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US-Truppenabzug größer als erwartet

29. Juli 2020

Wie US-Verteidigungsminister Mark Esper bekannt gab, sollen rund 12.000 US-Soldatinnen und Soldaten Deutschland verlassen - bisher war von 10.000 die Rede. Knapp die Hälfte soll in andere Staaten Europas verlegt werden.

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Ein Konvoi aus US-Militärfahrzeugen auf einer Straße
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Die US-Truppen in Europa sollen deutlich reduziert werden. Vor allem in Deutschland wird abgebaut: Die Zahl der US-Soldatinnen und Soldaten in Deutschland soll um fast 12.000 verringert werden - und damit deutlich stärker als bislang bekannt. Rund 6400 von ihnen sollen in die USA zurückgeholt werden, weitere 5600 sollen in andere NATO-Länder verlegt werden, teilte Verteidigungsminister Mark Esper in Washington mit.

Damit werde die "strategische Flexibilität" der US-Streitkräfte erhöht, sagte Esper im Pentagon vor Journalisten. Bislang hatte die US-Regierung von einem Abzug von rund 10.000 der etwa 36.000 Soldatinnen und Soldaten in Deutschland gesprochen. Laut einem Bericht des Südwestrundfunks (SWR) sind folgende Standorte betroffen: Vilseck, Grafenwöhr und Wildflecken in Bayern sowie Kräfte der US-Luftwaffe in Spangdahlem in der Eifel.

Affront Hauptquartier-Verlegung 

Außerdem soll das militärische Hauptquartier für Europa von Stuttgart nach Belgien verlegt werden. "Wir gehen davon aus, wobei es noch mehr Feinplanung braucht, dass wir das Hauptquartier nach Mons in Belgien verlegen", sagte Oberbefehlshaber Tod Wolters auf der Pressekonferenz in Washington.In Mons hat bereits SHAPE seinen Sitz, das militärische Hauptquartier der NATO. Auch das Kommando für die US-Spezialkräfte in Europa solle von Stuttgart nach Mons ziehen. Möglich sei zudem, dass das Hauptquartier für die US-Militäreinsätze in Afrika, AFRICOM, das ebenfalls in Stuttgart sitzt, an einen anderen Ort verlegt werde.

Mitglieder der US-Streitkräfte gehen in Stuttgart am Hauptquartier vorbei
Kommandowechsel: Das US-Hauptquartier in Europa soll von Stuttgart nach Mons ziehenBild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Truppenabzug stößt auf Widerstand im US-Parlament

US-Präsident Donald Trump hatte den Teilabzug der US-Truppen aus Deutschland bereits im Juni angekündigt und ihn mit den aus seiner Sicht zu geringen Verteidigungsausgaben Deutschlands begründet. Diese Argumentation bekräftigte Trump nun in einem Tweet und erklärte, Deutschland zahle Russland jährlich Milliarden Dollar für Energie, während die USA Deutschland vor Russland beschützen solle. 

Die Bundesregierung in Berlin war vor der Bekanntgabe nicht informiert worden. Zur nun bekanntgegebenen Details der Abzugspläne wollte sich das Bundesverteidigungsministerium bislang nicht äußern. Das Ministerium sei mit dem Pentagon in den vergangenen Wochen in Kontakt zu den "Prozessen und Strukturen" des Teilabzugs gewesen, teilte ein Sprecher bislang lediglich mit.

Soldaten vor einem A-10-Kampfflugzeug bei der Begrüßung der neu verlegten Soldaten auf dem US-Flugplatz in Spangdahlem
Laut SWR ist auch der US-Luftwaffenstützpunkt in Spangdahlem in Rheinland-Pfalz vom Truppenabzug betroffen Bild: picture-alliance/dpa/B. Reichert

Zur Umsetzung des geplanten - und wahrscheinlich aus logistischen Gründen langwierigen - Teilabzugs dürfte aber noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Im US-Kongress hat sich bereits bei Trumps Republikanern und den Demokraten Widerstand formiert. Der Plan wird dort vor allem kritisch gesehen, weil er das Verteidigungsbündnis NATO schwächen und Russland in die Hände spielen könnte.

Im Senat und im Repräsentantenhaus gibt es daher Pläne, den Teilabzug über das Gesetz zum kommenden Militärhaushalt zu verhindern. Zudem bewirbt sich Trump im November um eine zweite Amtszeit als US-Präsident. Falls er die Wahl verlieren sollte, könnte der neue Präsident die Pläne auf Eis legen.

US-Truppen als regionale Wirtschaftskraft

Zu Zeiten des kalten Krieges gab es zeitweise fast 250.000 US-Soldatinnen und Soldaten in Deutschland. Nach dem Fall der Mauer wurde allerdings radikal reduziert: Im Jahr 2000 zählte die US-Truppe nur noch 70.000 Frauen und Männer, zehn Jahre später 48.000 - heute sind nur noch 36 000 übrig. Damit ist Deutschland bislang der zweitwichtigste Truppenstandort der USA weltweit nach Japan.

Ein Schild an einem Eingang zum Truppenübungsplatz der US-Armee am Truppenübungsplatz in Grafenwöhr
Auch vom Stützpunkt im bayrischen Grafenwöhr sollen US-Soldatinnen und Soldaten abgezogen werden, so der SWRBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Für die Regionen um die US-Stützpunkte geht es insbesondere um wirtschaftliche Aspekte. Allein in Rheinland-Pfalz werden mehr als 7000 deutsche Ortskräfte von den US-Streitkräften beschäftigt, in ganz Deutschland sollen es 12.000 sein. Daneben hängen tausende weitere Arbeitskräfte vor allem in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern an den US-Truppen. So generiert der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein Schätzungen zufolge jedes Jahr zwei Milliarden US-Dollar an Löhnen, Gehältern, Mieten und Aufträgen in der regionalen Wirtschaft. 

Röttgen beklagt Schwächung der NATO

Mit Enttäuschung und Kritik haben Politiker und die betroffenen Bundesländer auf den angekündigten Teilrückzug von US-Truppen reagiert. Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sagte der Zeitung "Augsburger Allgemeine", die US-Regierung handle mit dem Schritt gegen ihre eigenen Interessen. "Statt der Stärkung der NATO führt der Truppenabzug zu einer Schwächung des Bündnisses", warnte Röttgen. Die Beweggründe der US-Seite halte er für eine Fehleinschätzung, sagte er. "Natürlich leisten US-Soldaten auch einen Beitrag zur Sicherheit Deutschlands, aber in erster Linie dient Deutschland den USA als logistische Drehscheibe für die eigene internationale Militärpräsenz."

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bedauerte das Vorhaben der US-Regierung. "Dies belastet leider das deutsch-amerikanische Verhältnis. Dabei ist der militärische Nutzen nicht erkennbar", betonte Söder auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Auf Dauer schwäche die Entscheidung auch die NATO und die USA selbst.

Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagte: "Mit ihrer Entscheidung kündigt die US-Administration unter Präsident Trump Hals über Kopf die seit Jahrzehnten gewachsene enge Zusammenarbeit in einer Strafaktion gegen einen Verbündeten und ohne Konsens im US-Kongress auf."

Der Innenminister von Rheinland-Pfalz, wo derzeit rund 18.500 US-Soldaten stationiert sind, kritisierte den Beschluss der US-Regierung als "grundsätzlich falsch". Für die betroffenen Regionen sei der Teilrückzug ein "schwerer Schlag", erklärte Roger Lewentz. "Leider müssen wir uns auch auf den Verlust von deutschen Arbeitsplätzen durch diese Entscheidung der US-Administration einrichten."

cw/kle/ml (ape, afp, dpa, Twitter)

Deutschland: Abmarsch für US-Soldaten?