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EU will mit China konkurrieren

1. Dezember 2021

Mit einer Kaskade von Investitionen in ärmeren Ländern will die EU-Kommission China ernsthaft Konkurrenz machen. Der "Global Gateway" der EU soll attraktiver sein als die "Neue Seidenstraße". Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Symbolbild EU - China
Globale Rivalen: Die EU will China mit mehr Investitionen den Rang streitig machen (Archivbild 2018)Bild: Jason Lee/REUTERS

Bis zu 300 Milliarden Euro will die EU-Kommission in den nächsten fünf Jahren mobilisieren, um das Geld in Infrastruktur-Projekte rund um den Globus, vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika zu investieren. Die "Global Gateway" genannte Initiative hat damit ein größeres Volume, als nach der ersten Ankündigung im September erwartet wurde.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kümmert sich persönlich um das Investitionsprogramm. Es solle eine auf demokratischen Werten fußende Alternative sein zum bekannten chinesischen Projekt "Neue Seidenstraße", das bereits 2013 gestartet wurde und auch als "Belt and Road Initiative" bezeichnet wird.

"Wir zeigen, dass wir uns nach außen wenden, um Investitionen überall in der Welt zu unterstützen", sagte von der Leyen bei der Vorstellung des "Gateway" in Brüssel. "Bei den Projekten geht es um Transparenz und gute Regierungsführung."

Die EU-Kommission will damit Chinas Einfluss zurückdrängen, obwohl sie das in ihrem "Global Gateway"-Vorschlag nicht ausdrücklich formuliert.

"Durch das Angebot eines positiven Ausbaus der weltweiten Infrastruktur will 'Global Gateway' in internationale Stabilität und Zusammenarbeit investieren. Außerdem soll demonstriert werden, dass demokratische Werte Sicherheit und Fairness, Nachhaltigkeit für die Partner und anhaltende Vorteile für Menschen rund um den Globus bringen", heißt es in dem Papier, das die EU-Kommission am Mittwoch beschlossen hat.

"Das ist eine klare Alternative zu bestehenden Programmen", sagte die Kommissionspräsidentin auf die Frage, ob die Initiative auf China ziele. 

Privates Kapital mobilisieren

Die 300 Milliarden Euro Investitionssumme sollen zustande kommen, indem 135 Milliarden bis zum Jahr 2027 mit Garantien aus dem "Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung" erzeugt werden. Hier will die EU-Kommission mit "neuartigen Finanzierungsinstrumenten" viel privates Kapital für gemeinsame Projekte anlocken. Die Europäische Entwicklungsbank in Luxemburg, eine Gesellschaft der EU-Kommission, soll eine tragende Rolle spielen. Weitere 150 Milliarden Euro sollen aus diversen bereits existierenden Programmen, finanziellen Institutionen der EU und den Investitionsprogrammen der Mitgliedsstaaten zusammengeführt werden. Hier handelt es sich also nicht um neues Geld, sondern um eine neue Berechnungsmethode. Weitere 18 Milliarden Euro an Garantien sollen aus dem Entwicklungshilfe-Haushalt der EU entnommen werden. 

Beispiel Wasserstoff

Als konkretes Beispiel nennt die EU-Kommission Investitionen in die Wasserstoff-Produktion in Afrika. Die EU würde mit 3,5 Milliarden Euro an Garantien private Investitionen absichern. Im Gegenzug müssten sich die Empfängerländer verpflichten, den Wasserstoff frei und ohne Handelsschranken zu exportieren. Natürlich hofft Brüssel darauf, dass europäische Firmen beim Bau der Anlagen und beim Vertrieb des Wasserstoffes zum Zuge kämen, so EU-Diplomaten, die an dem Papier mitgearbeitet haben.

Ein anderes Projekt könnten die Verlegung von Unterseekabeln für schnelles Internet im Schwarzen Meer sein. In Jordanien könnte die EU eine neue Brücke zum von Israel besetzten Westjordanland finanzieren. 

Die EU sieht auch vor, europäischen Firmen finanziell mit Export-Subventionen unter die Arme zu greifen, damit diese sich in regulierten Märkten gegen einheimische Konkurrenten oder staatlich subventionierte Unternehmen, zum Beispiel aus China, durchsetzen können.

Gleichzeitig will die EU versuchen, durch ihr weltweites Engagement auch weltweite Standards in bestimmten industriellen Sektoren zu setzen, wie das China zum Beispiel mit dem 5G-Standard in der mobilen Internet-Kommunikation gelungen ist. Schwerpunkte der "Global Gateway"- Investitionen sollen Digitalisierung, Klimaschutz und alternative Energie sein. Es gehe nicht darum, nur Straßen zu bauen, die dann eventuell zu einem von China angelegten Hafen führten, hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon vor Monaten gesagt.

DW Doku zur chinesischer Seidenstraße auf dem Balkan
Seidenstraßen-Projekt in Bosnien-Herzegowina: Das Kohlekraftwerk Tuzla 7 bauen chinesische FirmenBild: DW

China hat einen Vorsprung

China hatte bereits 2013 mit seinem Seidenstraßen-Projekt begonnen und mit verschiedenen Fonds und Entwicklungsbanken mehrere Hundert Milliarden US-Dollar mobilisiert. Rund 70 Länder nehmen mittlerweile an der Seidenstraße teil, darunter auch zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten und Staaten auf dem westlichen Balkan. In Griechenland und in Italien betreiben chinesische Investoren inzwischen Hafenanlagen. Chinesische Zuglinien verbinden viele Staaten Europas mit diesen Häfen oder direkt mit Exporteuren in China.

Kritiker werfen der chinesischen Planwirtschaft vor, die Seidenstraßen-Länder mit billigen Krediten zu ködern, die zu immer höherer Staatverschuldung führen. Ein Beispiel für diese Abhängigkeit war in diesem Sommer der kleine Balkanstaat Montenegro. Der wandte sich mit einem Hilferuf an die EU, weil er einen chinesischen Kredit für ein überdimensioniertes Autobahnprojekt nicht mehr bedienen kann. Die EU lehnte finanzielle Hilfen in diesem Fall ab. Die Autobahn endet im Moment unvollendet in den Bergen. China hat eine Art Stundung des Kredits angeboten.

Berlin Wasserstoff-Partnerschaft mit Westafrika | Anja Karliczek und Yahouza Sadissou
Mehr davon will die EU: Minister aus Deutschland und Niger vereinbaren eine Partnerschaft zur Produktion von Wasserstoff (Archiv 2020)Bild: BMBF/Hans-Joachim Rickel

"Global Gateway hat Potenzial"

Die Teilnahme an Seidenstraßen-Projekten soll aber kein Ausschlusskriterium für frische Investitionen aus Europa sein. Interessierte Staaten können sich an beiden Initiativen beteiligen. Außerdem haben die USA und Japan bereits vor Jahren eigene Investitionsprogramme aufgelegt, um der chinesischen Seidenstraße etwas entgegen zu setzen.

Der deutsche Botschafter bei der EU in Brüssel, Michael Clauß, der früher Botschafter in Peking war, hält den "Global Gateway" der EU für eine gute Idee. "Global Gateway hat das Potenzial, die EU in einen effizienteren geopolitischen Spieler zu verwandeln. Für viele Partner wird das Angebot einer regel- und wertebasierten Kooperation auf Augenhöhe eine attraktive Alternative zur chinesischen 'Belt and Road Initiative' sein", erklärte Clauß in Brüssel.

Der europäische Unternehmerverband "Business Europe" forderte die EU-Mitgliedsländer auf, im Rahmen der neuen Initiative ihre eigenen nationalen Investitionsprogramme besser zu koordinieren. Außerdem sei es sinnvoll, sich eng mit der "Build back better"- Initiative der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) zu verzahnen. "EU-finanzierte Projekte sollten nicht zugänglich sein für Unternehmen aus Ländern, die im Gegenzug europäischen Unternehmen nicht den gleichen, ungehinderten Marktzugang gewähren", fordert der Unternehmerverband in einer Stellungnahme.

China  Xi'an Frachtzug Neue Seidenstraße
Direkte Verbindung aus China: Ein chinesischer Frachtzug auf dem Weg ins EU-Mitgliedsland LettlandBild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/L. Qiang

"China wird nicht erstarren"

Der Finanzexperte der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), sieht den Entwurf der EU-Kommission eher kritisch. Die EU halte an Überregulierung und zu vielen Forderungen bei der Vergabe von Projektmitteln fest. Zwar sei das Volumen aufgepumpt worden, aber die umständliche europäische Systematik habe sich nicht geändert.

"Ein großer Teil des Geldes kommt aus bestehenden Programmen oder hängt von privaten Mitteln ab. Ein großer Wurf sieht anders aus. China wird nicht vor Angst erstarren", sagte der Abgeordnete Ferber in Brüssel.

Das "Global Gateway" - Konzept muss nun vom Rat der Europäischen Union, der Vertretung der Mitgliedsstaaten, und vom Europäischen Parlament gebilligt werden, bevor im kommenden Jahr die ersten Mittel fließen können.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union