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IfW: Energie-Embargo träfe Russland hart

23. Februar 2022

Ein Energieembargo der EU gegen Russland würde die russische Wirtschaft nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) empfindlich treffen - die Wirtschaft in Deutschland und der EU aber kaum.

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Russland | Gazprom | Arbeiter kontrolliert Messinstrumente
Bild: Maxim Shipenkov/dpa/picture alliance

Der Westen kann die russische Wirtschaft mit einem Stop von Gasimporten dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge am härtesten treffen. Demnach hätte ein Handelsstopp mit Gas  einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um 2,9 Prozent zur Folge, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Simulationsrechnung der Kieler Forscher hervorgeht. Ein vollständiger Verzicht auf Öl würde einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent zur Folge haben. "Für Deutschland und die EU wären die wirtschaftlichen Schäden in beiden Fällen äußerst gering", fassen die Handelsexperten ihre Studie zusammen. Demnach könnte die deutsche Wirtschaftsleistung bei einem Verzicht auf russisches Gas sogar leicht um 0,1 Prozent zunehmen, ebenso die der EU insgesamt.

"Grund für das Plus ist, dass die westlichen Verbündeten die fehlenden Importe Russlands durch Produkte der Bündnispartner ersetzen würden und hier Deutschland besonders wettbewerbsfähig ist", so das IfW. Im Falle eines Gasembargos hätte Deutschland etwa bei der energieintensiven Produktion bzw. Verarbeitung von Metallen einen Kostenvorteil, weil sein Energiemix nur zu verhältnismäßig geringen Teilen aus russischem Gas bestehe.

"Unsere Berechnungen sind exemplarischer Natur, aber sie zeigen klar, dass die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos Russland sehr viel härter treffen würden als die westlichen Verbündeten", sagte IfW-Handelsforscher Hendrik Mahlkow. Aus diesem Grund wäre zum einen die Drohung Russlands mit einem Lieferstopp für Gas und/oder Öl wenig glaubhaft. Auf der anderen Seite sei ein Stopp der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 durch die Bundesregierung absolut nachvollziehbar.

2017 St. Petersburg International Economic Forum | CEO Alexei Miller, Gazprom
Putin-Vertrauter und Gazprom-Chef: Alexei MillerBild: Mikhail Kireev/Sputnik/dpa/picture alliance

Versorger Eon ist pessimistischer

Sehr viel pessimistischer als das IfW bewertet Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum den Fall eines kompletten Ausfalls russischer Gaslieferungen. Er warnt vor den mittelfristigen Folgen für die deutsche Industrie. "Einige Betriebe müssten Stand heute von der Versorgung abgeschaltet werden", sagte der Chef des Energiekonzerns der "Zeit". Zwar wären die akuten Auswirkungen nicht so drastisch, weil das Ende der Heizperiode fast erreicht sei. "Aber im nächsten Winter könnte die Energiewirtschaft wahrscheinlich eine Reihe von Industriekunden nicht mehr ohne Weiteres versorgen."

Deutschland kann seine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen in den kommenden Jahren dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge massiv senken. "Wenn es in Deutschland gelingt, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen, kann die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen deutlich vermindert werden", sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert der Nachrichtenagentur Reuters. "Dies ist machbar, erfordert aber ein noch schnelleres Vorgehen." Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromeinspeisung lag im Sommer 2021 dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 43,1 Prozent.

Deutschland importiert mehr als die Hälfte seines Gases per Pipeline aus Russland. Zum einen müsse die Industrie nun schnellstmöglich dekarbonisiert werden - über eine Verbesserung der Energieeffizienz und den Einsatz von alternativen Energien anstelle von Öl und Gas. Zudem müssten Gebäude noch viel schneller energetisch saniert werden. "Die Regierung sollte hier gezielte Wirtschaftshilfen voranbringen, um Gebäude schneller zu sanieren und die Industrie zu dekarbonisieren", sagte Kemfert.

Ökonomen sehen Gefahren für deutsche Exporteure

Die gute Stimmung unter den deutschen Exporteuren kann dem Ifo-Institut zufolge künftig unter der zugespitzten Lage in der Ukraine leiden. Das Barometer für die Exporterwartungen sank zwar im Februar geringfügig um 0,1 Punkte, blieb aber mit 17,6 Punkten klar im positiven Bereich, wie die Münchner Forscher zu ihrer monatlichen Unternehmensumfrage mitteilten. "Die Exportindustrie erwartet weitere Zuwächse", fasste Ifo-Präsident Clemens Fuest dieses Ergebnis zusammen. Die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine - die sich am Dienstag durch das russische Vorgehen mit der Anerkennung der Separatistengebiete im Osten des Landes erheblich zugespitzt haben - könnten jedoch zu einer Zunahme der Unsicherheit führen. "Dies könnte die Handelsströme beeinflussen", warnte Fuest.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat ungeachtet der Warnungen des Westens nach der Anerkennung von Donezk und Luhansk als unabhängige Regionen die Entsendung von Soldaten in die Ost-Ukraine angeordnet. Der Westen hat daraufhin erste Sanktionen beschlossen.

ku/hb (rtr,dpa)