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Hochwasser: Die Rolle von Jetstream und Mondumlaufbahn

16. Juli 2021

Steigende Temperaturen, ein immer schwächerer Jetstream: Wegen des Klimawandels kommen wohl noch mehr Extremwetterereignisse wie das Hochwasser in Deutschland auf uns zu. Selbst der Mond macht Probleme.

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Eine eingestürzte Brücke nach Hochwasser in Rheinland-Pfalz
Hochwasserschäden werden wir wohl immer öfter zu sehen bekommen Bild: Abdulhamid Hosbas/AA/picture alliance

Mehr als 100 Menschen sind in den Fluten gestorben, die diese Woche ganze Straßenzüge im Westen Deutschlands weggerissen haben. Weitaus mehr werden noch vermisst. Der Schock sitzt bei vielen Menschen, die Angehörige oder ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, immer noch tief, auch weil Hochwasser diesen Ausmaßes in Deutschland bisher nur alle paar Jahrzehnte einmal vorkamen. Aber mit dem Klimawandel, so warnen Meteorologen, können Extremwetterereignisse in Zukunft öfter auftreten.

"Extreme Regen werden in der wärmeren Welt häufiger" werden, sagt Klimaforscher Andreas Fink vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie im DW-Interview.

Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen

Ein Grund dafür: Mit der Erderwärmung verändert sich auch die Atmosphäre. "Pro ein Grad Celsius Temperaturerhöhung kann die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen", sagt Dr. Sebastian Sippel vom Institut für Klima und Atmosphäre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in einem Pressestatement. "Diese durch Erwärmung zusätzliche Feuchte führt daher in der langfristigen Tendenz zu höheren Niederschlagsmengen, insbesondere bei Starkregen."

Und daran, dass der menschengemachte Klimawandel unsere Atmosphäre aufheizt, haben die Experten keinen Zweifel. "Im Jahre 2021 stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Klimawandel dazu beigetragen hat", sagt Dr. Carl-Friedrich Schleussner, Forschungsgruppenleiter am Geographischen Institut der Humboldt-Universität in Berlin über die aktuelle Hochwasserlage in Deutschland in einem Statement. "Die Frage ist nur noch, wieviel."

Schwächerer Jetstream

Über die thermodynamische Veränderung, also die immer wärmere Atmosphäre und ihre erhöhte Kapazität für Feuchtigkeit, herrscht Konsens in der Wissenschaft. Ein weiterer Aspekt, der vermutlich bei Extremwettereignissen wie den Hochwassern in Deutschland und den Nachbarländern, sowie bei der Hitzewelle an der Westküste der USA und Kanadas eine Rolle spielt, ist noch nicht abschließend geklärt, gilt bei Experten aber als höchstwahrscheinlich.

Infografik Mehr Extremwetterlagen durch stockende Luftströme


Es handelt sich um die Luftströmungen, die eigentlich dafür sorgen, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete in unseren gemäßigten Breiten immer schnell weiterziehen. Klimaforscher wie Andreas Fink gehen davon aus, dass der Jetstream, ein in Höhe von etwa neun Kilometern um den Nordpol wehender Westwind, in den letzten Jahren an Schwung verloren hat und es so zu Wellen in dem ehemals stetigen Luftstrom kommt.

"Diese Wellen bleiben dann an Ort und Stelle stehen und können, je nachdem, wo sie sind, extreme Hitzewellen, wie wir sie in Nordamerika gesehen haben, oder Überflutungen verursachen", erklärt Fink.

Hochs und Tiefs werden also nicht mehr so kräftig vorangetrieben. "Bei Tiefdruckgebiet Bernd [das mit starken Regenfällen die aktuellen Hochwasser auslöste, die Red.] hatten wir jetzt genau diese Situation, dass es über einem Ort verharrte."

Infografik - Wie der Polarwirbel unser Wetter beeinflusst

Experten gehen davon aus, dass der Jetstream ins Stocken kommt, weil er durch den Temperaturunterschied zwischen der Arktis und den Tropen angefacht wird. In der Arktis steigen jedoch die Temperaturen, der Temperaturunterschied wird kleiner ― und damit die Luftströmung schwächer. 

Schlimmere Hochwasser wegen des Monds?

Ein letzter Punkt, der mit Blick auf Hochwasser beunruhigend ist: In der kommenden Dekade werden die Wasserstände Ebbe und Flut extremer ausfallen als normal. Grund dafür ist eine Unregelmäßigkeit in der Mondumlaufbahn. Die taucht zwar gut alle 18 Jahre einmal auf. Aber wenn es das nächste Mal so weit sein wird, in den 2030ern, wird der Meeresspiegel aufgrund der Klimaerwärmung genug angestiegen sein, dass es Grund zur Besorgnis gibt.

"In der Hälfte des 18,6-Jahre langen Mondzyklus werden Ebbe und Flut auf der Erde unterdrückt: Die Flut fällt niedriger als sonst aus, die Ebbe höher", erklärt die US-Raumfahrtagentur NASA auf ihrer Website. "In der anderen Hälfte des Zyklus werden die Wasserstände extremer: Die Flut wird höher, bei Ebbe wird der Wasserstand noch niedriger."

Forschende gehen von lang andauernden Überflutungen aus, die katastrophale Folgen haben können. In Kombination mit der wachsenden Anzahl an Extremwetterereignissen, die der Klimawandel mit sich bringt, sind das besonders beunruhigende Neuigkeiten. 

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker