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Ghana: Die Kindersklaven der Fischerdörfer

Isaac Kaledzi/ Theresa Krinniger9. Mai 2016

Sie sind noch Kinder, wenn sie von ihren Eltern verkauft werden: In Ghana nimmt der Handel mit Minderjährigen zu. Besonders in der Fischerei werden Jungen wie Sklaven zur Arbeit gezwungen - oft unter Lebensgefahr.

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Junge Fischer kehren ans Ufer zurück. Copyright: DW/I.Kaledzi
Bild: DW/I.Kaledzi

Es ist ein geschäftiger Tag für die ghanaischen Fischer im Küstendorf Oblojo. Sie stehen in ihren Kanus und ziehen die Fischernetze aus dem Wasser. Schnell fällt auf: Fast alle sind junge Männer.

Der 19-jährige Kofie Allotey hat bereits mit zwölf Jahren angefangen, zu fischen. Im DW-Gespräch erzählt er, dass ihn damals Menschenhändler aus der Hauptstadt Accra hierher gebracht hätten - mit der Zustimmung seiner Eltern. "Wir arbeiten hier als Fischer. Ich habe auch einen Herren, einen 'Master'", sagt Allotey. Er wollte eigentlich in die Schule gehen, aber sein Vater war dagegen.

Neben Allotey steht der 16-jährige Paa Solo. Er erzählt lebhaft von den täglichen Aufgaben. "Wir stehen nachts um ein Uhr auf und kommen abends um sechs wieder nach Hause." Die Arbeit sei sehr gefährlich. "Viele Jungen sind schon gestorben bei dem Versuch die Netze einzuholen", so Paa Solo. Weil das Wasser so tief sei, hätten sie die Netze nicht erreichen können und seien ertrunken.

Nii Kwei ist ein Freund von Paa Solo. Er ist gerade mal 13 Jahre alt. Er war bereits im Alter von zehn Jahren zu seinem "Master" gebracht worden. "Manchmal fallen wir ins Wasser, wenn wir mit dem Boot rausfahren. Wer schwimmen kann, dem passiert nichts. Aber wer nicht schwimmen kann, ertrinkt." Mit einem guten Fang könnten die Jungs etwa 50 US-Dollar (43 Euro) pro Woche verdienen, erzählt Kwei.

Für 13 Dollar zwangsverheiratet

Challenging Heights ist eine ghanaische Nichtregierungsorganisation, die sich gegen Kinderhandel einsetzt. Sie nimmt einen neuen Trend wahr: Einige der Jungen würden von ihren Mastern zwangsverheiratet.

"Die Jungen erledigen schon als Kind die harte Arbeit der Fischer und werden dann entsprechend jung verheiratet", sagt James Kofi Annan, der die Organisation leitet. Die "Master" verkauften die Jungen manchmal nur für 13 Dollar. "Und die Jungen bekommen nichts: keine Lebensgrundlage, keine Bildung, keine Perspektiven", sagt Annan.

Copyright: DW/I.Kaledzi
Viele Kinderfischer ertrinkenBild: DW/I.Kaledzi

Durch die Zwangsheirat soll es den Jungen erschwert machen, zu flüchten, da sie eine Familie haben, für die sie sich verantwortlich fühlen. So werden sie an die Gemeinde gebunden und die Täter gewinnen Kontrolle über die ganze Familie: Auch die Kinder, die durch diese Ehen entstehen, geraten in die Fänge der Täter: Ihnen blüht das gleiche Schicksal aus Missbrauch und Zwangsarbeit. Der 13-jährige Nii Kwei erzählt, dass sogar schon manche seiner Freunde verheiratet seien. "Die Master geben ihnen Geld dafür, damit sie der Hochzeit zustimmen."

Eltern zum Umdenken bewegen

Nach dem Gesetz machen sich Eltern strafbar, die ihre Kinder in die Zwangsarbeit schicken, sie verkaufen oder zu jung verheiraten. Die Strafe liegt zwischen fünf und zehn Jahren Gefängnis.

Comfort Kobson lebt im Fischerdorf Oblojo. Er sagt, dass unter Eltern hier im Dorf langsam ein Umdenken stattfinden würde - weil sich die grauenhaften Geschichten der Kinder, die befreit werden konnten, langsam rumsprächen. "Die Eltern weinen, wenn sie das mitbekommen", sagt Kobson.

James Kofi Annan, Copyright: DW/I.Kaledzi
Aktivist James Kofi Annan: Eltern, die ihre Kinder verkaufen, sollen endlich bestraft werdenBild: DW/I.Kaledzi

Als seine NGO ins Dorf kam, hätten die Mitarbeiter die Eltern zu Gesprächen eingeladen. "Die Eltern haben der Organisation dann Geld gegeben, damit sie ihre Kinder wieder zurückbringen." Challenging Heights versucht nun mit einer Kampagne Eltern, die ihre Söhne weiterverkaufen, zur Rechenschaft zu ziehen. Der NGO zufolge arbeiteten 10.0000 Kinder unfreiwillig als Fischer.

Auf die Polizei kann James Kofi Annan wenig bauen. "Ich bin sehr enttäuscht, dass die Polizei nicht genügend Personal hat. So können sie das Problem nicht lösen." Die Eltern müssten besser aufgeklärt werden, zum Beispiel dass ihnen mindestens fünf Jahre Gefängnis drohen, wenn sie ihr Kind verkaufen.

Ghanas Familienministerium hat ebenfalls angekündigt, mit allen relevanten Akteuren zusammen zu arbeiten, um den Kinderhandel zu stoppen. Die Regierung setzt auf soziale Kontrolle: Das Ministerium mahnte die Bevölkerung an, verdächtige Eltern der Polizei zu melden.

Mitarbeit: Isaac Kaledzi