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Gelb: "Ich will, dass die Met überlebt"

Gero Schließ28. April 2014

Die New Yorker Metropolitan Opera ist in der Krise. Die Einnahmen sind stark rückläufig, die Angestellten sollen auf 16 Prozent Gehalt verzichten. Intendant Peter Gelb steht in der Kritik.

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Peter Gelb lächelt in der Met in die Kamera (Foto: Dario Acosta/Metropolitan Opera)
Bild: Dario Acosta/Metropolitan Opera

DW: Die jüngsten Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern haben sich als die strittigsten seit Jahrzehnten herausgestellt. Die Gewerkschaften bereiten ihre Mitglieder darauf vor, dass sie in der nächsten Saison ausgesperrt werden könnten. Ist dieses Drama hinter den Kulissen ein Zeichen dafür, dass die Met in die größte Krise ihrer Geschichte steuert?

Peter Gelb: Nun, was ich möchte ist eine solche Krise zu vermeiden. Wir verlangen von den Gewerkschaften das erste Mal seit Jahrzehnten Zugeständnisse beim Gehalt, um eine Situation zu vermeiden, die in den letzten Jahren bei den gemeinnützen Kulturveranstaltern weit verbreitet ist. Opernhäuser hier und in Europa verschwinden von der Bildfläche aufgrund eines unhaltbaren Geschäftsmodells.

Ursache Betriebskosten?

Als ich 2006 zur Metropolitan Opera kam, war ich mir der finanziellen Herausforderungen bewusst, aber ich wollte die Probleme mit mehr Einnahmen durch den Ticketverkauf und unser internationales Kinoprogramm lösen. Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht die Zuschauerzahlen steigen, aber sehr wohl die Kosten. Die Kosten werden nicht mehr durch den Kartenverkauf und die privaten Geldgeber ausgeglichen. Also müssen wir die Kosten senken.

Generaldirektor Peter Gelb zwischen Kollegen in der Technik-Regie (Foto: Dario Acosta/Metropolitan Opera)
Die Video-Technik für HD-Übertragungen in Kinos ist sehr aufwändig und teuerBild: Dario Acosta/Metropolitan Opera

Können Sie das im Detail erläutern?

Die Betriebskosten des Met liegen bei mehr als 300 Millionen Dollar, in diesem Jahr bei 310 Millionen. Zwei Drittel des Budgets gehen für die Arbeitskosten und Gastkünstler drauf, für Gehalt und Sozialleistungen.

Finden Sie, das ist zu viel?

Es ist zu viel, wenn die Einnahmen das nicht mehr tragen. Es ist kein Geheimnis, dass unsere Künstler die besten im Musikgeschäft sind. Sie arbeiten sehr hart und erreichen Großartiges!

Eine Frage der Gehälter?

Und ein Chorsänger zum Beispiel verdient um die 200.000 Dollar im Jahr…

Richtig, jeder der 80 Chorsänger verdient im Jahr im Durchschnitt 200.000 Dollar, hinzu kommen weitere 100.000 Dollar an Sozialleistungen und Pensionszahlungen. Andere Institutionen bezahlen 20-30 Prozent des Gehalts für Sozialleistungen, wir um die 50 Prozent. Die Met ist sehr großzügig. Nicht dass ich das nicht gerne so fortsetzen würde: Aber ich möchte vor allem, dass die Met überlebt. Und damit werden auch die Angestellten überleben, wenn wir eine moderate Kostensenkung erreichen. Im Moment sind wir am Anfang der Verhandlungen und es ist keine Überraschung, dass die Gewerkschaften gegen Gehaltskürzungen sind.

Sie sagten, sie wollten, dass die Met überlebt. Sehen Sie die Zukunft der Met wirklich so düster?

Ja, wenn wir keine Maßnahmen ergreifen. Es gibt viele Institutionen in der Medienwelt wie Newsweek oder das Time Magazin, die unverletzlich erschienen und jetzt ernsthafte Probleme haben. Und schauen Sie sich die Kulturinstitutionen an. Im letzten Jahr musste die New York City Opera schließen, weil sie die finanziellen Herausforderungen nicht mehr stemmen konnte. Die Oper in San Diego hat ihr Ende angekündigt und andere wie in Indianapolis oder San Francisco haben gesagt, dass sie für sich keine rosige Zukunft sehen. Wir müssen uns anpassen. Oper ist ein Auslaufmodell.

Zerplatze Träume?

Als ich zur Met kam, war ich entschlossen, die Oper mehr Menschen zugänglich zu machen, mehr Bildungsprogramem anzubieten und die Zahl der Neuproduktionen mit sieben oder sechs auf ein international gängiges Niveau anzuheben. Auch de führenden deutschen Opernhäuser in Berlin und München bieten so viele Neuproduktionen an. Gerade in einer Stadt wie New York mit so vielen Angeboten müssen wir um das Publikum kämpfen.

Szenenbild: Die Metropolitan Opera Aufführung "The Death of Klinghoffer" (Foto: Richard Hubert Smith)
Das Aus für teure Inszenierungen?Bild: Richard Hubert Smith

Sie sagten, dass Sie die einzige Lösung in der Kostenreduzierung sehen. Halten Sie eine Steigerung der Einnahmen nicht für möglich? Die Gewerkschaften verweisen auf die Verantwortung des Managements. Wo sehen Sie Ihre Aufgabe und wo sehen Sie eigene Versäumnisse?

Als ich zur Met kam war das Durchschnittsalter 65 und die Karteneinnahmen sanken rapide. Ich startete eine Kampagne, die Met zu revitalisieren. Wir waren sehr erfolgreich und die Ticketeinnahmen erhöhten sich im ersten Jahr um 11 Prozent. Und wir starteten das HD-Kinoprogramm, das bis dahin beispiellos war. Heute sind alle neidisch darauf. Viele europäische Häuser kopieren das. An jedem Samstag haben wir ein Publikum von bis zu 300.000 Menschen, die dafür bezahlen. Davon allein 31.000 in Deutschland und Österreich.

Dann scheint ja alles bestens zu sein. Aber gleichzeitig sind die Kartenverkäufe im letzten Jahr dramatisch zurückgegangen. Wo sehen Sie die Verantwortung des Managements?

Die Verantwortung des Managements ist es, flexibel zu reagieren. Wir haben es mit einem sozialen und kulturellen Problem zu tun. Oper wird als Kunstform abgelehnt. Die Frage ist nicht, ob ich ein guter Manager bin, sondern dass ich einen harten Kampf führe, um das Publikum bei der Stange zu halten.

Das Überleben der Met

Die Metropolitan Opera ist ein berühmtes Opernhaus und ist Vorbild für viele Opernhäuser in der Welt. Fürchten Sie, dass durch den drohenden Arbeitskampf der Ruf der Met beschädigt wird?

Das ist das letzte was ich will. Ich hoffe, dass die Menschen verstehen und anerkennen, warum wir das machen. Mir geht es nicht darum, den Arbeitnehmern zu schaden. Wir wollen die Institution und damit auch die Arbeitnehmer erhalten.

Die Frage ist doch, ob die Probleme allein durch Einkommenskürzungen zu beheben sind, oder ob nicht das ganze System der Finanzierung von Kunst und Kultur hierzulande geändert werden muss. Vielleicht kann hier einmal Europa mit seiner staatlichen Finanzierung Vorbild sein für die oftmals sich selbst preisende "größte Nation auf Erden"?

Nun, ich sage bestimmt nicht dass die USA die größte Nation auf Erden sind. Die Met ist das größte Opernhaus in den USA und auf jeden Fall eines der großen Opernhäuser in der Welt. Ich glaube nicht, dass eines der beiden Systeme perfekt ist. Die gleiche Summe, die private Geldgeber der Met geben, das sind ungefähr 150 Millionen Dollar, erhalten in Europa große Opernhäuser von den Regierungen. In den letzten Jahren hat es auch in Deutschland Kürzungen des Budgets gegeben, in Spanien und Italien sind sie mit bis zu 50 Prozent sehr hart ausgefallen. Das ist für keinen ein Vorbild.

Glücklicherweise stehen private Geldgeber treu hinter der Met. Sie sind aber nach den großen Summen der letzten Jahre finanziell auch etwas erschöpft. Und irgendwann möchten sie Licht am Ende des Tunnels sehen und sagen können: Die Met wird überleben.

Das Gespräch führte Gero Schließ

Peter Gelb ist seit 2006 Intendant der Metropolitan Opera in New York. Davor war er Präsident von Sony Classical. Mit seinem Namen verbinden sich neue Strategien für die mediale Vermarktung von klassischer Musik. Zuletzt das "Live in HD" Programm, das Aufführungen der Met regelmäßig in fast 2000 Kinos in der ganzen Welt überträgt.