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Politik

Irans politische Gefangene bleiben in Haft

Shabnam von Hein
15. März 2020

Während im Iran die Corona-Epidemie wütet und mittlerweile über 10.000 Infizierte gezählt werden, mit steigender Tendenz, arbeitet die politische Justiz beharrlich weiter.

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Iran Evin-Gefängnis
Frauenabteilung im iranischen Evin-GefängnisBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Wegen der schnellen Ausbreitung des neuen Coronavirus hat die Justiz im Iran nach eigenen Angaben entschieden, rund 70.000 Häftlinge aus den Gefängnissen zu entlassen. Im Teheraner Evin-Gefängnis, wo politische Gefangene einsitzen, gelten aber andere Prioritäten.

Dort ist zum Beispiel Atena Daemi seit 2014 inhaftiert, mit der Standardbegründung: "Propaganda gegen das System". Die Kinder- und Menschenrechtsaktivistin hatte am 11.März mit ihrer Familie telefonieren können. Im Evin-Gefängnis herrsche der Ausnahmezustand, so ihr Bericht. Der Besuch von Angehörigen, die geplante Verlegung von Gefangenen in Krankenhäuser oder in andere Haftanstalten sei abgesagt worden. Aber man habe sie erneut vor Gericht zitieren wollen, weil sie im November im Gefängnis an einem Häftlingsstreik beteiligt war, um gegen die brutale Niederschlagung der Demonstrationen zu protestieren. Sie habe sich aber geweigert, das Gefängnis und die dortige Frauenabteilung zu verlassen.

Iran Shahnaz Akmali
Hafturlaub für Shahnaz AkmaliBild: UGC

Unterschiedliche Behandlungen

"Das ist momentan sehr wichtig. Die Frauen haben sich selbst dort isoliert, um sich vor Ansteckung zu schützen", sagt Maryam Karim Beigi aus Teheran im Gespräch mit der DW. Ihre Mutter, Shahnaz Akmali, war seit dem 15. Januar 2020 ebenfalls wegen Propaganda gegen das System im Evin-Gefängnis inhaftiert. Wegen der Epidemie habe ihre Mutter einen Monat Hafturlaub bekommen.

Mustafa Karim Beigi, Sohn von Shahnaz Akmali, am 27. Dezember 2009 bei Straßenprotesten nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen durch einen Kopfschuss der Sicherheitskräfte getötet. Als wahrer Grund für die Verurteilung von Akmali zu einem Jahr Gefängnis gilt, dass sie seit damals beharrlich die Tötung ihres Sohnes öffentlich anprangerte und an friedlichen Protesten teilnahm.

"Der Fall meiner Mutter wurde ständig in sozialen Netzwerken und von ausländischen Medien thematisiert. Ich bin mir sicher, dass sie den Hafturlaub bekommen hat, weil im Iran das Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Fall sehr groß ist. Aber die Menschenrechtsaktivistin Atena Daemi steht nicht einmal auf der Liste der Gefangenen, die einen Hafturlaub bekommen könnten", berichtet Maryam Karim Beigi gegenüber der DW.

Iran inhaftierte Umweltaktivisten
Sami Radjbai (rechts unten) mit anderen Umweltaktivisten in HaftBild: iranhumanrights

Sorge um inhaftierte Umweltschützer

"Mein Bruder ist auch nicht dabei", sagt Katy Radjabi. Ihr Bruder Sami Radjabi ist ein renommierter Umweltaktivist, ebenfalls im Evin-Gefängnis inhaftiert. Mit acht anderen Mitgliedern der "Persian Wildlife Heritage Foundation setzte er sich für den Erhalt der iranischen Tierwelt und die Förderung von Naturschutzprojekten ein. Die ganze Gruppe wurde im Februar 2018 verhaftet und wegen "Zusammenarbeit mit der feindlichen Regierung der USA" zu Freiheitsstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt, einige zusätzlich zu hohen Geldstrafen. Der Fall hat hohe Wellen geschlagen und international für Empörung gesorgt. Vom Schauspieler und Umweltaktivisten Leonardo DiCaprio bis zur Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Bärbel Kofler, haben viele die Freilassung der Umweltschützer gefordert. Vergeblich, bis auf eine Ausnahme:

"Jetzt unter den Corona-Umständen haben die Behörden nur einen von ihnen freigelassen. Er war zu vier Jahren Haft verurteilt worden", sagt Katy Radjabi, die jetzt in Deutschland lebt. Ihr Bruder Sami sitzt weiter in Haft.

"Ich mache mir große Sorgen um meinen Bruder. Er wurde im Gefängnis so krank, dass er immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nun wird ihm nicht einmal mehr das gewährt."

Im Evin-Gefängnis in Teheran sitzt auch ein Mann, den das Land gerade jetzt gut gebrauchen könnte: Mediziner und Experte für Katastrophenmanagement Ahmad Resa Dschalali. Der schwedisch-iranische Wissenschaftler war wegen angeblicher Spionage für Israel im Dezember 2017 zum Tode verurteilt worden. Asma Jahangir, die inzwischen verstorbene UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte im Iran bis Februar 2018, hatte im Fall Dschalali zahlreiche Verstöße gegen rechtsstaatliche Standards bemängelt.