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Raus aus der Prostitution

29. Mai 2009

Fahrradfahren ist angesagt - besonders in Entwicklungsländern. Fahrräder brauchen keinen Sprit, man kann sie selbst reparieren. In Namibia verteilt eine NGO gebrauchte Räder an arme Menschen und schafft damit neue Jobs.

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Frauen im Bicycle Empowerment Centre von Katutura (Foto: Barbara Gruber)
Neue Perpektive: ehemalige Prostituierte in der FahrradwerkstattBild: Barbara Gruber
Maria, Managerin des Bicycle Empowerment Centres in Katutura, Windhoek (Foto: Barbara Gruber)
Maria ist Managerin der Werkstatt in KatuturaBild: Barbara Gruber

Platte Reifen, kaputte Bremsen oder verbogene Speichen: Maria und ihre Mädels, wie sie sie nennt, haben für alles eine Lösung. Zusammen mit fünf anderen Frauen arbeitet sie bei der Nichtregierungsorganisation BEN (Bicycling Empowerment Network). Sie alle haben eine gemeinsame Vergangenheit: In ihrem früheren Leben arbeiteten sie als Prostituierte. Maria ist heute 36 Jahre alt. Als ihre Ehe vor sieben Jahren in die Brüche ging, wurde sie in die Prostitution gezwungen. Und sie wurde drogen- und alkoholabhängig. "Prostitution ist ein Begriff, der alles Üble umfasst", sagt die Mutter von fünf Kindern. "Darunter fallen Straßen- und Waisenkinder, kaputte Familien, zerstörte Ehen, HIV/AIDS".

Ausbrechen aus dem Rotlichtmilieu

Fahrradwerkstatt in Windhoeks Armenviertel Katutura (Foto: Barbara Gruber)
Die "King's Daughters"-FahrradwerkstattBild: Barbara Gruber

Heute ist Maria Mitglied von King's Daughters, einem lokalen Kirchenprojekt, das Prostituierten hilft, aus dem Rotlichtmilieu auszubrechen, und ihnen neue Ausbildungsmöglichkeiten bietet. Um die ehemaligen Prostituierten zu Fahrradmechanikerinnen auszubilden, hat sich King's Daughters mit dem Bicycling Empowerment Network zusammengeschlossen. Michael Linke leitet BEN in Namibia. Die Prostitution sei dort eine sehr gefährliche Tätigkeit, erklärt er. Zusätzlich zur Gewalt, denen Prostituierte in der ganzen Welt ausgesetzt seien, gebe es viele andere Gefahren. Die HIV-Rate liege in Namibia bei 20 Prozent. Also einer von fünf Kunden ist statistisch gesehen HIV-positiv und oft werden Prostituierte gezwungen, auf Kondome zu verzichten. Da Prostitution in Namibia illegal ist, hätten die Frauen auch wenig Verhandlungsspielraum.

Neues Verantwortungsbewusstsein

Frauen in der Fahrradwerkstatt "King's Daughters" in Windhoek (Foto: Barbara Gruber)
Die Frauen setzen auf die Arbeit im TeamBild: Barbara Gruber

Als Fahrradmechanikerin hat Maria aber jetzt neue Fähigkeiten und auch ein ganz neues Verantwortungsbewusstsein erworben. "Als Managerin bin ich für alles verantwortlich", sagt sie. Es gebe manche Teile am Fahrrad, die schwierig zu reparieren seien. "Darauf muss man sich dann besonders konzentrieren". Auch die Kolleginnen brauchen ihre Unterstützung. Der Teamfaktor ist für Maria besonders wichtig, jeder müsse dem anderen helfen. Wenn man Maria und die anderen fünf Frauen bei der Arbeit beobachtet, scheint ihnen keine Aufgabe zu schwierig. Sie machen alles: reparieren Räder, kümmern sich um die Abrechnungen und das Marketing, kontrollieren den Vorrat an Ersatzteilen und bestellen neue Vorräte.


Die Fahrradwerkstatt hat erst Ende März aufgemacht, aber sie haben schon mehr als 30 Gebrauchträder verkauft, erzählt Maria stolz. Und die Kunden seien zufrieden mit den neuen Fahrradmechanikerinnen. Maria sagt, ihr Leben habe einen ganz neuen Sinn bekommen. Sie sitze nicht mehr zuhause rum, trinke oder hungere. Und daran ihren Körper zu verkaufen, denke sie auch nicht mehr. "Jetzt habe ich einen Job, muss morgens um acht bei der Arbeit sein und gehe um fünf Uhr wieder nach Hause. Ich habe jetzt einen Rahmen, an den ich mich halten kann. Ganz ehrlich, früher war ich ein Nichts, aber heute bin ich jemand."

Das Fahrrad als Alternative

Bicycle Empowerment Centre in Katutura, Windhoek (Foto: Barbara Gruber)
Der Bedarf an Fahrrädern in Namibia ist großBild: Barbara Gruber

Die Fahrradwerkstatt in Katutura ist nur eines von 16 Zentren, das das Bicycling Empowerment Network in ganz Namibia betreibt. Mit Erfolg, denn die Menschen sind wirklich auf die Fahrräder angewiesen, sagt Michael Linke. "Die Dörfer in Namibia sind sehr verstreut, und die Distanzen sind extrem groß. Um zur nächsten Bank zu gehen, sind 20 Kilometer durch die Wüste keine Seltenheit." Rund 60 Prozent der Namibier hätten keinen Zugang zu motorisiertem Transport. Es gebe keine Taxis, keine Busse, keine privaten Fahrzeuge. Seit 2005 hat BEN mehr als 7000 gebrauchte Fahrräder in Namibia verteilt. Die meisten Räder kommen aus Europa und Nordamerika. Dieses Jahr hofft die Organisation das zehntausendste Fahrrad auszuhändigen.


Autorin: Barbara Gruber
Redaktion: Katrin Ogunsade