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Extremwetter: Gute Geschäfte mit Wettervorhersagen

Kristie Pladson
28. September 2023

Wetterprognosen können Leben retten und Unternehmen helfen, Schäden zu vermeiden. Das wird mit häufiger auftretenden Wetterextremen immer wichtiger. Doch die am stärksten gefährdeten Märkte bleiben außen vor.

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Überschwemmung Pakistan
Bild: Sajjad/Xinhua/IMAGO

Wie wird das Wetter in Papua-Neuguinea? Eine Antwort auf solche Fragen kann Meteomatics geben, ein privates Wettervorhersageunternehmen in Sankt Gallen in der Schweiz. In einem Fall wollte ein Mann sich über das Wetter des ozeanischen Inselstaates informieren, weil er in Frankreich Leguane halten wollte, die sich vor allem auf Papua-Neuguinea wohl fühlen. "Das war schon eine etwas seltsame Anfrage", erinnert sich Alexander Stauch, Marketingleiter von Meteomatics, gegenüber der DW.

Dabei ist das in der Schweiz ansässige Unternehmen Meteomatics an ungewöhnliche Anfragen gewöhnt. Ihre Wettervorhersagesoftware und Drohnen werden rund um den Globus beispielsweise von Planern von Festivals oder auch von der Verteidigungsindustrie eingesetzt.

In vielen Bereichen wird die Vorhersage des Wetters immer wichtiger, weil Wetterextreme immer häufiger auftreten. Auch wenn sich viele Regierungen öffentlich dazu verpflichtet haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wird die Anpassung an extreme Wetterereignisse, die mit einer Erwärmung des Planeten einhergehen, immer wichtiger.

Die Genauigkeit, mit der das Wetter vorhergesagt werden kann, wird immer besser. Jüngste Untersuchungen zeigen, eine Fünf-Tage-Vorhersage ist heute ebenso genau wie eine Ein-Tages-Vorhersage in den 1980er Jahren.

Themenpaket Flut Italien Norditalien
In Italien musste dieser Bauer bei der Flut im Mai seine Schweine im Wasser zusammentreibenBild: ANDREAS SOLARO AFP via Getty Images

Weniger Tote, mehr wirtschaftliche Verluste

Vorhersagen sind nicht nur ein wichtiges Instrument zur Rettung von Menschenleben, sie können auch Regierungen und Unternehmen vor katastrophalen finanziellen Verlusten durch extreme Wetterbedingungen bewahren. Laut einer Studie der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) aus dem Jahr 2023 ist die Zahl der Menschen, die bei extremen Wetterereignissen wie Überschwemmungen, Wirbelstürmen und Dürren ums Leben gekommen sind, in den letzten fünfzig Jahren zurückgegangen. Dies ist vor allem auf die Einführung von Frühwarnsystemen zurückzuführen.

Die wirtschaftlichen Verluste durch Extremwetter haben dagegen zugenommen. Dabei könnte mit einer besseren Erfassung und einem internationalen Austausch von Wetterdaten sozioökonomische Vorteile im Wert von mehr als fünf Milliarden US-Dollar (4,7 Mrd. Euro) pro Jahr generiert werden, so eine Schätzung in einem Bericht der Weltbank von 2021.

Viele Unternehmen haben die Folgen des Klimawandels im Blick. Die Deutsche Bahn etwa teilte der DW mit, dass sie ihr eigenes Vorhersageportal verbessert hätten, um genauere Vorhersagen für Überschwemmungen und Brände zu erhalten. Solche Naturkatastrophen haben bislang in Deutschland kaum Probleme bereitet, stellen aber zunehmend ein Risiko dar.

Vorhersagen zur Geschäftsoptimierung

Wettervorhersagen sind nicht nur nützlich, um sich auf Extremwetter vorzubereiten, sie können auch bei der Geschäftsoptimierung helfen. Werden Wetterdaten beispielsweise in das Lieferkettenmanagement einbezogen, lassen sich Versandrouten besser gestalten. Ein japanischer Automobilhersteller nutzt die Technologie von Meteomatics, um den Energieverbrauch in seinen Produktionsanlagen an das aktuelle Wetter anzupassen, erzählt Stauch.

"Unsere wichtigste Einnahmequelle sind Energieunternehmen, vor allem natürlich Produzenten aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Sie sind in hohem Maße von genauen Wetterdaten abhängig", erklärt er. Wind- und Solarenergieproduzenten können beispielsweise ihre Turbinen und Paneele auf der Grundlage von Sonnen- und Windvorhersagen so ausrichten, dass sie optimale Erträge haben. Auch Händler von Energie und Rohstoffen nutzen Vorhersagetechnologien, um ihre Geschäftsentscheidungen auf der Grundlage des Wetters zu treffen.

Taiwan | Taifun Doksuri
Landwirte in ärmeren Ländern bräuchten einen einfachen Zugang zu Wettervorhersagen, sagt Ravi KumarBild: Andre M. Chang/ZUMA Wire/IMAGO

Die Nachfrage nach überregionalen Daten steigt

Meteomatics, das letztes Jahr zehn Jahre alt wurde, hat nach eigenen Angaben seinen Kundenstamm in den letzten zwei Jahren verdoppelt und vor kurzem eine Niederlassung in den USA eröffnet. Wie wichtig die Vorhersagen zum Wetter sind, zeigt sich auch bei anderen Unternehmen und Organisationen.

"Die Zahl der kommerziellen Kunden hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen", sagt Florian Pappenberg, Leiter der Vorhersageabteilung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), gegenüber DW. Das ECMWF ist eine zwischenstaatliche Organisation, die globale Wettervorhersagen für einen Zeitraum von etwa zwei Wochen erstellt.

"Was man [in der Industrie] sieht, sind spezialisierte Anwendungen für ganz bestimmte Zwecke, wie beispielsweise die Vorhersage der Ernteerträge in bestimmten Städten, die den Marktpreis bestimmen", so Pappenberg.

Auch Einzelhändler nutzen Wetterdaten, um die Bedürfnisse der Kunden vorauszusehen. In einer aktuellen Kampagne, die sich an Vermarkter richtet, bezeichnet das Vorhersage- und Technologieunternehmen The Weather Company das Wetter als den "original influencer". "Das Wetter beeinflusst, wie wir uns fühlen, was wir ausprobieren und was wir kaufen", heißt es in der Anzeige.

Flut Libyen Darna
Die Infrastrukturschäden durch Extremwetter sind immens. Im September wurden in Libyen mehrere Städte durch Überschwemmungen stark geschädigt.Bild: Jamal Alkomaty/AP Photo/picture alliance

Anfällige Volkswirtschaften werden im Regen stehen gelassen

Die Technologien zur Vorhersage des Wetters haben sich zwar verbessert, aber sie stehen nicht allen auf der Welt gleichermaßen zur Verfügung. So sind die Vorhersagedaten und -technologien in den Industrieländern sind viel weiter entwickelt als in den Entwicklungsländern. Dies ist besonderes problematisch, da Entwicklungsländer häufig empfindlicher von Extremwetter getroffen werden.

Dem WMO-Bericht zufolge haben seit 1970 die meisten Wetterkatastrophen in den am weitesten entwickelten Ländern zu wirtschaftlichen Verlusten von weniger als 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) des jeweiligen Landes geführt. In den am wenigsten entwickelten Ländern dagegen war die Wahrscheinlichkeit, dass Katastrophen zu gemeldeten wirtschaftlichen Verlusten von mehr als fünf Prozent des BIP führten, weitaus größer. In einigen Fällen machten die Verluste bis zu 30 Prozent aus. In kleinen Inselländern verursachten Extremwetter sogar wirtschaftliche Verluste von über 100 Prozent des BIP.

Indien I heftige Monsunregenfälle
Monsumregenfälle in Indien haben im Juli zu starken Überschwemmungen geführtBild: Arrush Chopra/NurPhoto/IMAGO

Hunger ließe sich mit Wettervorhersagen bekämpfen

Die Folgen einer weniger guten Vorhersage des Wetters trifft natürlich besonders die Unternehmen, die stark vom Wetter abhängen. "Die Landwirte sind mit extrem harten und rauen Bedingungen konfrontiert", sagte Ravi Kumar, Mitglied der Arbeitsgruppe für Ernährungssicherheit und Klimawandel der Weltbauernorganisation (WFO), gegenüber DW.

In Indien beispielsweise geben viele Bauern ihr Land auf und suchen sich lukrativere Berufe, weil die extremen Regenfälle und die Dürre zu schwer zu bewältigen sind. Vor dem Hintergrund der weltweiten Hungerkrise ist diese Entwicklung besorgniserregend. "Landwirte brauchen Instrumente und Anleitungen, um Vorhersagedaten effektiv in umsetzbare Entscheidungen zu verwandeln", sagt Kumar.

Es gibt zwar lokale Vorhersageangebote, aber die Infrastruktur für die Sammlung von Wetterdaten ist in vielen Entwicklungsländern lange nicht so gut ausgebaut wie in Industrienationen. Daher haben es Vorhersageunternehmen schwer, diesen Gebieten die dringend benötigten Dienste anzubieten, selbst wenn sie es wollten.

Das EZMW gibt an, seine Dienste für diese Märkte nahezu kostenlos zur Verfügung zu stellen. Außerdem würde ein jährliches Programm zur Schulung von Meteorologen aus Entwicklungsländern im Umgang mit EZMW-Daten durchgeführt.

Die Weltbauernorganisation setzt sich unterdessen für die Entwicklung besserer technischer Lösungen für Landwirte in Entwicklungsländern ein. Dazu gehören bessere Vorhersagesysteme, die in den jeweiligen Landessprachen und mit einfach zu bedienenden Schnittstellen angeboten werden, damit die Landwirte wissen, wann sie ihre Setzlinge pflanzen oder ihren Viehbestand schützen müssen. "Die Bereitstellung von Finanzmitteln für den Klimaschutz ist extrem wichtig", sagt Kumar. Denn natürlich muss das von irgendwem bezahlt werden.

Der Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.