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Grillparty an der Wall Street

Sabrina Kessler New York
5. August 2021

Nach einem kräftigen Umsatzsprung hat der US-Grillhersteller Weber den Gang an die New Yorker Börse gewagt. Vor allem in Deutschland ist die Marke überaus erfolgreich. Der Börsengang startet durchwachsen.

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New York Wall Street | Börsengang Weber-Stephen
Weber-Chef Chris Scherzinger läuetet die Börsenglocke an der Wall StreetBild: Richard Drew/AP/picture alliance

George Stephen war frustriert. Jedes Mal, wenn er ein schönes Stück Fleisch auf seinem Steingrill im Garten zubereiten wollte, musste er sich ärgern. Nicht nur schlug ihm unentwegt Qualm entgegen, was in Mount Prospect, einem sehr windigen Vorort nordwestlich von Chicago, unausweichlich ist. Auch die Grill-Temperatur war so ungleich verteilt, dass jedes Steak ein Reinfall war.

In seiner Firma, einer kleinen Blechwerkstatt mit dem Namen Weber Brothers, kam ihm schließlich eine Idee: Er montierte zwei Blechhalbkugeln, die eigentlich für die Produktion von Bojen vorgesehen waren, so, dass ein verschließbarer, windbeständiger Grill entstand. Schon kurze Zeit später, im Jahr 1952, fing er an, seine Erfindung, die inzwischen weltberühmt ist, landesweit zu verkaufen. "George's Barbecue Kettle", wie er ihn nannte, war der erste Kugelgrill der Welt.

Fast 70 Jahre später geht das Unternehmen, das inzwischen Stephen-Weber Products heißt, an die Börse. Mit einer Preisspanne von 15 bis 17 Dollar pro Aktie wollte die US-Grill-Legende am Donnerstag fast 47 Millionen Aktien veräußern. Am oberen Ende der Preisspanne hätte Weber rund 916 Millionen Dollar frisches Kapital einsammeln können. Das Unternehmen käme so auf eine Marktkapitalisierung von fünf Milliarden Dollar. Doch das Interesse der Anleger war zunächst eher mäßig, so kamen nur knapp 18 Millionen Papiere in den Handel - und das zu einem Preis von nur 14 Dollar. Als dann aber der Handel startete, legte der Kurs um 20 Prozent zu, die Aktie stieg auf 17 Dollar.

New York Wall Street | Börsengang Weber-Stephen
Der Kettle - ein Kugelgrill. Damit wurde Weber groß. Bild: Richard Drew/AP/picture alliance

Die Gunst der Stunde

Um am Kapitalmarkt frisches Geld einzusammeln, nutzt Weber die Gunst der Stunde. Dank einer enormen Nachfrage nach Produkten für den Heimgebrauch konnte sich das Geschäft im Zuge der Corona-Pandemie prächtig entwickeln. Allein im ersten Halbjahr, das am 31. Mai 2021 endete, verkaufte Weber Grills, Smoker und Zubehör im Wert von 963 Millionen Dollar, 62 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn stieg um das Dreifache und lag mit fast 74 Millionen nur gut sieben Prozent unter dem Ergebnis des gesamten Vorjahres.

Auf dem globalen Grill-Markt, den das Marktforschungsinstitut Frost und Sullivan auf 49 Milliarden Dollar beziffert, ist Weber damit ein absolutes Schwergewicht. Vor allem in den USA, wo der Traditionsbetrieb 58 Prozent seines Umsatzes erlöst, ist die Marke unangefochtener Branchenprimus. Allerdings ist Weber dort gar nicht mal so verbreitet, wie man glauben mag. Das Börsenprospekt zeigt: Im Heimatland, wo die Konkurrenz besonders groß ist, besitzt Weber lediglich einen Marktanteil von 23 Prozent.

Weber-Land Deutschland

In Deutschland sieht das deutlich anders aus. Hier besitzt fast jeder zweite Grill-Fan ein Gerät von Weber. Mit Blick auf 2020 spricht das Marktforschungsunternehmen GfK vom bisher "umsatzstärksten Jahr" für Grillgeräte-Hersteller, was auch an einer Verschiebung des Markts liegt. Günstige Kohlegeräte von Weber, die schon für 28 Dollar zu haben sind, waren weniger gefragt. Teure Gasgeräte, die je nach Größe und Leistung bis zu 3800 Dollar kosten können, dafür umso mehr.

Weber Grill
High End-Geräte kosten mehr als 3000 Dollar....Bild: Brian Snyder/Reuters

Dass Weber dennoch überwiegend auf Nordamerika setzt, liegt am deutlich größeren Markt. Mit rund neun Milliarden Dollar ist die Industrie nirgendwo sonst so groß wie in den USA. Zwei von drei Bürgern besitzen hier nach Angaben der Hearth, Patio & Barbecue Association ihren eigenen Grill oder Smoker. Allein in den Monaten März bis Mai haben amerikanische Grill-Enthusiasten mehr als 1,8 Milliarden Dollar für entsprechende Geräte und Zubehör ausgegeben.

Die massive Nachfrage könnte den Grill-Herstellern, allen voran Weber, allerdings schon bald zum Verhängnis werden. Der Markt sei gesättigt, die Branche erwachsen geworden, heißt es vom Marktforschungsunternehmen Ibis World. Ein Blick auf die Zeit vor der Pandemie lässt schon jetzt nichts Gutes für die Geschäftsentwicklung von Weber erahnen. Im Gegenteil: 2019 waren die Erlöse mit 1,3 Milliarden Dollar für das Gesamtjahr leicht rückläufig. Gleichzeitig hatte Weber einen Ergebniseinbruch um 56 Prozent hinnehmen müssen.

New York Wall Street | Börsengang Weber-Stephen
Gibts auch nicht alle Tage: Grillparty vor der New Yorker BörseBild: ANDREW KELLY/REUTERS

Vor müden Jahren

Die Branche stünde deshalb vor müden Jahren, warnt Ibis-Analyst Nick Masters. "Die aktuelle Phase ist durch verlangsamte Wachstumsraten und geringe technologische Innovation gekennzeichnet." Bis 2025 soll der Branchenumsatz lediglich mit einer jährlichen Rate von 1,4 Prozent steigen. Auch ein Grund, warum es kaum neue Marktteilnehmer gibt.

Dabei gibt es in den USA durchaus eine Menge Konkurrenten, mit denen der Grill-Pionier Weber zu kämpfen hat. Firmen wie Coleman, Char-Broil, Middleby und Broil King haben dem Unternehmen zuletzt zunehmend Marktanteile abgeknöpft. Vom Rückenwind der Pandemie angetrieben ist es deshalb nicht überraschend, dass sich in diesem Jahr nicht weniger als vier Grill-Hersteller an die Börse wagen. Die Firma Traeger, ein Hersteller, der sich auf sogenannte Holz-Pellet-Grills spezialisiert hat, konnte mit seinem Börsendebüt Ende Juli bereits 423 Millionen Dollar erlösen. Die Aktien liegen seither 20 Prozent im Plus.

Angesichts fehlender Rohstoffe und stockender Lieferketten ist allerdings fraglich, ob dieses Kursplus nachhaltig sein wird. Weil Traeger inzwischen fast ausschließlich in China fertigt und Weber zumindest in Teilen auf Produkte aus Asien angewiesen ist, hemmen stockende Lieferungen das Geschäft. "Selbst wenn die Nachfrage weiter steigt, kann es sein, dass wir aufgrund von Produktions- und Kapazitätsproblemen nicht in der Lage sind, diese Nachfrage zu befriedigen", heißt es dazu im Börsenprospekt von Weber. Zugleich ist klar: Wenn wieder mehr Menschen Zugang zu Restaurants und Freizeitaktivitäten haben, dürfte der Bedarf nach Grills so oder so deutlich sinken.

Grillmeisterschaften
Sind die fetten Jahre bald vorbei? Bild: picture-alliance/picturedesk.com/R. Mühlanger

Der Image-Faktor

Zumindest Weber kann derweil darauf hoffen, auch in Zukunft von seiner starken Marke zu profitieren. Eine jahrzehntelange Wachstumsgeschichte an der Spitze der Branche hat dem Unternehmen ein treue und zahlungskräftige Kundschaft beschert. "Der Name 'Weber' und das Premium-Image sind ein wesentlicher Faktor für das Wachstum unseres Unternehmens", liest man dazu im Börsenprospekt. Ganze 221 Mal wird hier das Wort "Brand" genannt.

Webers größte Stärke ist allerdings auch das größte Risiko für das Unternehmens. Sollte das Image leiden, drohen Weber große Verluste. "Wir haben Jahrzehnte damit verbracht, Markenaffinität und Bekanntheit aufzubauen, indem wir den Menschen beigebracht haben, wie man nach Weber-Art grillt", schreibt das Management. "Jede Beeinträchtigung unserer Marke könnte zu einem erheblichen Rückgang der Nachfrage führen, was sich deutlich negativ auf die Ertragslage auswirken könnte."