1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erzeugerpreise steigen rasant

21. März 2022

Die deutschen Hersteller haben ihre Preise im Februar in Rekordtempo angehoben. Dabei sind die Folgen des Kriegs in der Ukraine noch gar nicht berücksichtigt.

https://p.dw.com/p/48mlH
Steigende Energiepreise in Deutschland
Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte sind im Februar um durchschnittlich 25,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. "Dies war der stärkste Anstieg seit Beginn der Erhebung 1949", teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit.

Die Produzentenpreise gelten als Vorläufer für die Entwicklung der Inflation. In der Statistik werden die Preise ab Fabriktor geführt - noch bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen.

Hauptverantwortlich für die stark steigenden Erzeugerpreise war den Statistikern zufolge abermals Energie. Sie verteuerte sich im Februar um durchschnittlich 68 Prozent. Erdgas kostete 125,4 Prozent mehr als im Februar 2021, elektrischer Strom zwei Drittel und leichtes Heizöl 56,9 Prozent mehr.

Ukraine-Krieg noch nicht berücksichtigt

Klammert man Energie aus, lagen die Erzeugerpreise insgesamt um 12,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Bei Nahrungsmitteln lag der Aufschlag bei 9,2 Prozent. Besonders stark stiegen die Preise für nicht behandelte pflanzliche Öle (+50,1 Prozent), Butter (+64,4 Prozent) und Kaffee (+16,9 Prozent). Hohe Preissteigerungen gab es auch bei Vorleistungsgütern wie Metallen, Düngemitteln oder Verpackungsmitteln aus Holz.

"Die aktuellen Preisentwicklungen im Zusammenhang mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind in den Ergebnissen noch nicht enthalten", erklärten die Statistiker zugleich. Die Erhebung sei zum 15. Februar erfolgt, also noch vor Beginn des Kriegs.

Ölpreise I Pumpe arbeitet in einem Ölfeld
Auf der Suche nach alternativen Energiequellen hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits verschiedene Länder besucht, darunter die USA und die Vereinigten Arabischen EmirateBild: Odessa American/AP/dpa/picture alliance

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben sich die Preise für Energie, Dünger und Lebensmittel wie Weizen und Sonnenblumenöl weiter verteuert, mit verheerenden Folgen vor allem für Entwicklungsländer.

Schrauben und Nägel fehlen auf Baustellen

Die deutsche Bauindustrie warnte angesichts des Krieges und der damit verbundenen Sanktionen sogar vor Baustopps in Deutschland. "Wir können heute nicht sicher sagen, ob genügend Material für alle Baustellen in Deutschland vorhanden sein wird", sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), Tim Oliver Müller, der Funke-Mediengruppe am Freitag.

Lieferungen wie Schrauben oder Nägel kämen wegen der Sanktionen nicht mehr an, zudem seien in den vergangenen Tagen als Folgen des Krieges große Preissteigerungen etwa bei Stahl, Aluminium und dem Rohstoff Bitumen zu beobachten gewesen, der für die Asphaltproduktion benötigt wird.

Die Materiallieferanten machten deshalb keine verbindlichen Angebote mehr. "Teilweise werden Preise nur im Stundenrhythmus garantiert. Angebote wie bisher seriös zu kalkulieren und abzugeben, ist damit unmöglich", so Müller.

Fast alle Firmen betroffen

Inzwischen spüren die meisten deutschen Unternehmen direkt oder indirekt die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. In einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), für die in der vergangenen Woche 3700 Firmen befragt wurden, gaben 78 Prozent an, geschäftlich betroffen zu sein. Lediglich 22 Prozent spüren bislang keine Folgen des Krieges und der gegen Russland verhängten Sanktionen.

Besonders alarmierend seien die Ergebnisse für die Industrie, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Zwei von drei Unternehmen geben an, Preissteigerungen an Kunden weiterzugeben. "Hier droht zusätzliches Inflationspotenzial." Probleme in der Logistik und bei den Lieferketten haben drei Viertel der Industriebetriebe, fast 90 Prozent melden fehlende Rohstoffe und Vorprodukte. Wichtige Importe aus Russland für die deutsche Industrie sind unter anderem Aluminium, Nickel und Titan.

Einer Umfrage in der Metall- und Elektroindustrie zufolge erwarten 69 Prozent aller Unternehmen Kostensteigerungen im Einkauf und fast die Hälfte rechnet mit spürbaren Einbußen bei Umsatz und Gewinn, wie der Arbeitgeberverband Gesamtmetall mitteilte.

Einbruch größer als durch die Pandemie?

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Oliver Zander, warnte jedoch davor, den Kauf von russischem Öl und Gas einzustellen, um Russland finanziell zu schaden und sich solidarisch mit der Ukraine zu zeigen. "Es wäre mit Versorgungsengpässen schwerster Art verbunden und wäre wirtschaftlich nicht durchhaltbar", sagte Zander. Viele Jobs würden verloren gehen. "Wir können wahrscheinlich schon jetzt davon ausgehen, dass die jetzige Lage und die jetzigen Sanktionen zu einem Einbruch der Wirtschaft führen, der an Corona heranreicht, vielleicht es übersteigt."

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet vorerst nicht mit einer Normalisierung bei den Preisen. "Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr mit 5,8 Prozent so hoch ausfallen wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland", heißt es in der aktuellen Prognose. Sollten die Gaspreise gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 50 Prozent zulegen, sei aber auch eine Inflationsrate von mehr als sechs Prozent möglich.

Seine Prognose für das Wirtschaftswachstum hat das IfW dagegen deutlich reduziert, ebenso wie die anderen großen Forschungsinstitute.

bea/hb (dpa, rtr, afp)