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Der zerfurchte Kontinent

Désirée Therre7. Juli 2015

Afrika will Straßen bauen und mit ihnen dem Kontinent zu Wohlstand verhelfen. Die Rohstoffe der afrikanischen Länder locken Investoren. Doch Umweltschützer warnen: Die Baumaßnahmen zerstören das Gesicht des Kontinents.

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Elefanten vor dem Kilimanjaro (Photo: dmussman #34914448)
Afrikas neue Infrastruktur-Maßnahmen könnten Umwelt und Gemeinden schadenBild: Fotolia/dmussman

Als der Ökologe Jeff Sayer 1969 seine Karriere als Feldforscher in Sambia begann, sah er noch Elefantenherden durch das Tal des Luangwa-Flusses ziehen. Nashörner bevölkerten die Hochebenen des Landes. Heute streifen nur noch wenige Elefanten in der Nähe von Touristen-Lodges umher, sagt Sayer. Nashörner habe er dort überhaupt nicht mehr gesehen, schon lange nicht. „Ich hätte mir niemals ausgemalt, wie viel verschwunden sein könnte, innerhalb so kurzer Zeit“, sagt er. Ökologische Misswirtschaft und politisches Chaos seien Schuld an dieser Zerstörung.

Und Sayer sieht eine Bedrohung auf den Kontinent zukommen, die es bisher noch nicht gegeben hat - und deren Auswirkungen niemand einschätzen kann. Denn Afrika steht in den kommenden Jahrzehnten einem Rohstoff-Boom bevor. Laut Sayer und seinen Kollegen vom Zentrum für Tropen, Umweltschutz und Nachhaltigkeit an der James Cook Universität in Australien, sollen noch rund 30 Prozent der weltweiten Mineralvorkommen in den Böden des Kontinents stecken.

Bislang gibt es wenig Abbau. Kaum fünf Prozent des weltweiten Bergbaus finden in Afrika statt. Australische, kanadische, US-amerikanische und allen voran chinesische Firmen drängten deshalb auf den afrikanischen Markt. Sie wollen in den Abbau von Diamanten, Gold oder Mangan investieren, sagen die Forscher. Allein das Investitionsvolumen der chinesischen Firmen habe sich zwischen 2000 und 2009 vervierfacht, auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar (90 Milliarden Euro). Der Abbau der Bodenschätze soll den Hunger der Konsumenten nach technischen Geräten oder Schmuck stillen.

Schlagadern für Afrikas Wirtschaft

Das Programm, mit dem Afrika aus der Armut geholt werden soll, heißt PIDA, verabschiedet im Januar 2012 in der #link:http://pages.au.int/infosoc/pages/program-infrastructure-development-africa-pida:äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba#. Die Afrikanische Entwicklungsbank ist daran beteiligt, genau wie die Afrikanische Union, die Afrika-Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen und verschiedene Staaten. Pipelines - und vor allem Straßen - sollen helfen, Menschen, Wasser und Energie zu transportieren, und den Kontinent attraktiv und wettbewerbsfähig zu machen. Dazu wurden zwischen 2010 und 2011 30 Millionen Quadratkilometer Landfläche vermessen und Pläne #link:http://www.au-pida.org/:für einen ganzen Kontinent erstellt#.

Geplant ist viel: der Ausbau eines transafrikanischen Highways mit neun Teilstücken, über insgesamt 56.683 Kilometer. Der Highway soll einmal den Kontinent durchziehen, von Kapstadt im Süden bis Kairo im Norden, von Dakar im Westen bis Dschibuti im Osten - Schlagadern für die Wirtschaft.

„Die neu entdeckten Öl- und Gasreserven auf dem gesamten Kontinent haben der Notwendigkeit, Afrikas Infrastruktur zu modernisieren, einen Schub gegeben“, sagt Shem Simuyemba, Chefökonom für Infrastrukturprojekte der Afrikanischen Entwicklungsbank. Nicht nur neue Straßen sollen die Länder künftig vernetzen und für den Wettbewerb mit dem Rest der Welt rüsten, auf der Liste steht ebenso der Ausbau von Häfen in Benin, Lagos, Ghana oder der Elfenbeinküste, das Ausbaggern von Flüssen, neue Leitungen für Kommunikation und Strom sowie Staudämme zur Gewinnung von Wasserkraft.

Das kostet Geld. Bis 2040 sind Projekte in Höhe von mehr als 400 Milliarden US-Dollar, rund 350 Milliarden Euro, geplant. Bei der Beschaffung der Fördermittel setzt die Afrikanische Entwicklungsbank auch auf private Geldgeber aus dem In- und Ausland. Ein Beispiel sei der Africa Growing Together Fund (AGTF), ein multilateraler Fonds mit der chinesischen Regierung - oder der #link:http://www.afdb.org/en/topics-and-sectors/initiatives-partnerships/africa50-infrastructure-fund/background/:Infrastruktur-Fonds Africa50#, so Simuyemba. Entwicklungsbanken könnten diese Summen nicht allein stemmen. Eine „neue globale Partnerschaft“ sei notwendig, um die Finanzierung der Vorhaben zu beschleunigen.

Die geplante Modernisierung des ganzen Kontinents gehe auf Kosten der Umwelt und der Bevölkerung, fürchten Sayer und seine Kollegen. Denn Bagger stoppen auch nicht vor einem Weltkulturerbe. Erst kürzlich erlaubte die UNESCO, die Grenzen des Virunga-Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo enger zu ziehen, damit Firmen dort #link:http://alert-conservation.org/s/op_CA-apr-18-topLE.pdf:nach Öl- und Gasreserven suchen# können. Hier leben auch die #link:http://www.dw.com/de/lebensraum-f%C3%BCr-gorillas-und-menschen/a-15614070:seltenen Berggorillas#. Bricht dieses Ökosystem zusammen, führt das auch für Zehntausende Menschen dort in die Katastrophe, so Sayer.

"Es geht dabei lediglich darum, Zugriff auf irgendwelche Rohstoffe und Produkte zu bekommen", sagt Robert Kappel vom GIGA-Institut für Afrika-Studien in Hamburg. Die geplanten Programme, um die Infrastruktur des Kontinents zu entwickeln, nützten nur den Firmen.

Sorgen um die Umwelt

Die Afrikanische Entwicklungsbank will dafür sorgen, dass jedes der geplanten Projekte auf seine Umweltverträglichkeit hin geprüft wird. Die sogenannten Environmental Impact Assessments (EIA), international anerkannte Richtlinien, sollen auch garantieren, dass die örtlichen Kommunen ihre Interessen vertreten sehen. „So weit es möglich ist, sollen die Projekte nicht durch Naturschutzgebiete führen“, sagt Entwicklungsbank-Ökonom Simuyemba. Sollte dies doch der Fall sein, werde es „Sicherheitsmaßnahmen geben, um negative Auswirkungen zu lindern.“ Außerdem, so Simuyemba, konzentrierten sich die afrikanischen Länder heute mehr auf Zusammenarbeit und Entwicklung.

Doch das gelte nur in vergleichsweise stabilen Ländern wie Ghana, sagt Sayer. Soll Naturschutz auch in weniger stabilen Gegenden funktionieren, sei die internationale Gemeinschaft gefragt, die besonders artenreichen Gebiete in unantastbare Schutzzonen umzuwandeln. „Denkt man sich Afrika etwas wohlhabender", sagt er, "dann könnte man sich Bedingungen vorstellen, unter denen mehr Menschen in die Städte zögen, unter denen die Landwirtschaft moderner und nachhaltiger würde und sich auf einige Zonen konzentriere. Unter diesen Umständen könnte man noch immer viel Wald in Afrika retten.“

Das Problem sei die Politik. Denn neben der Bedrohung für die Natur sei das Hauptproblem, dass solche Infrastruktur vielerorts in kaputte politische Strukturen gebaut werde, in denen Umweltschutz keinen Platz hat.

Noch ist von dem Mammutprojekt wenig umgesetzt. Es gibt Straßenpassagen, einige davon bislang nicht asphaltiert, andere fehlen ganz. Was schon fertiggestellt wurde, verwahrlost zum Teil, weil kein Geld für die Straßenpflege da ist.

Wenn man schon Straßen bauen wolle, dann müsste im Sinne der Bevölkerung gehandelt werden, fordert der Afrika-Experte Kappel. Sie müssten die Menschen aus abgelegenen Dörfern zu den Märkten bringen oder wirtschaftliche Zentren miteinander verbinden. „Aber genau dieser Straßenbau ist jahrzehntelang vernachlässigt worden."

Ein Hafen in Lagos (Foto:: PIUS UTOMI EKPEI/AFP/Getty Images)
Neue Straßen sind nicht die einzige Baumaßnahme in Planung, auch Häfen sollen ausgebaut werden, etwa in Lagos und NigeriaBild: AFP/Getty Images
Chinesische Bauarbeiter leiten Straßenbau an (Foto: ddp images/AP Photo/Karel Prinsloo)
Firmen aus aller Welt, vor allem aber auch China, nehmen am Rennen um Afrikas Märkte teilBild: AP
Zwei Nashörner auf einer Graslandschaft
Nashörner und Elefanten verschwinden, nicht nur in SambiaBild: picture-alliance / united-archives/mcphoto