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EU-Gipfel Griechenland Presse

31. Januar 2012

Der deutsche Vorschlag, man solle für Griechenland einen "Sparkommissar" ernennen, sorgte in der griechischen Presse für große Aufregung: "Eine deutsche Schikane", nennt eine der Tageszeitungen den Vorschlag.

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Griechische Zeitungen mit Hiobsbotschaften (Foto: DW)
Bild: DW

Obwohl die Finanzkrise in Griechenland offiziell nicht auf der Tagesordnung des EU-Sondergipfels stand (30.1.) verfolgte die griechische Öffentlichkeit mit großem Interesse die Verhandlungen in Brüssel. Denn der deutsche Vorschlag im Vorfeld des Treffens, man solle für Griechenland einen 'Sparkommissar' ernennen, sorgte für große Aufregung im krisengeschüttelten Land. Entsprechend groß war dann auch die Erleichterung darüber, dass dieser Vorschlag keine nennenswerten Befürworter in der EU gefunden hat.

Beim ersten Blick in die griechischen Tageszeitungen bekommt man den Eindruck, als würde die Presse heute über einen ganz anderen EU-Gipfel berichten: Das neue Fiskalpakt und die angepeilte Wachstumsstrategie der EU werden nur im Ansatz erläutert, dafür berichtet die Athener Presse um so mehr über den deutschen Vorschlag, in Griechenland einen Sparkommissar einzusetzen.

"Unsere Haushaltsführung ist nicht gesund"

Bereits am Montag hatte die auflagenstärkste griechische Tageszeitung “Ta Nea“ der  deutschen Finanzpolitik mit fetten Buchstaben ein dreifaches "Nein“ ausgesprochen. Jetzt titelt die Zeitung: "Das ‘Nein' hat den Sparkommissar umgebracht“.

Der italienische Ministerpraesident Mario Monti (l.), der französische Staatspraesident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bruessel (Foto: DPA)
Doch kein Sparkommisar für Griechenland - Monti (l.), Sarkozy und Merkel in BruesselBild: dapd

Doch im Leitartikel der Zeitung relativiert sich das 'Nein'. Der Vorschlag, einen Sparkommissar einzusetzen, so die Zeitung, sei vielleicht gar nicht so abwegig. "Wir dürfen uns nicht vor der Wahrheit verstecken: Unsere Haushaltsführung ist nicht gesund, und das ist schon immer so gewesen. Denn sie beugt sich den Interessen der jeweiligen Regierung oder gar den persönlichen Interessen des Finanzministers. Eine echte Bilanz der Haushaltsführung gab es noch nie in diesem Land“, moniert das Blatt. Stattdessen schlägt “Ta Nea“ vor, die Griechen könnten doch selbst einen Haushaltskommissar einsetzen.

"Kein politisches Denken"

"Die christdemokratische Partei Deutschlands sorgt  für eine unangenehme Überraschung“, meint Angelos Stangos, Politjournalist der angesehenen Tageszeitung "Kathimerini“. "Politisches Denken steckt wohl nicht dahinter. Erstens, weil dieser Vorschlag so brüsk formuliert wurde. Zweitens, weil die Entsendung eines Kommissars die Linke sowie die Europa-Skeptiker in Griechenland zu ungeahnten Höhenflügen führt. Drittens, weil denjenigen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, die sich für ein europäisches Griechenland einsetzen. Vielleicht wollte man durch diesen Vorschlag nur provozieren", meint Stangos. “Entweder wollte man eine Drohkulisse aufbauen und anschließend einen Statthalter mit geringeren Kompetenzen als kleineres Übel durchsetzen. Oder aber, man wollte Griechenland aus der Eurozone herausdrängen unter dem Vorwand, es habe seiner eigenen Bevormundung nicht zustimmen wollen“.

"Eine deutsche Schikane"

Die linksgerichtete Tageszeitung "Avgi“ protestiert: "Sie wollen uns für ihren Misserfolg bestrafen“, so das Blatt über die EU- Staats- und Regierungschefs.

Als "eine deutsche Schikane“ betrachtet die auflagenstarke Tageszeitung "Ethnos" den angeblichen Vorstoß von Angela Merkel, den Griechen noch mehr Sparmaßnahmen abzuverlangen im Gegenzug für weitere Finanzhilfen.

"Der Vorschlag, einen Sparkommissar einzusetzen ist jedenfalls nicht vom Tisch, auch wenn das Gegenteil behauptet wird", erklärt der Verleger und Politkommentator Antonis Delatollas im Staatsfernsehen NET: "Die Deutschen würden nie im Leben einen solchen Vorschlag spontan oder unüberlegt zum Ausdruck bringen. Sie verfolgen immer eine langfristig angelegte taktische Planung und gehen offenbar davon aus, dass das Thema irgendwann mal wieder mal auf die Agenda kommt.“

Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Zoran Arbutina