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Richter übergibt Bilderzyklus "Birkenau"

Ceyda Nurtsch
4. September 2017

Künstlerische Erinnerung an den Nationalsozialismus: Bundestagspräsident Norbert Lammert nahm die vier Gemälde des deutschen Künstlers im Reichstag entgegen - für Gerhard Richter eine "große Ehre".

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Berlin Gerhard Richter Übergabe des Bildzyklus Birkenau
Bild: Getty Images/S. Gallup

"Hinter den abstrakten Bildern steckt immer ein sehr konkretes Projekt. Eine sehr konkrete Auseinandersetzung mit einer sehr konkreten, nicht löschbaren, nicht verdrängbaren Phase der deutschen Geschichte." Mit diesen Worten beschrieb Bundestagspräsident Norbert Lammert die vier übereinander hängenden Gemälde des deutschen Künstlers Gerhard Richter, die Lammert im Beisein von Richter, Medienvertretern und Bundestagsabgeordneten vorstellte.

Berlin Gerhard Richter Übergabe des Bildzyklus Birkenau
Gerhard Richter vor "Birkenau" im ReichstagBild: Getty Images/S. Gallup

2014 erschuf Gerhard Richter, dessen Werke zu den teuersten der Kunstgeschichte gehören, diesen vierteiligen Bilderzyklus, der den Titel "Birkenau" trägt. "Birkenau" ist eine Auseinandersetzung Richters mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, ein Thema das Richter, 85 Jahre alt, in seinem 60-Jährigen Schaffen immer wieder aufgegriffen hat. Grundlage des ungegenständlichen Bilderzyklus` sind heimlich gemachte Aufnahmen aus dem Vernichtungslager Birkenau. Diese übermalte Richter, "um etwas zu beschreiben, das mit herkömmlichen Mitteln der Ästhetik nicht ausdrückbar ist", so Lammert. Hinter schwarzen Vorhängen meint das Auge Schemen ausfindig machen zu können.

"Große Ehre" für Gerhard Richter

 "Es war, als ob ich mir selbst beweisen wollte, dass ich es nicht kann, das zu malen. Die Fotos sind so unübertroffen", beschreibt Richter den Schaffungsprozess der Bilder. Nachdem der unverkäufliche Zyklus in anderen Städten ausgestellt wurde, stellte ihn Richter dem Bundestag zu Verfügung. Der Künstler stellt die Fotografien als Leihgabe zur Verfügung, weil er den Zyklus nicht verkaufen will. Dass er nun hier hängt, ist für ihn eine "große Ehre", sagt er.

Gerhard Richter bei der Übergabe des Bildzyklus Birkenau
Den Bilderzyklus hat er vertikal ausgerichtetBild: Getty Images/S. Gallup

Der Bundestag habe, so Lammert, den Anspruch, "in diesem zentralen Gebäude der deutschen Demokratie auch gleichzeitig die künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzung mit unserem Land und seiner Geschichte zu einem festen Platz zu verhelfen". Dass die Bilder sich dem Besucher nicht aufdrängen, sondern sich, ebenso wie ihr klein gedruckter Titel, in der lichtdurchfluteten Eingangshalle eher zurückhalten, sei "bewusst einkalkuliert", erklärt Richter. Sein Werk vergleicht er mit Instrumentalmusik: "Unter der kann man sich auch alles Mögliche vorstellen."

Gewollter Spannungsbogen

Die vier Bilder hängen gegenüber der ebenfalls von Richter geschaffenen abstrakten Farbkombination "Schwarz Rot Gold" an der Nordwand der Eingangshalle. Die Werkgruppe „Birkenau“ nimmt die vertikale Ausrichtung der gegenüberliegenden Paraphrase der deutschen Flagge auf. Der Spannungsbogen ist kein Zufall. "'Birkenau' ist ein kleiner Dämpfer. Das ist eigentlich ganz gut". Denn, so Richter: "Das sind ja wir. Beides."

Dass das Werk Richters heute im Deutschen Bundestag hängt, betone, dass man bei Erinnerungen nicht weggucken dürfe, so Lammert. Das Werk sei Teil einer „aufgeklärten Erinnerungskultur“ und ein Zeichen dafür, dass nicht nur die historisch-politische, sondern auch die ästhetische Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstverständnis eines Landes, seiner Gesellschaft und Geschichte keine Randbeschäftigung sei, sondern „eine totale Aufgabe“.