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Die außenpolitischen Pläne des François Hollande

Andreas Noll19. April 2012

Wenn die Demoskopen richtig liegen, wird der Sozialist François Hollande der nächste französische Staatspräsident. Im Deutsche Welle-Interview erklärt Sozialisten-Berater Jacques-Pierre Gougeon Hollandes Außenpolitik.

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Jacques-Pierre Gougeon ist Forschungsdirektor am Pariser Institut für Internationale Beziehungen und Strategien (IRIS). Der Germanist und Buchautor ist Experte für die deutsch-französischen Beziehungen. Außerdem berät Gougeon den einflussreichen Fraktionsvorsitzenden der Sozialisten in der Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault. Quelle: Iris http://www.iris-france.org/cv.php?fichier=cv/cv&nom=gougeon ;
"Hollande ist ein vernünftiger Mann", glaubt Jacques-Pierre GougeonBild: IRIS

Deutsche Welle: Herr Professor Gougeon, in Frankreich hat der Präsident die entscheidende Rolle in der Außenpolitik. Trotzdem tauchen  außenpolitische Themen im Wahlkampf eher am Rande auf. Woran liegt das?

Jacques-Pierre Gougeon: Man kann es bedauern, aber traditionell spielt die Außenpolitik keine große Rolle im Präsidentschaftswahlkampf. Dieses Mal – so finde ich zumindest – hat die europäische Politik eine gewisse Rolle gespielt, und zwar im Hinblick auf die deutsch-französischen Beziehungen, im Hinblick auf den Fiskalpakt. Ich denke, die europäische Politik spielt eine gewisse Rolle. Auch wenn sie natürlich nicht in der ersten Reihe steht. Das, was zählt, sind wirtschaftliche und soziale Fragen. Diese Fragen sind aber wiederum mit der Europapolitik verbunden.

In der Außenpolitik wird gerne die Kontinuität betont. Welche Unterschiede sehen Sie dennoch zwischen dem amtierenden Präsidenten und seinem Herausforderer?

Die höchste Priorität wird sicherlich die europäische Politik haben. Man sieht sehr gut, dass dem von den EU-Partnern unterschriebenen Fiskalpakt ein Abschnitt für Wachstum und Beschäftigung fehlt. Das ist eine Priorität von François Hollande, zu sagen: "Wir brauchen eine Politik der Schuldenbegrenzung, wir brauchen mehr Anstrengungen durch die Mitgliedsländer." ABER Europa kann nicht nur eine Sparpolitik betreiben. Europa muss auch Maßnahmen für Wachstum, Arbeit und Innovation anpacken. Das fehlt derzeit.

Der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, François Hollande, bei einem Wahlkampfauftritt in Lille (Foto: dpa)
Herausforderer François HollandeBild: picture-alliance/dpa

Sie sprechen den Fiskalpakt an. Will François Hollande den bereits unterzeichneten Vertrag auf den Scheiterhaufen der Geschichte werfen?

Nein, was François Hollande will, ist ein zusätzlicher Abschnitt. Er hat es selbst gesagt: Es geht nicht darum, alles kaputt zu machen. Es geht darum, die eine Seite zu behalten und eine andere hinzuzufügen, die für ein besseres Gleichgewicht sorgt. Bislang geht es nur um das Budget. Und das ist ein Problem.

Aber die Nationalstaaten können doch selbst für Wachstum und Beschäftigung sorgen. Der Pakt hindert sie nicht daran!

Ja, aber wir gehen von dem Prinzip aus, dass in dem Moment, wo wir eine gemeinsame Budgetpolitik in Europa haben, wir auch auf der europäischen Ebene Strategien für Wachstum brauchen. Es geht um Infrastrukturpolitik, Innovationen. Das muss man europäisch lösen, das geht nicht nur national.

Ist es ein Nachteil für einen Präsidenten Hollande, dass er überhaupt keine Regierungserfahrung vorweisen kann?

Einige französische Kritiker werfen ihm das vor. Aber man sieht auch anderswo in Europa Politiker an die Macht kommen, die nie Minister waren. Denken Sie an den britischen Premierminister David Cameron oder vor ihm Tony Blair. Angela Merkel war vorher zwar Ministerin, aber das waren ja auch keine großen Ministerien, Familie, Jugend, Umwelt. Ich glaube, sogar in Frankreich sind wir in einem neuen politischen Zeitalter. Heute wollen die Leute einen jungen Präsidenten, der schnell handeln kann. Das ist eine andere Sichtweise.

François Hollande gilt als gemäßigter Sozialist. Die Partei kennt aber auch Strömungen, die sogar Sozialdemokraten in Deutschland unheimlich vorkommen. Wie viel Einfluss wird die Partei auf die Politik des Präsidenten nehmen können?

Ja, die Partei hat natürlich Einfluss. Aber das System in Frankreich sieht vor, dass der Präsident eine gewisse Handlungsfreiheit hat. Sie haben ja gesehen, dass François Hollande sein eigenes Programm vorgestellt hat. Darin ist natürlich ein großer Teil des sozialistischen Programms enthalten, aber er adaptiert auch gewisse Dinge.

Wird François Hollande ein Präsident der Reformen?

Ja, die Rechte sagt immer, dass François Hollande nicht reformieren will, aber das ist nicht wahr. Er will die Reformen bündeln. Zuerst will er eine große Fiskalreform. Er glaubt, dass die Fiskalpolitik in Frankreich ungerecht ist. Er will darüber hinaus eine Reform des Erziehungswesens und eine Reform der Banken. Das sind große Reformprojekte, die sofort nach seiner Wahl angepackt werden. Er will die Reformen gerecht umsetzen. Die Fiskalreform sieht vor: Diejenigen, die mehr haben, können mehr Steuern zahlen. Ich glaube, dass die Franzosen das eher akzeptieren können, als das, was bislang passiert ist. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, nämlich die Besserverdienenden, hat profitiert, aber nicht die gesamte Gesellschaft. Man muss also das Gleichgewicht  zwischen Reform- und Sozialpolitik finden.

Wir müssen uns also auch unter Hollande auf Proteste der Straße einstellen?

Nein. Das ist Ihre Vorstellung, dass das zu Protesten auf der Straße führt. Nehmen Sie nur mal den Punkt der Neueinstellung von Lehrern. Er will in einigen Bereichen des öffentlichen Dienstes Stellen schaffen, aber in anderen wiederum Stellen einsparen. Es geht um das Gleichgewicht. Das ist ihm wichtig. François Hollande ist schon ein vernünftiger Mann. Das ist keiner, der das Geld herausschmeißen wird.

Welche Folgen hat der Verlust des Triple-A-Ratings für seine Reformpläne? Könnte Frankreich zum nächsten Krisenfall zu werden?

Frankreich kann momentan sehr gut Geld auf den Kapitalmärkten aufnehmen. Die Zinsen sind gestiegen, aber wir sind weit von einer Situation entfernt, wie sie andere Staaten Europas derzeit durchmachen. Jedes Land kann betroffen sein, auch Deutschland. Nicolas Sarkozy nutzt immer wieder dieses Argument, um im Wahlkampf Ängste zu schüren.

Titel: Wahlkampfauftritt Nicolas Sarkozy Schlagworte: Sarkozy, Wahlkampf, Präsidentschaftswahl, Frankreich Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Bettina Kaps Wann wurde das Bild gemacht?: 15.4.2012 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Paris, Place de la Concorde Bei welcher Gelegenheit/in welcher Situation wurde das Bild aufgenommen?: Beim Wahlkampfauftritt von Nicolas Sarkozy auf der Place de la Concorde Wer oder was ist auf dem Bild zu sehen?: Der Präsident beschwört den Ernst der Lage.
Nicolas Sarkozy beim Wahlkampf auf der Place de la Concorde in Paris.Bild: Bettina Kaps

 Hat François Hollande schon Kontakt ins deutsche Kanzleramt aufgenommen ?

Natürlich gibt es noch keine offiziellen Verbindungen, da François Hollande noch nicht gewählt wurde. Wir treffen jedoch viele Menschen auf inoffiziellem Wege. Das ist ganz normal.

Jacques-Pierre Gougeon ist Forschungsdirektor am Pariser Institut für Internationale Beziehungen und Strategien (IRIS). Der Germanist und Buchautor ist Experte für die deutsch-französischen Beziehungen. Außerdem berät Gougeon den einflussreichen Fraktionsvorsitzenden der Sozialisten in der Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault.

Das Interview führte Andreas Noll.