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Gibt es Rettung für die Dünenlandschaften der Niederlande?

Olga Mecking | Ruby Russell ak
27. September 2019

In den Niederlanden schützen weitläufige Dünen die Artenvielfalt und das Leben der Menschen an der Küste. Doch die Einflüsse von Mensch und Klimawandel sind bereits deutlich spürbar.

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Global Ideas Niederlande Dünen
Bild: Olga Mecking

Die Niederlande sind berühmt für ihre Grachten, Tulpen und Städte mit malerischen Giebelhäusern. Weniger bekannt hingegen sind die eindrucksvollen Dünen, die etwa zwei Drittel der niederländischen Küste ausmachen.

Dabei prägen die sanften Hügel am Meer die natürliche Schönheit des Landes. Den Menschen bieten sie Schutz vor den Naturgewalten und sie bewahren einen der artenreichsten Lebensräume.

Dünen als Naturschutzgebiete

"750, beziehungsweise mehr als 1500 der natürlichen Pflanzenarten in den Niederlanden kommen in den Küstendünen vor", sagt Bert van der Valk vom Wissenschaftsnetzwerk  Netherlands Center for Coastal Research der DW. Dünen seien nicht nur wichtige Naturschutzgebiete, sondern auch "eine natürliche Ressource für die Entfaltung der Natur, für Erholungsgebiete und manchmal auch für die Speicherung von Trinkwasser."

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Die Dünen ziehen Wanderer und Radfahrer an. Badegäste durchstreifen gerne diesen kleinen Flecken Wildnis,  bevor sie in der Nordsee schwimmen gehen.

Das ganze Jahr über bieten sie einen malerischen Anblick: leuchtende Blumen im Frühling und Sommer, Braun- und Gelbtöne im Herbst und ein dunkles Grün und Braun im Winter. Schaut man noch ein bisschen genauer hin, entdeckt man farbenfrohe Flechten und seltene Schätze wie das Sumpf-Glanzkraut (Liparis loeselii), eine Orchideenart.

Was den Besuchern jedoch vielleicht eher verborgen bleibt: Die Dünenlandschaft verändert sich nicht nur mit dem Wechsel der Jahreszeiten, sondern auch durch andere zyklische Einflüsse, die einen Prozess des totalen Verfalls zur Folge haben könnten, wenn die Landschaft nicht davor geschützt wird.

Dünen in den Niederlanden
Intakte Dünen bieten eine große Vielfalt an verschiedenen Lebensräumen und sorgen für viele Pflanzen- und TierartenBild: Olga Mecking

Eine lebendige Landschaft

Dünen sind dynamische Ökosysteme, die von den Elementen und den Lebenszyklen der darin lebenden Organismen geprägt werden.

Sie entstehen, wenn übers Meer Sand heran geweht wird und sich dort anhäuft, wo er von der Flut nicht mehr weggespült werden kann. Kleine, robuste Pflanzen schlagen Wurzeln, binden Sand und zerfallen schließlich und reichern so die Düne mit Nährstoffen an. Darauf können dann andere Pflanzen wachsen. Nach und nach binden auch deren Wurzeln Sand und schaffen immer festere Strukturen, die eine noch größere Vielfalt an Leben möglich machen.

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Neu entstandene Dünen - auch Embryo-Dünen genannt - sind die dem Meer am nächsten gelegenen. Mit den Wellen können größere Weißdünen entstehen, der lose Sand wird von robusten Pflanzen wie Strandhafer (Ammophila) oder Strandrauke (Cakile maritima) besiedelt. Die weiter hinten, zum Landesinneren hin gelegenen, statischen "grauen" Dünen haben ihren Namen von den Farbtönen der Flechten und Moose, die zwischen den größeren Pflanzen wachsen und die Dünen an Ort und Stelle verankern.

In den Niederlanden befinden sich rund 17 Prozent der grauen Dünen, die durch Natura 2000,  ein Netzwerk von Schutzgebieten der Europäischen Union, geschützt werden. Golddisteln (Carlina)  und Wilde Stiefmütterchen (Viola tricolor) wachsen zwischen Sand und grauen Dünen, Schmetterlinge und Heuschrecken bewegen sich zwischen den Blumen. Vögel, wie der Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula), brüten dort.

Eine Golddistel
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Perseke
Ein Wildes Stiefmütterchen
Wilde Stiefmütterchen und Golddisteln gedeihen in sandiger Umgebung und ziehen Insekten anBild: picture-alliance/blickwinkel/P. Espeel

Wenn Dünen kollabieren, entstehen Höhlen unter dem Meeresspiegel - sogenannte "Dünen-Senken"  - und werden zu einem neuen Lebensraum für Sumpfpflanzen und Tiere wie Molche, Kröten und Libellen, die Feuchtigkeit zum Leben brauchen.

Auch für die Menschen sind die Dünen wichtig. In den Niederlanden versorgen sie rund 4 Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser. Der Sand filtert Verunreinigungen heraus.

Verheddert im Unkraut

Doch diese Ökosysteme sind empfindlich und schon heute nicht mehr so dynamisch wie sie einmal waren.

"In den letzten Jahrhunderten hat sich die Situation drastisch verändert", sagt Ted Sluijter, Mitarbeiter der Dutch Society for Nature Conservation (natuurmonumenten), der DW. "Es scheint, als ob sich, vor allem durch das Eingreifen des Menschen, die Umstände so verändert haben, dass es mehr Pflanzenwachstum gibt."

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Die Stickstoffbelastung der Luft durch intensive Landwirtschaft, Verkehr und Gasindustrie hat Pflanzen wachsen lassen, die dort nicht wachsen sollten. Dazu gehören auch exotische Arten wie die Spätblühende Traubenkirsche, die unkontrolliert wachsen. Die steigenden Temperaturen, die man auch in den Niederlande immer stärker spürt - einhergehend mit der generellen Erderwärmung - haben ihnen einen zusätzlichen Wachstumsschub beschert.

Das Unkraut verdrängt die natürliche Vielfalt und fixiert die Düne in einer unerwünschten Phase ihrer Entwicklung.

Früher durchlöcherten Kaninchen die grauen Dünen mit ihren labyrinthartigen Bauten und knabberten an Pflanzen, was das Wachstum der Dünen im Zaum hielt. Aber seit Mitte des 20. Jahrhunderts geht die Zahl der Tiere zurück, hauptsächlich wegen Krankheiten, wie der Kaninchenpest, auch Myxomatose genannt - eingeschleppt durch den Menschen, genauso wie  invasive Pflanzenarten.

Strandhafer wächst auf der Voornes-Düne in Südholland
Strandhafer wächst auf der Voornes-Düne in SüdhollandBild: Natuurmonumenten/M. Stevens

Wieder in Bewegung

Wasserunternehmen und Naturschutzorganisationen bemühen sich nun gemeinsam, die niederländische Küste wieder neu zu beleben. Eine Zusammenarbeit zwischen der Dutch Society for Nature Conservation (natuurmonumenten), dem Wasserversorger PWN und der Wasserbehörde Rijnland hat beispielsweise zu Veränderungen an den Dünen Voornes und Goeree in Süd-Holland geführt.

Für die Landschaft untypische Bäume wurden auf den Dünen ausgerissen und wuchernde Sträucher zurecht gestutzt. Das geschah mit großer Vorsicht, damit bestimmte Pflanzen und auch Ameisenhaufen erhalten blieben. An manchen Stellen wurde Sand entfernt, damit Weißdünen sich wieder bewegen und neue Dünen-Senken entstehen konnten.

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Sluijter räumt ein, dass es danach erstmal ziemlich trostlos ausgesehen habe. Pflanzen und Tieren hätten die Maßnahmen aber genutzt - es sei gelungen, den Sand wiederzubeleben. Die Dünen in Voorne und Goeree verwandelten sich so wieder in gemischte Lebensräume mit Grasflächen, sumpfigen Mulden und Mischwäldern, in denen sich bedrohte Arten wie Turteltauben (Streptopelia turtur) und die Zauneidechse (Lacerta agilis) wieder vermehren.

Andernorts an der niederländischen Küste versuchen Forstverwaltung und Wasserversorger die fehlenden Hasen durch grasende  Schafe, Ziegen, Hochlandrinder und sogar Europäische Bisons und Konik-Ponys zu ersetzen.

Europäische Turteltaube
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPhoto/D. Vorbusch
Zauneidechse
Die Sanierung der südholländischen Dünen kommt der Turteltaube und der Zauneidechse zugute. Beides sind bedrohte Arten, die sich seither wieder vermehrenBild: picture-alliance/imagebroker/M. König

Veränderung der Landschaft in einem veränderten Klima

Auf der anderen Seite des Dünen-Ökosystems überwacht die Regierungsbehörde für Hochwasserschutz eine andere Maßnahme: Sand wird aus dem Meer gebaggert und an der Küste aufgeschüttet, um die Erosion durch die raue Nordsee einzudämmen.

Historisch betrachtet, kam der Sand mit den Flüssen Rhein und Maas vom Landesinneren an die Küste. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Wasserwege jedoch immer intensiver von den Menschen genutzt. Van der Valk sagt, dass die Küste jedes Jahr um durchschnittlich einen Meter zurückginge, wenn nicht eingegriffen würde.

"Dünen sind natürliche Grenzen zwischen Land und Meer", sagt van der Valk. Deshalb lebten Menschen seit Jahrhunderten in den Dünen, weil sie Schutz vor Stürmen suchten, die vom Meer über sie herein brachen.

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Heute schützen Dünen auf rund 200 Kilometern die niederländische Küste. An den Stellen gibt es keine Deiche, die Dünen sind der einzige Schutz. Der wird immer wichtiger, da die Klimakrise das Meer immer unberechenbarer macht.

"Wir müssen wachsam sein, was den Anstieg des Meeresspiegels und die Auswirkungen von Stürmen angeht, wobei beides für die Niederlande möglicherweise noch wichtiger ist (als für andere Länder - Ergänzung der Redaktion)", sagt van der Valk. "Wir überwachen das permanent."

Die tief liegenden Niederlande sind von den anschwellenden Ozeanen stärker gefährdet als die meisten anderen Staaten. Deshalb kann nur ein behutsames Zusammenspiel von natürlichen und menschlichen Prozessen diese einzigartige Küstenlinie und ihre Schutzgebiete bewahren.