Usbekistan
12. November 2006Die EU-Außenminister werden nach Angaben aus Diplomatenkreisen am Montag (13.11.2006) beschließen, die Beratungen im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit Usbekistan wieder aufzunehmen. Das Waffenembargo soll aber um zwölf Monate verlängert werden, das Einreiseverbot für Regierungsmitglieder um sechs Monate. Die Entscheidung solle nach drei Monaten überprüft werden.
Die EU-Sanktionen waren vor einem Jahr als Reaktion auf die blutige Niederschlagung einer Demonstration in der usbekischen Stadt Andischan im Mai 2005 verhängt worden. Nach offiziellen usbekischen Angaben gab es dabei 187 Tote, nach Darstellung von Menschenrechtsorganisationen kamen rund 700 Menschen ums Leben. Die Sanktionen wurden für ein Jahr verhängt und laufen am 14. November aus.
Taschkent sagt Beteiligung an Anhörung zu Massaker zu
Mit der erwarteten Lockerung der Sanktionen reagiert die EU auf die Zusage Usbekistans, mit EU-Experten über die Vorgänge im Mai 2005 zu diskutieren. Das Treffen solle innerhalb der nächsten drei Monate in Taschkent stattfinden, verlautete aus Diplomatenkreisen in Brüssel. Zudem signalisierte die Regierung in Taschkent bei einem Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Anfang November die Bereitschaft, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) Zugang zu usbekischen Gefängnissen zu gewähren. Steinmeier hatte sich nach den Gesprächen in Taschkent für eine Lockerung der EU-Sanktionen ausgesprochen.
Das stößt sowohl bei Menschenrechtsorganisationen als auch bei vielen Politikern auf Unverständnis. "Ich habe dem Außenminister geschrieben, dass ich für bloße Zusagen die Sanktionen gegen Usbekistan nicht aufheben würde", sagt Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag und Mitglied im Menschenrechtsausschuss. Beck war im Oktober selbst in Usbekistan und konnte sich ein Bild von der Situation im Lande machen.
Kein gutes Bild
"Alle nicht staatlich genehmen Organisationen haben massive Probleme. Menschrechtsverteidiger wurden eingeschüchtert, um sich nicht mit uns zu treffen", sagt Volker Beck. Einige von denen, die es trotzdem wagten, wurden nach der Abreise der Bundestagsdelegation verhaftet. Beck versucht nun, über den usbekischen Außenminister in Berlin zu erfahren, was aus diesen Menschen geworden ist.
"Neben den 'klassischen' Menschenrechtsverletzungen einer postsozialistischen Diktatur gibt es Probleme wie Kinderarbeit. Kinder werden drei Monate lang in der Baumwollernte eingesetzt - dafür werden die Schulen geschlossen", berichtet der Grünen-Politiker. Den Vorschlag Steinmeiers, die Sanktionen zu lockern, erklärt er sich so: "Wir haben durch unseren Militärstützpunkt in Termez besondere Interessen in Usbekistan.
Situation seit Andischan verschärft
Auch andere befürchten, dass Deutschland versucht, diesen Dialog zu führen, damit es seinen Militärstützpunkt in Termez weiter aufrecht erhalten kann, von dem aus die Soldaten in Nord-Afghanistan versorgt werden. Wie etwa Andrea Berg. Sie arbeitet seit einem Jahr als Leiterin des Büros von Human Rights Watch in Taschkent. Wobei "Büro" ein wenig übertrieben ist: "Ich bin dort im Moment alleine", sagt Berg. "Ein Mitarbeiter unseres Büros wurde im April zum Verlassen des Landes aufgefordert. Wir haben dann eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die seit Juni vergeblich auf ein Einreisevisum wartet." Human Rights Watch ist die einzige internationale Menschenrechtsorganisation, die noch in Usbekistan tätig ist.
"Die Menschenrechtslage hat sich in den letzten eineinhalb Jahren seit dem Massaker von Andischan dramatisch verschlechtert", so Andrea Berg. Sie vermutet, dass das mit den Präsidentschaftswahlen zu tun hat, die Ende 2007 in Usbekistan stattfinden sollen. "Durch Druck auf Menschrechtsaktivisten und Journalisten wird schon im Vorfeld eines möglichen Wahlkampfes oder Referendums versucht, alle kritischen Stimmen mundtot zu machen."
Sanktionen und Menschenrechtsdialog
Human Rights Watch setzt sich daher dafür ein, die Sanktionen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sogar auszuweiten. Denn die EU-Sanktionen vom Oktober 2005 waren unter anderem an die Auflagen gebunden, eine unabhängige internationale Untersuchungskommission der Ereignisse in Abidschan und faire Prozesse für die Angeklagten zuzulassen. Ohne Ergebnis. Trotzdem will die EU nun die Sanktionen lockern. Das Europäische Parlament hatte den Rat in einer Entschließung vom 26. Oktober aufgefordert, "die bestehende Sanktionspolitik um weitere 12 Monate zu verlängern" und sie auszuweiten. Das Parlament weist darauf hin, "dass die Politik der gezielten Sanktionen bisher keine positiven Ergebnisse gezeigt hat."
Human Rights Watch fordert, Sanktionen an ganz konkrete Ziele zu koppeln. Prozesse beispielsweise wieder aufzurollen, Menschenrechtsaktivisten, von denen nicht bekannt ist, wo sie festgehalten werden, warum und weshalb sie verurteilt worden sind, freizulassen, Nichtregierungsorganisationen wieder in Usbekistan arbeiten zu lassen usw. "Wenn Sanktionen an solche konkreten Schritte geknüpft würden, könnten sie auch Resultate zeigen", sagt Andrea Berg. "Wenn man ganz ehrlich ist, hatten die bisherigen Sanktionen doch nur einen sehr kosmetischen Charakter."