1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wahl in Frankreich: Die Möbel der Mächtigen

Lisa Louis
10. April 2022

Nach der französischen Präsidentenwahl könnte sich auch das Mobiliar im Elysée-Palast in Paris wieder ändern. Dieses repräsentiert Frankreich - und den Regierungsstil des amtierenden Präsidenten.

https://p.dw.com/p/49bNc
Emmanuel Macron sitzt an einem dunklen Schreibtisch in einem herrschaftlichen Zimmer, hinter ihm die französische Flagge und ein großer Spiegel.
Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kam - unter gestalterischen Gesichtspunkten - frischer Wind in den Elysée-PalastBild: Soazig de la Moissonniere/Présidence de la République

Nicht nur Frankreichs Parteien und deren Kandidaten arbeiten seit Monaten emsig auf die Präsidentenwahl hin, deren erster Wahlgang diesen Sonntag stattfindet. Auch hinter den Mauern der staatlichen Einrichtung Mobilier National wuselt es. Die Wahlperiode ist eine der geschäftigsten Zeiten für die Institution mit ihren 365 Mitarbeitern, die sich um die rund 100.000 Möbelstücke und Teppiche von Frankreichs öffentlichen Einrichtungen kümmert, sie aufbewahrt und restauriert.

"Selbst wenn die Franzosen den aktuellen Präsidenten Emmanuel Macron, wie Umfragen vorhersagen, wiederwählen sollten, bereiten wir uns dennoch auf einen Ansturm an Anfragen danach vor", sagt Muriel Barbier, Chefin der Abteilung Kontrolle des Mobilier National. "Denn einerseits könnte Macron weitere Möbelstücke im Elysée-Palast austauschen wollen, andererseits könnten gerade bei einer Regierungsumbildung neu ernannte Minister ihre Räume neu dekorieren wollen."

Muriel Barbier, Chefin der Abteilung Kontrolle des Mobilier National, vor einem teilweise in Plastik gehüllten Sitzmöbel
Muriel Barbier ist Chefin der Kontrollabteilung des "Mobilier National"Bild: Lisa Louis/DW

Das Mobilier National ist eine Einrichtung des Elysée-Palasts und spiegelt also - zumindest in gewissen Fällen - auch den Regierungsstil des jeweiligen Präsidenten wider. "Als Erstes hat Macron, nachdem er 2017 an die Macht kam, den Salle des Fêtes im Elysée-Palast renovieren lassen", erinnert sich Barbier.

Der Teppich und die Vorhänge dieses Saals, in dem traditionell die Amtseinführung des Präsidenten stattfindet, waren bis dahin in schwerem Rot und Gold gehalten, wodurch der Raum sehr dunkel erschien. "Die französische Designerin Isabelle Stanislas hat damals die Ausschreibung gewonnen mit einem hellgrauen Teppich mit dezenten, goldenen Federn und faltenfreien Vorhängen. Außerdem haben wir die Kronleuchter gesenkt, was den Raum auch heller erscheinen ließ", sagt Barbier.

Ein "strahlender Touch" am Palasteingang

Auch sonst ist mit dem jungen Macron, der während seiner ersten Amtsperiode zahlreiche Reformen in Frankreich durchsetzte, frischer Wind in das 1722 fertiggestellte Herrschaftsgebäude eingezogen. Der damals 39-Jährige ließ einen neuen Teppich für die sogenannte Murat-Treppe anfertigen. Die ist im klassischen Empire-Stil gebaut und war bis dahin in Dunkelrot mit Blumenmustern gehalten.

"Die zeitgenössische Künstlerin Nathalie Junod Ponsard designte einen Teppich, dessen Farbe von einem starken Blau in starkes Rot übergeht - für die Nationalfarben fehlt nur noch das Weiß", macht Barbier deutlich. "Das gibt dem Ganzen einen geradezu strahlenden Touch, und es passt sehr gut zu dem weißen Marmor und den goldenen Palmenblättern am Geländer der Treppe gleich am Palasteingang."

Die sogenannte Murat-Treppe im Elysée-Palast in Frankreichs Hauptstadt Paris mit einem blauen, oben roten Teppich von Nathalie Junod Ponsard
Von der Künstlerin Nathalie Junod Ponsard ließ Macron einen neuen Teppich für die "Murat-Treppe" anfertigenBild: Thibaut Chapotot

Die meiste Aufmerksamkeit hat aber wohl Macrons neuer Schreibtisch auf sich gezogen. Den "K"-Schreibtisch des französischen Designers Thierry Lemaire hatte Präsidentengattin Brigitte Macron entdeckt und für Macrons Büro, den Salon Doré (goldenen Salon), maßanfertigen lassen. Er ist hergestellt aus dunklem Wengeholz, hat eine Schreibtischunterlage aus Leder und eine Schublade aus poliertem Kupfer.

Sein modernes Design steht in starkem Kontrast zu dem Tisch von Charles Cressent im Louis-XV- beziehungsweise Rokokostil aus Veilchenholz und bronzenen Zierleisten, auf dem bisher fast alle Präsidenten von Frankreichs fünfter Republik ihre Dokumente gelesen und unterzeichnet haben. "Ich war sehr stolz, als die Macrons meine Möbel auswählten - das ist ein richtiges Privileg", sagte Lemaire der DW. "Madame Macron hat gefallen, dass der Schreibtisch nicht nur ästhetisch, sondern auch praktisch ist mit mehreren Schubladen."

Mobilier National soll Frankreichs Savoir-Faire bewahren

Ein Dutzend Stücke hat der Designer für den Elysée geliefert - zum Vorzugspreis, wie er sagt: "Bei einer solchen Ehre muss man schon mal heruntergehen mit dem Preis - schließlich ist es für den Staat selbst."

Zu den anderen Lemaire-Möbeln gehören kleine runde "Hellmet"-Tische aus etwa 40 Kilogramm Bronze und das tiefblaue Sofa "Garment" mit Bronzeeinsätzen an der Seite. "Das hatte ich vor sieben oder acht Jahren für den amerikanischen Markt konzipiert - es hat wirklich moderne Formen", beschreibt der Designer das Möbel. "Ich finde es wichtig, dass auch solch zeitgenössische Stücke im Elysée stehen - um das heutige Frankreich zu repräsentieren."

Eine eigene Institution für diese Art der Repräsentanz gibt es seit 1604; seit 1870 heißt sie Mobilier National. "König Heinrich IV. wollte damals vor allem den Teppichimporten aus den Niederlanden und Flandern etwas entgegensetzen - deswegen gründete er auch die Tapisserie Manufacture des Gobelins", erläutert Möbelexpertin Barbier. "Das war schon eine Form von Protektionismus." Louis XIV, wegen seiner Egozentrik auch der Sonnenkönig genannt, habe später im 17. beziehungsweise 18. Jahrhundert auch durch seine Einrichtungsgegenstände zeigen wollen, dass er mächtiger und stärker als andere Herrscher war.

Die Aufgabe des Mobilier National lautet, das Savoir-Faire des Landes zu erhalten. "Wir fördern durch unsere Aktivität modernes Design und sind ständig mit zeitgenössischen Künstlern in Kontakt. Unsere Institution hat Ateliers für Stahlbau, Tischlerei oder Schreinerei. Es ist wichtig, dass Frankreich sicherstellt, dass all diese Kunstfertigkeiten nicht verloren gehen", sagt die Kunsthistorikerin.

Die meisten Präsidenten bevorzugten einen klassischen Stil

Nur wenige Präsidenten haben seit dem Beginn der fünften Republik 1958 modernes Design in den Elysée-Palast geholt - die meisten bevorzugten einen klassischen Stil. Auch die jüngsten Präsidenten, der Sozialist François Hollande und der konservative Nicolas Sarkozy, erneuerten praktisch nichts im Elysée.

Brauner Ledersessel in Tulpenform.
Diesen Sessel in Tulpenform hat Pierre Paulin für den Elysée konzipiertBild: Isabelle Bideau/Mobilier National

Eine Ausnahme bildete der konservative Georges Pompidou, der von 1969 bis 1974, am Ende der von rapidem Wirtschaftswachstum gezeichneten "30 Glorreichen Jahre", an Frankreichs Spitze stand. "Pompidou und seine Frau Claude waren große Liebhaber zeitgenössischer Kunst - sie standen in Kontakt mit modernen Designern aus Paris, aber auch aus anderen Ländern", sagt Muriel Barbier.

"Das lag sicherlich auch daran, dass es die Periode der Nach-68er-Jahre war, der Flower-Power-Bewegung." So zierte zum Beispiel ein brauner Sessel in Tulpenform aus Aluminium und mit Lederbezug den Elysée-Palast. Konzipiert hatte den Pierre Paulin, ein Designer, der sich unter anderem von japanischen und skandinavischen Konzepten inspirieren ließ.

Ab den 1980er-Jahren brachte auch der linksgerichtete Präsident François Mitterrand - von 1981 bis 1995 an der Macht - Schwung in die Möbellandschaft des Regierungssitzes. Ebenfalls mit Einrichtungsgegenständen von Paulin, aber auch mit einem futuristisch gestalteten, mit fahlgelbem Leder überzogenen Sessel des Pariser Industriedesigners Philipp Starck aus Aluminium.

"Zu der Zeit herrschten die 1980er in all ihrer Pracht - im Elysée-Palast sah es aus wie in einem Science-Fiction-Film", begeistert sich Barbier. Dieser Stil passte auch zu Mitterrands fortschrittlicher Sozialpolitik: er schaffte beispielsweise die Todesstrafe ab und gab Homosexuellen und illegal Eingewanderten zusätzliche Rechte.

Noch immer beherbergt der Elysée-Palast viele Einrichtungsgegenstände im klassischen Stil. Doch: der aktuelle Präsident und die Philosophie des Mobilier National zeigen sich offen für Trends. Letztere sei heutzutage viel weltoffener und nicht mehr protektionistisch, unterstreicht Barbier. "Wir sind schließlich Teil Europas und ständig in Kontakt mit internationalen Künstlern oder auch ähnlichen Institutionen wie der Royal Collection in Großbritannien, die unter anderem das Königshaus Buckingham Palace einrichtet", betont sie.

Auf internationale Kontakte hofft auch Designer Lemaire. "Bisher hatten wir noch keine Anfragen von Regierungen anderer Länder, aber das wäre schon reizvoll - und unsere Möbel im Elysée-Palast sind bestimmt eine gute Werbung", sagt er.