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Europa Interview

Mirjam Stöckel1. Juni 2007

Im EU-Parlament wird sich ein grade neu gegründeter Sonderausschuss ein Jahr lang mit der Erderwärmung und ihren Konsequenzen beschäftigen.

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Bild: European Communities

Anmoderation:

Erderwärmung und Klimaschutz - das waren die Thema beim Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs vor ein paar Wochen. 20 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2020 – diese Einigung musste EU-Ratspräsidentin Angela Merkel in schwierigen Verhandlungen hart erkämpfen.

Bei der Europäischen Union steht das Problem Klimawandel also ganz oben auf der Tagesordnung – und zwar nicht nur bei den Staats- und Regierungschefs: Im EU-Parlament wird sich ein grade neu gegründeter Sonderausschuss ein Jahr lang mit der Erderwärmung und ihren Konsequenzen beschäftigen. Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Karin Scheele aus Österreich sitzt in diesem Ausschuss – und wurde von Mirjam Stöckel interviewt.

Interview:

Frau Scheele, Klimaschutz fängt ja im ganz kleinen an. Was tun sie denn persönlich gegen die Erderwärmung?

Ich probiere so oft es möglich ist, auf Taxi, auf Auto und auf Flieger zu verzichten. Das ist nur im eingeschränkten Maße möglich, wenn man in Österreich wohnt und in Brüssel und Straßburg die Arbeitsorte hat. Also seit einigen Monaten fahre ich nach Straßburg mit der Bahn. Aber ganz auf das Flugzeug zu verzichten ist bei meinem Beruf und bei meinem Betätigungsfeld nicht möglich.

Jetzt weg von dem Klimaschutz im Kleinen hin zum Klimaschutz in der EU. Warum kümmern sich eigentlich nicht die EU-Mitgliedstaaten sich nicht alleine um diese Frage? Warum mischt die EU da mit?

Umweltschutz und somit auch Klimaschutz und Kampf gegen den Klimawandel ist seit Jahren eine europapolitische Aufgabe. Umweltschutz kann von einem Mitgliedsstaat alleine nicht bewältigt werden, sondern hier ist die europaweite und im besten Fall auch die internationale Zusammenarbeit gefragt.

Und was tut Europa ganz konkret gegen die Erderwärmung?

Es gibt Gesetze, die schon seit Jahren in Kraft in Kraft sind. Zum Beispiel Vorschriften für Autoabgase. Es gibt Vorschriften für Elektrogeräte. Aber es gibt noch riesige Herausforderungen. Zum Beispiel: Wie gehen wir in Zukunft mit dem Flugverkehr in der Europäischen Union um.

Und an der Stelle noch mal nachgefragt: Reicht denn das, was die EU bislang getan hat auf dem Gebiet oder muss da noch mehr passieren?

Das reicht bei weitem nicht. Die Erderwärmung geht schneller voran als wir uns das vor einigen Jahren noch gedacht hätten. Und deswegen hat das Europäische Parlament auch beschlossen einen Klimawandel-Ausschuss zu installieren. Das heißt, einen nichtständigen Ausschuss, der keine gesetzgeberische Arbeit tun wird, aber der einen Beitrag leistet für Anregungen, für konkrete Vorschläge, wie und welche Schritte die Europäische Union in Zukunft zu gehen hat.

Und wie sieht das ganz konkret aus – was tut dieser Ausschuss?

Also ganz konkret zu diesem Zeitpunkt ist es schwierig zu sagen. Weil es noch keine Tagesordnung gibt. Weil es noch nicht feststeht, was die Hauptpunkte sind. Man kann sich natürlich einiges denken. Ich denke mir, dass Erneuerbare Energien, dass Flugverkehr, dass wie man Energieeffizienz steigern kann wesentliche Themen sein werden.

Und was glauben Sie: Was kann dieser Ausschuss konkret bewirken? Weil gesetzgeberischen Einfluss, sagten Sie ja gerade, hat er nicht.

Das ist auch wichtig. Weil: Gesetzgebung wird in den bestehenden Ausschüssen gemacht. Das wäre ja auch zu wenig, wenn wir dann mit der Gesetzgebung für Klimaschutz nach einem Jahr aufhören würden.

Aber es gibt uns schon die Möglichkeit, Themen fächerübergreifend und viel mehr in die Tiefe gehend zu diskutieren. Und das ist ein wichtiger Ausgangspunkt, um zukünftige politische Maßnahmen einen Kick zu geben und voranzutreiben.

Aber da fragt man sich doch: Klimawandel ist nun nicht erst seit gestern ein Thema. Warum hat das Parlament so lange gebraucht, bis es diesen Ausschuss eingerichtet hat?

Ich glaube, dass man die öffentliche Wahrnehmung, die sehr stärker geworden ist in den Mitgliedsstaaten, genutzt hat. Dass man natürlich auch die Ergebnisse des UNO-Berichtes über den fortschreitenden Klimawandel als Grundlage genommen hat. Und ich möchte noch mal betonen, dass es die Gesetzgebung zum Schutz der Umwelt, auch im Kampf gegen den Klimawandel seit Jahrzehnten in der Europäischen Union gibt. Aber das ist nicht genug. Wir wissen aufgrund des letzten UNO-Berichtes, dass wir viel, viel mehr tun müssen.

Nun sagt die EU-Kommission ja bei jeder denkbaren Möglichkeit, wie ehrgeizig und wie hoch die Klimaschutzziele der Europäischen Union sind. Hat die EU eigentlich das Recht, sich selbst so zu loben – ist das berechtigt oder ist das übertrieben?

Ich glaube, wir brauchen uns jetzt nicht als die Musterknaben aufspielen. Gerade wenn es im Vergleich zu Entwicklungsländern geht. Aber ich glaube, dass die Politik, die die Europäische Union macht, sich mit anderen Weltmächten wie der USA vergleichen kann. Und ich würde mir wünschen, dass die Vereinigten Staaten sich an der Europäischen Union hier ein Beispiel nehmen würden.

Also einerseits ganz klar: Die Europäische Union hat sich hohe Ziele im Klimaschutz gesteckt. Andererseits macht die EU-Kommission doch dann aber auch der Auto-Lobby wieder Zugeständnisse und erlaubt dann letztendlich Motoren, die doch wieder mehr CO2 in die Luft blasen dürfen als es eigentlich geplant ist. Da fragt man sich schon: Ja was denn jetzt?

Ich bin jetzt nicht die Verteidigerin der Europäischen Kommission. Aber man muss ganz klar sagen, dass auch Deutschland führend dabei war – oder die deutsche Autoindustrie – dass die strengeren Vorgaben der Europäischen Kommission, die ehrgeizigeren Ziele zu Fall gebracht worden sind. Und die Gesetzgebung kommt ja jetzt auch erst ins Laufen: es war ja nur eine Ankündigung der Europäischen Kommission. Und hier glaube ich, ist es auch die Aufgabe von uns Europaabgeordneten so viel wie möglich umzusetzen. Und da kann auch der Klimawandelausschuss, dieser nichtständige Ausschuss, Argumente liefern und das Szenario aufzeigen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was würden sie sich wünschen, dass EU-Ratspräsidentin Angela Merkel vom G8-Klimagipfel in Heiligendamm an Ergebnissen mitbringt?

Es wäre schön – und das liegt nicht in der Verantwortung von Frau Bundeskanzler Angela Merkel – wenn man die Vereinigten Staaten davon überzeugen könnte, dass der Klimawandel die größte Sicherheitsbedrohung unserer Zeit ist und hier die Vereinigten Staaten die größten Verschmutzer der Erde ihrer Verantwortung gerecht werden würden.

Frau Scheele, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.

Dankeschön.