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Förderern von US-Sanktionen droht Haft in Russland

Benjamin Bathke | Elena Barysheva mit Material von Reuters
16. Mai 2018

Russland will das Befolgen von Sanktionen ausländischer Staaten unter Strafe stellen. Europäische Unternehmen bringt das in eine Zwickmühle - sie haben viel zu verlieren.

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Moskau Duma Parlament Gebäude
Bild: Imago/Russian Look

Laut eines neuen russischen Gesetzentwurfs wäre das Unterstützen und Befolgen von Sanktionen der Vereinigten Staaten und anderen ausländischen Staaten eine Straftat, auf die eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren steht. Das berichteten russische Nachrichtenagenturen am Freitag.

Das neue Gesetz richtet sich gegen die jüngsten aus einer Reihe von Sanktionen, die die USA, die Europäische Union und andere Länder verhängt haben, nachdem Russland 2014 die Krim annektierte und bewaffnete Separatisten in der östlichen Ukraine unterstützt. Anfang April hatte Washington weitreichende Sanktionen gegen einige von Russlands größten Firmen, Geschäftsleute und Funktionäre verhängt. Dieser Schlag gegen Verbündete von Präsident Wladimir Putin war eine Vergeltung für die angebliche Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl von 2016 und andere "böswillige Aktivitäten" von russischer Seite.

Russland hat seitdem überlegt, wie es reagieren soll. Am 13. April wurde der Staatsduma, dem Unterhaus des russischen Parlaments, ein Gesetzentwurf gegen "unfreundliche Maßnahmen der Vereinigten Staaten und anderer ausländischer Staaten" vorgelegt. Der erste Entwurf, der Dienstag verabschiedet wurde, würde der Regierung und dem Präsidenten weitreichende Befugnisse über zukünftige Gegensanktionen geben - vorausgesetzt Putin unterschreibt das Gesetz.

Altmaier: "Deutsche Unternehmen vor Sanktionsfolgen schützen"

Nach Einschätzung des Moskauer Wirtschaftsexperten Vladislav Inozemtsev sind die Maßnahmen gegen das Befolgen von Sanktionen nur ein Mittel zur Einschüchterung, das dank des wagen Gesetzestextes auf viele Menschen angewandt werden kann. "Die Regierung möchte diese Menschen am Haken halten", sagte Inozemtsev gegenüber der Deutschen Welle.

Die Gesetzgebung sieht vor, jede Person oder Repräsentanten einer Rechtsperson in Russland einzusperren, die sich weigert, Geschäfte mit russischen Bürgern unter Berufung auf ausländische Sanktionen zu machen.

Wie russische Nachrichtenagenturen berichteten, würde solch eine Straftat mit bis zu vier Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe von bis zu 600.000 Rubel (8133 Euro) geahndet werden. Die gleiche Gesetzgebung würde auch das Unterstützen ausländischer Regierungen mit Rat oder Informationen, um Russland zu sanktionieren, zu einer strafbaren Handlung machen. Einige russische Oppositionsführer haben den Gesetzentwurf scharf kritisiert. Sie fürchten, sie wären das eigentliche Ziel. Der Entwurf hat jedoch noch zwei weitere Abstimmungen in der Staatsduma und eine im Oberhaus vor sich, bevor sie auf Putins Schreibtisch landet.

Auf dieses Vergehen stünde laut russischen Nachrichtenagenturen eine Strafe von bis zu drei Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe von bis zu 500.000 Rubel.

Konsequenzen für europäische Firmen

Die US-Sanktionen vom April beziehen sich auf sieben russische Oligarchen (und einige ihrer engen Verwandten), ein Dutzend von ihnen kontrollierte Firmen, 17 russische Regierungsbeamte, ein staatlich kontrollierter Waffenhersteller sowie eine Bank. Nicht-US Bürger, und damit europäische Firmen, könnten auch zum Ziel der Sanktionen werden - vorausgesetzt, sie haben wissentlich "bedeutende Transaktionen" im Namen von Individuen oder Unternehmen auf der Sanktionsliste ermöglicht. Bis jetzt hat Washington nicht definiert, was genau mit "bedeutend" gemeint ist.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass rund 5000 deutsche Unternehmen auf dem russischen Markt aktiv sind. Davon hätten mehr als 60 "intensive Geschäftsbeziehungen" mit sanktionierten russischen Personen.

Siemens - Gasturbine - Krim
Deutsche Firmen wie Siemens drohen beim Einhalten von US-Sanktionen rechtliche Folgen und GeldstrafenBild: picture-alliance/U. Baumgarten

Ein etwaiges Gesetz wäre laut Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms eine "schwere Belastung" für deutsche Unternehmen in Russland. Sie befürchteten durch die US-Sanktionen kurzfristig den Ausfall von laufenden Geschäften in "dreistelliger Millionenhöhe", sagte Harms der DW. Da vor allem internationale Banken von Sanktionen bedroht seien, rechne er mit weiteren Problemen bei der Finanzierung von Geschäften mit russischen Partnern, selbst wenn diese derzeit keinen Sanktionen unterliegen.

Zur Zeit gibt es zwar noch keine Lieferengpässe, es bestehe aber die Gefahr, so Harms, dass es in der Flugzeug- und der Automobilindustrie zu Engpässen kommen könnte. Für beide Sektoren sind Zulieferteile aus Aluminium von zentraler Bedeutung.

Ein Beispiel ist der sanktionierte russische Aluminiumhersteller Rusal, der laut Ost-Ausschuss bislang 30 bis 40 Prozent des europäischen Bedarfs geliefert hat und auch Werke innerhalb der EU betreibt. Sollte es zu Produktionsausfällen ganzer Werke kommen, so Harms, drohten Europa Preissteigerungen und Folgekosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Insgesamt sei eine "sehr große Breite der deutschen Wirtschaft" betroffen.

Deutsche Unternehmen, die auf dem russischen Markt aktiv sind, würden laut Harms durch die US-Sanktionen und den neuen russischen Gesetzentwurf in eine "unhaltbare Zwickmühle" geraten: Zum einen riskierten sie, bei Fortsetzung ihrer Geschäftsaktivitäten mit sanktionierten russischen Partnern in Konflikt mit den USA zu geraten. Zum anderen drohten ihnen und ihren Tochtergesellschaften, falls das Gesetz so in Kraft tritt, bei Beachtung der US-Sanktionen zukünftig Strafen in Russland.

Alexis Rodzianko, Präsident der US-Außenhandelskammer in Russland, sagte gegenüber der Deutschen Welle, jede ausländische oder amerikanische Firma müsse die Gesetze und Sanktionen ihres eigenen Landes einhalten. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Entscheidung "ziemlich schwer" sei, da Firmen - und Regierungen - sich in einer "Lose-Lose"-Situation befänden.

"Beide Regierungen sind in einer Phase, in der jede zusätzliche Sanktion den eigenen Interessen mehr schadet", so Rodzianko.

Bedenken über russische Wirtschaft

Der russische Premierminister Dmitry Medvedev sagte am Montag, er unterstütze die Idee, das Einhalten von US-Sanktionen unter Strafe zu stellen. Zudem sagte er, dass die Regierung bedrohten russischen Unternehmen helfen solle, um sicherzustellen, dass keine Jobs verloren gingen.

Allerdings wird erwartet, dass das Parlament die vorgeschlagenen Maßnahmen abschwächt, indem spezifische Waren und Sektoren ausgeklammert werden. Darunter sind pharmazeutische und landwirtschaftliche Produkte aus den USA sowie Alkohol und Tabak. Die Befürchtung: russische Konsumenten und Industriesektoren könnten durch die Maßnahmen zu Schaden kommen.

Zudem könnte das Parlament den Vorschlag, die Beschäftigung von US-Bürgern in Russland einzuschränken, von der Agenda nehmen. Auch wurden Bedenken darüber geäußert, dass spezifische Maßnahmen gegen US-Waren zu erneuten Gegensanktionen von Washington führen könnten. Momentan ist unklar, ob der aktuelle Gesetzentwurf weiter abgeschwächt wird.

Laut Michael Harms vom Ost-Ausschuss trüben sich die Konjunkturerwartungen für Russland durch die Sanktionen und Gegensanktionen ein. Das werde auch auf den internationalen Handel und die Geschäftsaussichten deutscher und europäischer Unternehmen in Russland durchschlagen, glaubt Harms.

"Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen hatten sich zuletzt wieder intensiviert", so Harms. Die neuen US-Sanktionen gegen Russland und die drohenden russischen Gegensanktionen hätten zu einer weiteren "Verunsicherung" geführt.

Harms hofft, dass Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Altmaier während ihrer Gespräche in Moskau in dieser Woche auf ihre russische Seite einwirken, die geplanten Gegensanktionen zu überdenken.

"Die Bundesregierung und die EU sollten sich weiter klar gegen eine exterritoriale Anwendung US-amerikanischer Sanktionen aussprechen und EU-Unternehmen entsprechend vor Sanktionen schützen", so Harms.

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