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Stilllegen statt Strafe zahlen

2. Juli 2015

Umweltschützer und Grüne haben die Beschlüsse zur Energiepolitik der Bundesregierung kritisiert - vor allem die gestrichene Strafabgabe für Kohlekraftwerke. Der zuständige Wirtschaftsminister Gabriel verteidigt sich.

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Kohlekraftwerk Niederaussem (Foto: imago)
Bild: Imago/Westend61

Die Grünen sprechen von einer "klimapolitischen Bankrotterklärung": Bundeskanzlerin Angela Merkel sei endgültig unglaubwürdig und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel werde nach seinem Versprechen von Ehrlichkeit in der Energiepolitik zum "Klima-Pinocchio", wetterte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Oliver Krischer.

Der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals, fügte hinzu, mit der Streichung der ursprünglich von Gabriel vorgeschlagenen Sonderzahlung für Kohlekraftwerke habe man "ein Instrument abgeschossen, mit dem kostenverträglich sichergestellt worden wäre, dass der Stromsektor einen Teil des deutschen Klimaziels erreicht".

Alte Meiler als Reserve bereithalten

In der Nacht zum Donnerstag hatten sich die Chefs der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD nach langem Ringen auf zentrale Fragen der Energiepolitik verständigt. Mit der so genannten Kohleabgabe konnte Gabriel sich aber nicht durchsetzen. Er wollte damit Kohlekraftwerke zur Kasse bitten, die besonders viel klimaschädliches CO2 ausstoßen. Ziel der Regierung ist, bis zum Jahr 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Statt mit einer Strafzahlung soll das nun mit der Stilllegung alter Kraftwerke erreicht werden. Mehrere alte Braunkohlekraftwerke sollen gegen Entschädigungen stillgelegt und als Reserve vorgehalten werden.

Sigmar Gabriel mit dem rechten Zeigefinger an der Nase (Foto:dpa)
Bundeswirtschaftsminister Gabriel: An der Nase herumgeführt?Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Kohle-Lobby setzt sich durch

Damit setzte sich eine breite Lobby aus Gewerkschaften, Industrie, Braunkohle-Ländern, Union und Teilen der SPD gegen Gabriel durch. Dieser verteidigte sich anschließend mit dem Hinweis auf den Verlust von Arbeitsplätzen. Unternehmen und Gewerkschaften hätten davor gewarnt, dies würde zu Tausenden von Arbeitslosen führen, sagte der SPD-Chef im deutschen Fernsehen. Außerdem sei die neue "Kapazitätsreserve am Strommarkt" ohnehin notwendig für den Fall, dass es zu Engpässen bei der Elektrizitätsversorgung kommen sollte.

Umweltministerin ist nicht ganz glücklich

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks verteidigte den gefundenen Kompromiss im Interview mit der Deutschen Welle (DW) ebenfalls. Die Regelung führe in ihrem Ergebnis zu einer dauerhaften Minderung der Braunkohle-Stromproduktion. Allerdings ließ die Ministerin auch anklingen, dass sie den ursprünglichen Vorschlag von Gabriel favorisiert hätte, weil dieser für Stromkunden und Steuerzahl preiswerter gewesen wäre. Hendricks deutete an, die Stromunternehmen ab dem Jahr 2020 doch stärker in die Pflicht nehmen zu wollen. "Auf Dauer muss der Energiesektor proportional genauso viel beitragen, wie er eben auch zum CO2-Ausstoß beiträgt", sagte Hendricks der DW.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks spricht vor einem Podium (Foto: Euroforum)
Barbara Hendricks sieht durchaus Defizite beim nun geschlossenen KohlekompromissBild: Euroforum

Zugeständnisse an Seehofers Ferienland Bayern

Im Streit um den Bau neuer Stromautobahnen vom Norden in den Süden Deutschlands einigten sich die Koalitionspartner darauf, bereits bestehende Leitungen stärker als bisher zu nutzten. Neue Kabel sollten zudem verstärkt unterirdisch verlegt werden. Der bayerische Ministerpräsident, CSU-Chef Horst Seehofer, hatte gegen Nord-Süd-Stromautobahnen in seinem Bundesland protestiert. "Der Netzausbau kommt, aber er wird für Menschen und Natur so verträglich wie möglich gemacht", kündigte Gabriel an. Wo genau die neuen Leitungen für den Windstrom aus dem Norden in Richtung Süden nun gebaut werden sollen, ist aber unklar.

uh/sp (dpa,afp,rtr)