1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"EU braucht Strategie für weniger Gas & Öl"

Gero Rueter25. September 2014

Europa ist abhängig von Energieimporten. Auf dem European Energy Security Forum wird in Brüssel über Auswege diskutiert. "Mit Erneuerbaren Energien kann die EU sich aus der Abhängigkeit befreien", sagt Hans-Josef Fell.

https://p.dw.com/p/1DKy4
WWEC 2012 Bonn
Bild: WWEA / Birresborn

DW: Herr Fell, Sie leiten dasEuropean Energy Security Forum. Auf dieser Konferenz werden Strategien aus der Energieabhängigkeit diskutiert. Wie abhängig ist Europa?

Hans-Josef Fell: Die Abhängigkeit von Energieimporten wuchs in Europa in den letzten zehn Jahren massiv. 60 Prozent des europäischen Energiebedarfs kommt aus anderen Ländern. Aus Russland bezieht Europa 38 Prozent Erdgas, etwa 35 Prozent Erdöl und 25 Prozent Steinkohle.

Diese extrem hohe Abhängigkeit führt dazu, dass Europa natürlich keine Sanktionen gegen Russland treffen kann, die den Energiesektor substanziell betreffen. Da Russland aber zu 80 Prozent seine Einnahmen aus dem Verkauf von Energie generiert, ist dies der einzige Sektor, in dem Sanktionen wirklich etwas ausrichten könnten. Aber Europa hat eben selbst einen sehr hohen Energiebedarf und würde mit solchen Sanktionen die eigene Wirtschaft massiv schädigen.

Wie kann sich Europa aus dieser Abhängigkeit befreien?

In dieser Abhängigkeit von Russland hat Europa keine Chance dem aggressiven Verhalten von Russland etwas entgegenzusetzen. Die einzige Möglichkeit ist mittelfristig. Mit einer sehr schnellen und starken Strategie, mit Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz kann man aus der Abhängigkeit herauskommen. Das schafft energiepolitische und politische Unabhängigkeit, man ist freier, ohne Ängste und die Wirtschaft kann weiter agieren.

Wie lange dauert so ein Umstieg?

Die Technologie der Erneuerbaren Energien ist reif. In zehn Jahren könnten diese den europäischen Energiebedarf zu 60 bis 70 Prozent decken. Dann wären wir von Energieimporten zumindest so unabhängig, dass es keine politisch schwierigen Abhängigkeitssituationen gibt. Das wäre das Ziel und dafür braucht man entsprechende politische Maßnahmen.

Hat die Politik diese Maßnahmen eingeleitet?

Nein. Aktuell findet genau das Gegenteil statt. Wir sehen die EEG-Novelle in Deutschland und den Druck der EU-Kommission. Die EU-Kommission will sogar die viel teurere Atomenergie unterstützen obwohl Wind- und Sonnenstrom viel billiger sind. Das sind die falschen Wege, vor allem, weil das Uran zu einem großen Teil auch aus Russland kommt und gar keine Unabhängigkeit schafft.

Sehen Sie Chancen für Veränderung?

Die Chance liegt in der Gesellschaft. In Deutschland, Österreich und den skandinavischen Ländern investieren viele Unternehmen und Menschen in Erneuerbare Energien. Allein die Befürchtung, dass Gazprom wieder den Gashahn im Winter zudreht, animiert viele Menschen. Sie wollen nicht mit diesen Ängsten leben, unabhängig sein und investieren deshalb.

Hinzu kommt, dass die Erneuerbaren Energien jetzt in den meisten Sektoren auch die billigste Art der Energieerzeugung sind, günstiger als die konventionellen Energien und die Investitionskosten nach ein paar Jahren auch abbezahlt sind. Deshalb haben wir eine große Bereitschaft und eine sehr große Geschwindigkeit für Veränderungen.

Reichen diese Trends für die Befreiung aus der Energieabhängigkeit?

Wir haben eine Umbruchsituation und das Energiesystem ist schon klar auf dem Pfad Erneuerbarer Energien. Im konventionellen Energiesektor kann man den Umbruch beobachten. Wer in diese Technik noch investiert, der schreibt nur noch rote Zahlen. Viele neue Kohlekraftwerke gehen in Deutschland nicht mehr ans Netz. Das sind Investitionsruinen, das sind Milliarden. Die großen Energieversorger geraten so finanziell unter Druck.

Für einen sehr schnellen Umstieg zu den Erneuerbaren bräuchten wir aber politische Unterstützung. So könnten wir den Klimaschutz nach vorne bringen und gleichzeitig auch unabhängiger von Energieimporten werden.

Auf dem European Energy Security Forum in Brüssel werden Lösungswege diskutiert. Welche Impulse erwarten Sie von der Konferenz?

Wir erwarten, dass die Augen geöffnet werden. Europa ist abhängig von Erdgas und Erdöl aus fremden Ländern und mit Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz kann diese Abhängigkeit reduziert werden. Die Politik will mehr Unabhängigkeit im Energiesektor. Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass dies möglich ist, dann gibt es vielleicht doch wieder die politischen Aktivitäten in Richtung Erneuerbare Energien.

Auf der Konferenz sind sehr viele Politiker aus Osteuropa. Wir sehen, dass dort das Umdenken bereits stattfindet, erkannt wird, dass wir energiepolitisch unabhängig mit Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz werden können. Wir erwarten eine Beschleunigung und Durchsetzung dieser Erkenntnis auch im restlichen Europa.

Das Interview führte Gero Rueter

Hans-Josef Fell ist Konferenzleiter auf demEuropean Energy Security Forum in Brüssel. Veranstalter der Konferenz am 26.9. ist das ukrainische TechnologiezentrumIBCentre und dieEnergy Watch Group.Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group, entwarf in Deutschland das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) und war von 1998 Energieexperte im Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen.