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Europa Interview

Ruth Reichstein7. September 2007

Militärpolitik gehört – genauso wie Außenpolitik – zu den Kernbereichen eines Staates, hier fiel es den Mitgliedern immer schwer, Verantwortung an die EU abzugeben.

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Bild: DW

Trotzdem gibt es in der Union seit 1992 die GASP, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – lange Jahre aber nur auf dem Papier. Wie viel GASP es in der EU heute gibt, darüber hat Ruth Reichstein mit dem Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff von der FDP gesprochen.

Der damalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger hat ja vor über 30 Jahren mal gesagt, er wisse nicht, welche Nummer er wählen soll, wenn er Europa anrufen will. Ist das heute immer noch so?

Es ist besser geworden seit Kissingers Zeiten, aber ein bisschen ist es immer noch so. Wir haben mit Solana zwar ein Gesicht der Europäischen Außenpolitik, einen Sprecher. Aber er kann nur handeln, wenn ihm die Mitgliedsstaaten ein klares Mandat geben. Wenn es das nicht gibt, wenn die Staaten untereinander zerstritten sind, dann muss der jeweilige chinesische, russische Außenminister immer noch mehrere Nummern anrufen. Das ist schlecht und ich hoffe, dass wir da weiter kommen und irgendwann die EINE Nummer da ist.

Sie haben Javier Solana gerade angesprochen, den Hohen Repräsentanten der Außenpolitik der EU. In der Verfassung war ja vorgesehen, einen richtigen Außenminister einzurichten. Jetzt sieht es so aus, dass es doch nicht so kommt. Bräuchte man nicht eigentlich so eine Figur?

Der Hohe Repräsentant wird auch nach dem aktuellen Text des Reformvertrags alle Funktionen behalten, die der europäische Außenminister bekommen hätte. Ich bin deshalb zwar nicht sehr glücklich darüber, dass er nicht mehr Außenminister heißt, ich sehe aber, dass die Rolle, die man ihm zugewiesen hat – nämlich eine viel stärkere Rolle als es in der Vergangenheit der Fall war – die ist unverändert. Das finde ich sehr gut. Deshalb glaube ich, dass da ein Fortschritt drin ist und nicht ein Rückschritt.

Was darf der Hohe Repräsentant, wenn der Reformvertrag in Kraft tritt, was er jetzt noch nicht darf?

Er ist immer der Vorsitzende, also quasi der Chef, des Rates der Außenminister. Wenn der Rat im Moment zusammen tritt, dann macht es die nationale Präsidentschaft, dass sie die Tagesordnung entwirft, den Vorsitz führt und die Themen bestimmt. Das wird jetzt immer der Hohe Repräsentant macht. Das heißt, er kann viel stärker in das gehen, was man neudeutsch "Agenda Setting" nennt, indem er bestimmte Themen auf die Tagesordnung setzt und eine Diskussion herbeiführt, auch wenn das dem ein oder anderen nationalen Staat nicht passt. Das ist schon mal ein wichtiger Punkt. Der zweite Punkt: Er bekommt einen europäischen auswärtigen Dienst. Das heißt, er hat eine eigene, viel stärkere politische Unterstützung von Top-Leuten, von guten Beamten, die auf der ganzen Welt sitzen, die die Europäische Union politisch vertreten und an ihn berichten.

Der Hohe Repräsentant steht für die Außenpolitik der EU. Was ist das genau, diese gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, was kann die?

Die GASP kann immer dann viel, wenn die Mitgliedsstaaten ihr ein Mandat erteilen. Dann kann man da durchaus einiges machen. Denken Sie zum Beispiel an die Mission in Kongo zur Absicherung der Wahlen dort. Denken Sie an die Mission zur Sicherung des Grenzübergangs Rafach von Ägypten in den Gaza-Streifen. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die wir ergreifen können. Wir haben sogar eine paradoxe Situation. Die Welt stellt unglaublich viele Fragen an Europa. Wir sind ein sehr angesehener Block von Nationen, eine angesehene Union. Andere Länder, andere Regionen, wollen oft viel mehr, als wir bieten können. Das heißt, die Nachfrage übersteigt das Angebot, wenn man es marktwirtschaftlich ausdrücken will. Und ich glaube, dass wir dieses Angebot an GASP noch deutlich erhöhen müssen.

Was muss passieren, damit wir das erhöhen können?

Wir brauchen viel mehr Abstimmung unter den Mitgliedsstaaten im Vorfeld, bevor es auf große Entscheidungen zugeht und wir brauchen den Willen der Mitgliedsstaaten, sich dann in eine europäische Disziplin einzufügen. Ich erinnere mich mit Grausen, das wir hatten 2003, als es auf den Irak-Krieg zuging, wo die EU politisch gespalten und damit global völlig einflusslos war. Nur Einigkeit macht uns stark. Die ist schwierig zu erzielen, man hat manchmal unterschiedliche Auffassung. Aber das muss ganz klar dazu kommen. Wenn man dann eine gemeinsame Linie gefunden hat, dann muss man sie auch gemeinsam vertreten. Es hängt an dem politischen Willen in den Hauptstädten. Die Unterstützung von der Europäischen Kommission, von Parlament für eine gemeinsame Außenpolitik, die ist vorhanden. Davon kann man sicher ausgehen.