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Griechenlands Wahlkampf hat begonnen

Kaki Bali Athen
30. Januar 2023

Wird der Abhörskandal zu einem Regierungswechsel in Athen führen? Die Opposition macht Druck, aber die Öffentlichkeit interessiert sich kaum dafür. Meinungsforscher sehen die Regierungspartei vorn.

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Griechenland Athen Parlament Abstimmung Misstrauensvotum Mitsotakis
Griechenlands Ministerpräsident Mitsotakis nach der dreitätigen Debatte im ParlamentBild: Petros Giannakouris/AP Photo/picture alliance

Griechenland befindet sich bereits mitten im Wahlkampf, obwohl es noch keinen Termin für die Parlamentswahlen gibt. Die Legislaturperiode geht im Juli 2023 regulär zu Ende, doch möglicherweise wird es schon am 9. April zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Dabei stehen zwei Dinge schon jetzt fest: Erstens wird die Öffentlichkeit keine Antworten auf die offenen Fragen zu dem Abhörskandal bekommen, der immer weitere Kreise zieht. Und zweitens dürfte der Wahlkampf zu einer Schlammschlacht zwischen der regierenden konservativen Nea Dimokratia und dem linksgerichteten Syriza-Bündnis werden.

Abgeordnete im griechischen Parlament während einer dreitägigen Debatte nach dem Misstrauensantrag von Syriza-Chef Alexis Tsipras
Drei Tage lang debattierte das griechische Parlament über die Arbeit der RegierungBild: Aris Oikonomou/SOOC/AFP

Dies wurde während einer dreitägigen Debatte im griechischen Parlament in der vergangenen Woche deutlich. Ausgelöst wurde sie durch einen Misstrauensantrag von Oppositionsführer Alexis Tsipras am Mittwoch (25.01.2023). Anlass dazu war ein Bericht der Datenschutzbehörde (ADAE) zum Abhörskandal, der Griechenland seit Monaten beschäftigt.

Die Behörde bestätigte, dass der Geheimdienst EYP sowohl Arbeitsminister Kostas Chatzidakis als auch fünf hochrangige Militärangehörige, darunter den Chef des Generalstabs der griechischen Streitkräfte, Konstantinos Floros, abgehört hatte. Bereits Monate zuvor war bekannt geworden, dass auch der Europa-Abgeordnete Nikos Androulakis, Vorsitzender der drittstärksten Partei PASOK, und zwei Journalisten abgehört worden waren. 

"Die Justiz wird den Fall klären"

Auf die Frage nach dem Warum bekamen die Parlamentarier und das griechische Publikum während der Debatte keine Antwort von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Zwar bestritt er die Überwachungen nicht, er habe aber nichts davon gewusst. "Die Justiz wird den Fall klären", sagte Mitsotakis lediglich. Er nutzte die Debatte stattdessen, um lange über die Fehler der Vorgängerregierung zu sprechen und über Skandale, in denen Syriza-Politiker während ihrer Amtszeit 2015 bis 2019 angeblich involviert gewesen seien. Dem Syriza-Vorsitzenden Tsipras warf er vor, angesichts der anstehenden Parlamentswahlen eine politische "Schlammschlacht" anzuzetteln.

Griechenland Athen Parlament Abstimmung Misstrauensvotum Tsipras
Alexis Tsipras, Chef der größten griechischen Oppositionspartei Syriza, warf der Regierung vor, Massenabhöraktionen von politischen Verbündeten und Gegnern organisiert zu habenBild: Eurokinissi/ANE/picture alliance

Tsipras seinerseits rief das Parlament dazu auf, eine Entscheidung zu treffen, für oder gegen die Demokratie. Er warf Mitsotakis Lügen vor und fragte, wie es sein könne, dass der Ministerpräsident nichts von dem Abhörskandal wisse, obwohl er doch mit seinem Amtsantritt im Jahr 2019 den Geheimdienst zur Chefsache gemacht habe.

Misstrauensvotum überstanden 

Nach der Debatte, die von schweren Anschuldigungen und einer extremen Polarisierung geprägt war, sprachen alle 156 Abgeordnete der Regierungspartei und damit die Mehrheit des 300 Mitglieder umfassenden Parlaments Regierungschef Mitsotakis ihr Vertrauen aus. Sogar Minister Chatzidakis, selbst Opfer der Abhöraktion, zeigte sich überzeugt, dass der Ministerpräsident nichts gewusst habe.

Nach überstandener Vertrauensfrage applaudieren die Angeordneten der Nea Dimkratia ihrem Parteichef und Ministerpräsidenten Kyriakos Mistotakis
Nach überstandener Vertrauensfrage applaudieren die Angeordneten der Nea Dimkratia ihrem Parteichef und Ministerpräsidenten Kyriakos MistotakisBild: Dimitris Kapantais/SOOC/AFP

Diese Überzeugung teilt die griechische Bevölkerung nicht. Laut der letzten Umfrage des Athener Meinungsforschungsinstituts Prorata glauben fast 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass Mitsotakis von den Abhöraktionen wusste. Über die Hälfte der Befragten findet den Lauschangriff "falsch" und "schädlich für die Demokratie". 

Mitsotakis laut Umfragen vorne

Gleichzeitig sind die Menschen in Griechenland überzeugt, dass Mitsotakis an einer Aufklärung der Abhöraffäre keinerlei Interesse hat. Dennoch hält sich die Empörung darüber in Grenzen. Trotz der Lauschangriffe führt Nea Dimokratia nach Meinungsumfragen noch immer mit fünf Prozentpunkten und mehr vor Syriza. Die Partei von Mitsotakis könnte zwischen 30 und 33 Prozent erreichen, was aber zum alleine Weiterregieren nicht reichen würde. Die Konservativen werden also einen Koalitionspartner brauchen.

Dies dürfte am ehesten die sozialdemokratische PASOK werden, mit der die ND schon einmal (2012 - 2015) regiert hat. Das würde aber voraussetzen, dass deren Vorsitzender Androulakis den Lauschangriff auf seine Person verzeiht und Vertrauen zu seinem möglichen Koalitionspartner fasst, was im Moment eher unwahrscheinlich ist. 

Rückblick auf den Abhörskandal

Zur Erinnerung: Im Juli 2022 war öffentlich geworden, dass der griechische Geheimdienst EYP die Telefonverbindungen von PASOK-Chef Androulakis abgehört hatte. Mitsotakis, der beteuerte, dass er davon nichts gewusst habe, feuerte trotzdem seinen Bürochef und Neffen Grigoris Dimitriadis und seinen Geheimdienstchef Panagiotis Kontoleon, wohl in der Hoffnung, dass die Sache damit aus der Welt geschafft sein und die Diskussion schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden werde.

Doch Androulakis war nicht das einzige Opfer. Auch zwei Journalisten waren abgehört worden: Stavros Malichoudis, der viel über Flüchtlingsthemen und vor allem über illegale Pushback-Aktionen der griechischen Küstenwache in der Ostägäis recherchiert hatte, und der Finanzreporter Thanasis Koukakis. In den meisten griechischen Medien wurde darüber jedoch nicht berichtet.

Danach weitete sich der Skandal immer mehr aus. Unter den Abgehörten: Mitglieder der Führung der Streitkräfte, Minister und Journalisten.

Dora Bakogiannis, frühere griechische Außenministerin und Schwester des griechischen Regierungschefs Mitsotakis
Dora Bakogiannis, frühere griechische Außenministerin und Schwester des griechischen Regierungschefs MitsotakisBild: Simela Pantzartzi/dpa/picture-alliance

Am 29. Januar 2023 brachte das Magazin Documento, das eine zentrale Rolle bei der Veröffentlichung von Namen mutmaßlicher Abhöropfer gespielt hat, pikante Nachrichten auf der Titelseite: auch die Schwester von Mitsotakis, Dora Bakogiannis, Abgeordnete und ehemalige Außenministerin, ihr Sohn, Kostas Bakogiannis, Bürgermeister von Athen, und ihre Tochter Alexia sollen abgehört worden sein. Sie sollen erfahren haben, dass ihre Handys infiziert waren. Bis jetzt gab es kein Dementi von der Familie.

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Kaki Bali Autorin DW Griechisch