times" schreibt dazu weiter, der Präsident sei nicht informiert gewesen. Auch die NSA hatte dies dementiert.

Auch US-Botschafter eingeweiht?

Anders sieht das dagegen die "Los Angeles Times". Das Blatt schreibt in seiner Dienstag-Ausgabe, das Weiße Haus und das US-Außenministerium hätten die Bespitzelung gebilligt. Auch die jeweiligen US-Botschafter seien eingeweiht gewesen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Geheimdienstkreise. Dies bedeute zwar nicht zwangsläufig, dass Obama konkret Bescheid gewusst habe. Zumindest seien aber Vertreter seines Nationalen Sicherheitsrates auf dem Laufenden gewesen.

Inzwischen hält sich eine Delegation von Europaparlamentariern in Washington auf, um auf Aufklärung in der Spionageaffäre zu dringen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des EU-Parlaments, Elmar Brok, übte erneut scharfe Kritik an der NSA-Überwachung. "Hier sind keine Grenzen zwischen Freund und Feind mehr gezogen. Vor allem sind keine Grenzen zwischen Terroristen und den normalen Bürgern gezogen", betonte der CDU-Politiker. Die EU-Parlamentarier würden ihren US-amerikanischen Gesprächspartnern "ganz deutlich sagen, dass dies ein Bruch von Freundschaft ist, dass dies zu Vertrauensverlusten führt und dass auf diese Art und Weise auch künftige gemeinsame Projekte gefährdet sein könnten", sagte Brok der Deutschen Welle.

Abhörskandal: die Kanzlerin und ihre Handys

In Deutschland regte die Union eine Zusammenarbeit zwischen den Geheimdienstausschüssen des Bundestages und des US-Senats an. Der amerikanische Ausschuss sei gegenüber seiner Regierung mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, der auch stellvertretender Vorsitzender des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages ist. Ein "vertrauensvoller politischer Austausch" beider Gremien sei für die Aufklärung der aktuellen NSA-Spitzelvorwürfe und für die Wiederherstellung des Vertrauens zu den USA notwendig.

Cameron droht der Presse

Scharfe Töne schlug derweil der britische Premierminister David Cameron an. Er drohte dem "Guardian" und anderen Zeitungen mit juristischen Schritten, sollten sie weiter über die von Edward Snowden zugänglich gemachten NSA-Dokumente berichten. Wie britische Zeitungen berichten, forderte Cameron, die Presse solle "soziale Verantwortung" zeigen, sonst drohe ihnen eine Verfügung vor einem britischen Gericht oder eine sogenannte D-Notice. Dabei handelt es sich um eine offizielle, aber nicht bindende Anweisung an Chefredakteure, bestimmte Dinge nicht zu publizieren, wenn dadurch die nationale Sicherheit bedroht ist.

Cameron warnte vor einer "Larifari-Haltung" gegenüber den Gefahren von öffentlich bekannten Geheimdienstdokumenten. Er würde es bevorzugen, mit den Zeitungen zu sprechen, statt die Angelegenheit vor Gerichten zu klären, erklärte er. Aber es werde immer schwieriger nicht zu handeln, wenn die Zeitungen den Rat der Regierung nicht annehmen würden.

kle/cw (afp, epd, dpa, rtr)