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"Die Regierung versucht uns zu schließen"

Interview: Gabriel Domínguez / mgr24. April 2015

Sieben Greenpeace-Konten ließ die indische Regierung Anfang April einfrieren. Der Grund: Verstöße gegen die Annahme ausländischer Spenden. Jetzt wehrt sich Samit Aich, Direktor der Umweltorganisation, im DW-Interview.

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Greenpeace Heißluftballon über den Wäldern von Mahaan in Singrauli, Indien (Foto: EPA/RONNY SEN / GREENPEACE)
Bild: picture-alliance/dpa/Greenpeace/R. Sen

"Wir haben Beweise dafür, dass Greenpeace falsche Angaben über seine Mittel gemacht und nicht belegte ausländische Spenden dafür verwendet hat, um wichtige Entwicklungsprojekte zu blockieren", sagte ein indischer Regierungsbeamter Anfang April der Nachrichtenagentur Reuters. Einmal mehr ließ die Regierung von Premierminister Modi Bankkonten von Greenpeace Indien einfrieren - und entschied: Ausländische Spenden dürfen künftig nicht mehr angenommen werden.

Erst wenige Wochen zuvor hatte das Oberlandesgericht von Neu-Delhi entgegengesetzt entschieden. Die Richter hatten der Regierung das Recht abgesprochen, finanzielle Zuweisungen an Greenpeace aus dem Ausland zu stoppen. Der Direktor der indischen Sektion der Umweltorganisation, Samit Aich, erklärte, das erneute Einfrieren von ausländischen Mitteln sei ein Versuch, die Arbeit seiner Organisation einzuschränken und "Kritik und Widerspruch zu unterdrücken".

DW: Warum beschuldigen Sie die indische Regierung, die Arbeit von Greenpeace zu attackieren?

Samit Aich: Das Innenministerium versucht, Greenpeace dicht zu machen, weil wir Firmen das Leben schwer machen, die Profite über Menschenleben und das Wohl des Planeten stellen. Mit unseren jüngsten Kampagnen für erneuerbare Energien, das Recht aller, die Wäldern nutzen zu dürfen und für ökologische Landwirtschaft haben wir uns mächtige Feinde in der Kohle- und Pestizid-Industrie gemacht. Und zwar genau bei den Firmen, die bekannt sind für ihre guten Kontakte zur Regierung. Da stellt sich natürlich die Frage, ob das Innenministerium durch Unterstützer der Regierung in den Firmen auf eine Idee gebracht wurde.

Samit Aich, Direktor von Greenpeace Indien (Foto: Greenpeace India)
Samit Aich: Die Regierung fährt eine Hetzkampagne gegen Greenpeace IndienBild: Greenpeace/Sudhanshu Malhotra

Unsere Kampagnen zielen darauf ab, dass eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung stattfindet. Das als Widerstand gegen oder Bedrohung der wirtschaftlichen Sicherheit zu verunglimpfen, ist ganz eindeutig Teil einer Hetzkampagne von bestimmten Regierungsbehörden gegen Greenpeace.

Die Regierung hat ein anderes Verständnis von Entwicklung: Die Interessen der Unternehmen stehen über denen der Menschen.

Hat die Regierung noch weitere Schritte - abgesehen vom Einfrieren der Bankkonten - unternommen?

Medienberichten zufolge hat die Regierung an das Finanzamt geschrieben, um unsere Registrierung und den Steuerfreibetrag für Spender zu annullieren. Das ist eindeutig ein Versuch der Regierung, Greenpeace Indien komplett zu schließen und eine weitere Eskalationsstufe in der Einschüchterungskampagne, die mit einem "durchgestochenen" Bericht des Geheimdienstes im Juni vergangenen Jahres begann [Darin wurde die These vertreten, dass Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellten, Anm. d. Red.].

Luftverschmutzung in Indien (Foto: AP Photo/Altaf Qadri)
Mehr als die Hälfte der indischen Bevölkerung lebt in Regionen, wo die Feinstaubbelastung über dem erlaubten Level liegtBild: AP

Die Regierung verfolgt eine "Politik des starken Mannes", um hart gegen abweichende Meinungen in der Zivilgesellschaft durchzugreifen. Wir haben unsere Position mehr als einmal im Gericht verteidigt. Im März hat das Oberste Gericht geurteilt, dass das Vorgehen im Fall von Priya Pillai willkürlich war und die Vorwürfe gegen Greenpeace Indien falsch waren [Der Greenpeace-Mitarbeiterin war die Ausreise aus Indien verweigert worden, als sie vor dem britischen Parlament über die mutmaßlichen Gefahren eines Kohleabbauprojekts berichten wollte, Anm. d. Red.].

Wir werden das Innenministerium nicht vor Gericht herausfordern, aber wir werden weiterhin furchtlos für unsere Themen einstehen. Wir sind fest entschlossen, unsere Arbeit in Indien fortzusetzen, um sicherzustellen, dass diese und zukünftige Generationen saubere Luft, sicheres Essen und gesunde Waldbestände vorfinden, dass die Menschen auf lokaler Ebene ein Mitspracherecht haben und die Bedrohung durch den Klimawandel angegangen wird.

Wie hat die indische Regierung ihr Vorgehen begründet?

Die Regierung spricht von "Unregelmäßigkeiten" in unseren Konten für ausländische Spenden. Unsere Buchhalter haben uns versichert, dass wir gegen keine Regeln des Gesetzes zur Regelung ausländischer Spenden verstoßen haben. Das werden wir so auch in unserer Antwort an das Innenministerium wiederholen. Greenpeace arbeitet seit 2001 in Indien und wir haben uns an alle erforderlichen Regeln gehalten.

Frauen im Kohlenbergbau in Jharkhand, Indien (Foto: AP Photo/Kevin Frayer)
"Während Premier Modi erneuerbare Energien anpreist, tun seine Minister alles dafür, den Kohleabbau zu fördern"Bild: AP

Was kritisieren Sie an der Umweltpolitik von Premierminister Modi?

Die Regierung scheint gespalten. Einerseits haben wir die ehrgeizigen Ziele im Bereich erneuerbare Energien gelobt. Auf der anderen Seite aber ist die Regierung sehr parteiisch, wenn es um die Interessen von Unternehmen geht. Während Modi also erneuerbare Energien anpreist, tun seine Minister alles dafür, Kohle zu fördern - und vergessen dabei, dass die öffentliche Meinung zuvor gehört und existierendes Recht geachtet werden muss.

Die Regierung hat bereits bzw. ist noch dabei, zentrale Umweltschutzgesetze in Indien zu schwächen - das Gesetz zum Waldschutz etwa, das Gesetz zum Landerwerb und das Waldrechtsgesetz. All diese Gesetze haben zum Ziel, dass Firmen leichter Land in Besitz nehmen, die Bewohner umsiedeln und ihre eigenen Projekte umsetzen können, ohne auf die Umwelt achten zu müssen.

Entwicklungsminister Prakash Javedekar hat die Zahlen von Greenpeace Indien zur Luftverschmutzung im Parlament zitiert. Das würde er doch nicht tun, wenn er unsere Glaubwürdigkeit anzweifeln würde.

Samit Aich ist der Direktor von Greenpeace Indien.