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"Für jeden Erreger findet sich ein Antibiotikum"

13. Januar 2012

Fleisch aus Deutschland ist oft mit Antibiotika-Resten und resistenten Keimen belastet. Klaus-Dieter Zastrow von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene erläutert die Gefahren.

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Bild: picture-alliance/Manfred P.Kage/Okapia KG

DW-WORLD.DE: Herr Doktor Zastrow, wie gefährlich sind resistente Keime für den Menschen?

Klaus-Dieter Zastrow: Die resistenten Keime sind immer dann gefährlich, wenn sie in Wunden kommen, in sterile Körperhöhlen, in die Blutbahn, in Lunge oder Blase. Im schlimmsten Fall passiert das während oder nach Operationen. Da machen resistente Keime dann massive Probleme und sind für den Betroffenen eine Katastrophe.

Klaus-Dieter Zastrow, Arzt für Hygiene und Umweltmedizin, (Foto: dpa/Karlheinz Schindler)
Klaus-Dieter Zastrow Arzt für Hygiene und UmweltmedizinBild: picture-alliance/dpa

Also muss ich mir keine großen Sorgen machen, wenn ich die Keime in durchgegartem Fleisch aufnehme?

Das ist richtig. Genauso muss man es auch auseinanderhalten, damit keine Panik entsteht. Diese Keime sind resistent gegen Antibiotika aber sie sind nicht resistent gegen die üblichen Regeln der Desinfektion. Eine der ältesten Formen der Desinfektion ist die thermische Behandlung, also das Erhitzen mit Temperaturen von mehr als 70 Grad Celsius. Und in der Regel werden Hähnchen bei hohen Temperaturen zubereitet. Das überleeben die Keime überleben nicht.

Wie steht es mit der Hygiene in der Küche? Wenn ich Huhn zubereitet habe und noch Reste am Schneidebrett oder Messer sind, wie lange überleben die Keime dort?

Da können die Keime eine ganze Weile überleben, da muss man vorsichtig sein. Aber das ist ja nicht erst seit den multiresistenten Keimen so, das kennen wir auch von den Salmonellen. Wenn ich frisches Geflügel zubereitet habe, müssen Schneidebrett und Messer gewechselt oder die Küche desinfiziert werden.

Nun ist eine vermeintliche Ursache für das Auftreten der Keime, dass massenweise Antibiotika in der Tiermast eingesetzt werden. Antibiotika sind eine ziemlich scharfe medizinische Waffe. Warum verabreicht man den Tieren eigentlich so häufig diese Medikamente?

Masthühner (Foto: Ingo Wagner dpa/lni)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Tiere sind in der Mast einem ziemlichen Stress ausgesetzt und damit sind sie auch anfälliger für Infektionen. Zum einen möchte man Erreger aus den Tieren heraushalten, außerdem möchte man verhindern, dass die Tiere erkranken oder sterben, da das schließlich auch ein wirtschaftlicher Verlust wäre. Also gibt man Antibiotika. Ob man die aber in der Menge, in der sie offenbar verabreicht werden, geben muss, ist eine andere Frage. Genaue Kenntnis haben wir darüber nicht. Dabei gibt es in diesem Bereich genaue Regelungen - zum Beispiel von der EU - was man machen darf und was nicht. Ob sich allerdings immer alle daran halten, das bleibt uns verschlossen.

Wie gefährlich ist es für den Menschen, die im Fleisch der Tiere enthaltenen Antibiotika mit der Nahrung aufzunehmen?

Das ist eine offene Frage, die wir nicht genau beantworten können, weil es dazu kaum Untersuchungen gibt. Viele Antibiotika werden durch die große Hitze, die beim Garen entwickelt wird, zerstört. Sie zerfallen und sind ohne jede Bedeutung. Es gibt aber auch Antibiotika, die thermostabiler sind und eine ganze Menge aushalten. Diese Antibiotika bleiben zum Teil erhalten, oder zumindest Fragmente davon. Was damit wirklich passiert, weiß kein Mensch. Das wäre auch wahnsinnig schwierig zu untersuchen. Man müsste die Antibiotika bestimmten Temperaturen aussetzen und dann schauen, was noch übrig bleibt und wie es im Menschen reagiert. Darüber wissen wir wirklich sehr wenig. Deswegen ist es gut, wenn wir so wenige Antibiotika wie möglich in der Nahrung haben. Man kann sich nicht zurücklehnen und sagen: Das wird alles zerkocht. Ich will es auch nicht dramatisieren, aber hier gibt es noch viel Forschungsbedarf.

Kann man gegen die resistenten Keime neue Antibiotika entwickeln?

Da kämpft sich die Industrie gerade durch. Bisher gibt es aber nicht allzu große Hoffnungen, dass ein neues Wundermittel auf dem Weg ist. Im Moment müssen wir eher versuchen, die resistenten Keime von gefährdeten Patienten im Krankenhaus fernzuhalten – durch Isolation oder durch Desinfektion. Aber in der Regel gibt es am Ende immer ein Antibiotikum, das wirkt. Es gibt tatsächlich keinen Keim, der nicht am Ende des Tages noch mit einem Antibiotikum zu erwischen wäre. Manchmal ist die Suche umständlich und dauert länger. Wenn man ganz großes Pech hat, gibt es nur noch ein Medikament und das wirkt beispielsweise ausgerechnet am Knochen nicht. Das ist dann für den Betroffenen eine Katastrophe – unter Umständen muss dann das Bein amputieren werden. Aber ein neues Mittel ist nicht in Sicht. Die Devise muss lauten: Desinfektion, Sterilisation und search and destroy, das heißt, wir suchen nach dem Keim und zerstören ihn. So wurden im Übrigen auch die Pocken ausgerottet.

Dr. med. Klaus-Dieter Zastrow ist Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Er arbeitet am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes Kliniken Berlin.