1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EZB kauft wieder Anleihen

12. September 2019

Die Zinswende rückt in weite Ferne. Angesichts der schwächeren Konjunktur in der Eurozone lockert die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik. Sie kauft wieder Anleihen und verschärft den Strafzins für Einlagen.

https://p.dw.com/p/3PTOb
Frankfurter Bankenskyline EZB
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Ab November beginnt die Europäische Zentralbank (EZB) wieder mit dem Kauf von Anleihen. Wie die Zentralbank am Donnerstag in ihrer Ratssitzung mitteilte, wird sie für vorerst 20 Milliarden Euro pro Monat Schuldverschreibungen von Euroländern und Unternehmen kaufen. Ein Enddatum wurde nicht genannt.

Damit nimmt die EZB das Kaufprogramm wieder auf, das sie erst im Dezember 2018 beendet hatte. Zu Hochzeiten hatte sie jeden Monat für 60 Milliarden Euro Anleihen gekauft, insgesamt hat sie so 2,6 Billionen Euro ausgegeben.

Mit dieser erneuten geldpolitischen Lockerung stemmt sich die Zentralbank gegen die Konjunkturschwäche. Wirtschaftsforscher sehen Deutschland und andere Euroländer am Rande einer Rezession.

Strafzinsen für Geldparker

Außerdem verschärfte die EZB die Strafzinsen auf Einlagen der Geschäftsbanken von bisher -0,4 Prozent auf nun -0,5 Prozent. Die meisten Marktteilnehmer hatten das erwartet. Ein Minuszeichen beim Einlagenzins bedeutet, dass die Institute Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken. Der Satz ist bereits seit 2014 negativ.

Den Schlüsselzins zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld beließ die EZB dagegen bei 0,0 Prozent. Bereits seit März 2016 liegt er auf diesem Rekordtief.

Keine Zinswende in Sicht

Die EZB passte zudem ihren Ausblick an. Nunmehr will sie ihre Schlüsselzinsen solange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau halten, bis das Inflationsziel von knapp zwei Prozent erreicht ist. Bislang stellte sie bis Mitte 2020 stabile oder niedrigere Schlüsselsätze in Aussicht. Die EZB hatte letztmalig 2011 ihre Zinsen angehoben.

Die EZB beschloss zudem, die Konditionen ihrer geplanten neuen Langfristkredite für Banken noch etwas vorteilhafter zu gestalten und die Laufzeit dieser Kredite von zwei auf drei Jahre zu verlängern.

Parallel zur Verschärfung der Strafzinsen für Banken kündigte die EZB zudem eine Staffelung an. Damit werden nicht mehr auf alle bei der Notenbank geparkten Gelder Strafzinsen erhoben.

Mit beiden Maßnahmen - der Staffelung und den Langfristkrediten - will die EZB den Geschäftsbanken etwas mehr Spielraum verschaffen, denn die klagen seit Beginn der Niedrigzinsen über schwindende Margen.

Frankfurt Mario Draghi EZB Zinsentscheidung
Vorletzter Auftritt: Mario Draghi auf der Pressekonferenz nach der EZB-ZinsentscheidungBild: Reuters/R. Orlowski

Euro unter Druck

Der Euro fiel nach der Entscheidung auf 1,0925 Dollar und näherte sich damit dem 28-Monats-Tief, das er Anfang des Monats erreicht hatte. Auch die Renditen der Staatsanleihen gaben nach. Die Verzinsung der 30-jährigen deutschen Bundesanleihe rutschte wieder deutlich ins Minus, die Rendite der zehnjährigen italienischen Papiere sank auf ein Rekordtief von 0,758 Prozent.

"Damit dürfte Draghi der Dank der Italiener gewiss sein", sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager bei der Vermögensverwaltung QC Partners. "Gleichzeitig werden die Anfeindungen aus Deutschland weitergehen. Mit dem heutigen Tag ist eine Zinswende nach oben in noch weitere Ferne gerückt. Die Zinsen bleiben abgeschafft."

Die Freude der Anleger über den Staffelzins auf Bankeinlagen bei der EZB währte dagegen nur wenige Minuten: Der Index für die Banken der Eurozone sank um knapp ein Prozent, die Aktien der Deutschen Bank waren mit einem Abschlag von 1,5 Prozent Schlusslicht im Dax.

Die Strafzinsen auf Notenbank-Einlagen seien quasi eine Steuer, sagt Artur Baluszynski, Chef-Analyst des Vermögensverwalters Henderson Rowe. Sie könnten die schwächelnde europäische Konjunktur zusätzlich belasten. Unklar bleibe zudem, ob die Maßnahmen der EZB ausreichten, um Wachstum und Inflation in Schwung zu bekommen, sagte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der ING-Bank. "Der Elefant im Raum ist die Haushaltspolitik. Es ist klar, dass ohne eine Unterstützung von dieser Seite Draghis Abschlusstrick nicht unbedingt zu einem glücklichen Ende führen wird."

Clemens Fuest Direktor Institut für Wirtschaftsforschung ifo
Fordert wirtschaftspolitische Reformen: Ifo-Präsident Clemens FuestBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Skepsis bei Experten

Auch Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, ist skeptisch, ob die EZB mit ihrer expansiven Geldpolitik der lahmenden Konjunktur im Euroraum auf die Sprünge helfen kann: "Angesichts der Verschlechterung der Konjunktur und der sinkenden Inflationserwartungen ist die Entscheidung der EZB sicherlich vertretbar. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Geldpolitik an Grenzen stößt und Wachstumsimpulse aus anderen Politikbereichen, vor allem wirtschaftspolitische Reformen und bessere Rahmenbedingungen für private und öffentliche Investitionen, kommen müssen."

Sebastian Wanke, Ökonom bei der KfW Bank, teilt diese Skepsis: "Es ist der vorletzte Entscheid Mario Draghis als EZB-Präsident und sein letzter großer Wurf. Dieser fällt in etwa so aus wie von den Finanzmarktteilnehmern erwartet. Jedoch glauben wahrscheinlich nur noch die wenigsten, dass solche Maßnahmen Konjunktur und Inflation spürbar stimulieren können."

Rückkehr der "Dicken Bertha"

Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Düsseldorfer Bankhaus Lampe, befürchtet, dass der Druck der Finanzmärkte und der Politik auf die EZB weiter steigen wird: "Die Finanzmärkte rufen, und die EZB liefert. Sie hat die Dicke Bertha heute ausgemottet, das Maßnahmenpaket ist sehr umfangreich."

Trotzdem könne das Vorgehen der EZB nicht überzeugen. "Es taugt weder, die vom globalen Handelsstreit ausgehenden Konjunkturschäden zu mildern, noch die strukturbedingt niedrigen Inflationsraten zu steigern." Wahrscheinlich sei daher, dass die Politik des billigen Geldes noch Jahre anhalten werde, so Krüger. "Die EZB wird sich immer neue Dinge einfallen lassen, um Regierungen und Staatshaushalten zu gefallen. Die schädlichen Nebenwirkungen der Geldpolitik werden noch größer."

bea/tko (dpa, reuters, afp)