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Politik

Ensaf Haidar: Appell an die saudische Regierung

Jaafar Abdul Karim
3. Mai 2017

"Es geht ihm schlecht", sagt Ensaf Haidar über ihren Ehemann. Der Blogger Raif Badawi sitzt seit fünf Jahren im Gefängnis. Im DW-Interview spricht Ensaf Haidar über das Grundrecht auf Meinungsfreiheit.

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PK Europäisches Parlament - Foto von Raif Badawi
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Deutsche Welle: Wovor haben arabische Behörden und speziell die saudischen Behörden Angst, wenn jemand schreibt, was er denkt?

Ensaf Haidar: Dass mein Mann jetzt schon seit fünf Jahren im Gefängnis ist, zeigt ja, dass es in Saudi-Arabien keine Meinungsfreiheit gibt. Raif hat seine Meinung in anständiger und friedlicher Weise geäußert, so dass es keinen Anlass gab, davor Angst zu haben. Er hatte auch für saudische Zeitungen geschrieben, auch das zeigt, dass er kein Staatsfeind war. Er hatte sogar die Erlaubnis, ins Ausland zu reisen.

Warum haben trotzdem manche Staaten vor unabhängigen Geistern Angst?

Weil es unterschiedliche Meinungen gibt. Bei uns haben sie genau davor Angst, nicht vor der Meinungsäußerung als solcher.

Sie hätten also lieber, dass es nur eine Meinung gibt?

Genau so handhaben sie es. Sie wollen, dass alle einer Meinung sind. Sie haben Angst vor der Vielfalt der Meinungen.

Wie geht es Ihrem Mann im Moment?

Nach fünf Jahren in Gefangenschaft fern von seinen Kindern und fern von der Außenwelt geht es ihm psychisch und physisch natürlich schlecht. Er ist seit fünf Jahren in Haft, ohne dass er ein Verbrechen begangen hat.

Menschenrechtsaktivistin Ensaf Haidar
Die Menschenrechtsaktivistin Ensaf Haidar kämpft seit Jahren für die Freilassung ihres Ehemanns Raif BadawiBild: picture-alliance/dpa/A. Heinl

Die saudischen Behörden sehen das natürlich anders. Was sagen Sie Ihren Kindern? Verstehen die, worum es da geht?

Sie verstehen es und sind stolz auf ihren Vater, aber sie vermissen ihn sehr. Sie brauchen ihn, ganz besonders in diesem Alter.

Stehen Sie in ständigem Kontakt zu Raif?

Am Anfang hat er mich immer in kurzen Abständen angerufen, aber seit über drei Wochen habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Human Rights Watch listet 140 Betroffene auf, die unterdrückt werden oder inhaftiert sind. Raif Badawi ist einer davon. Daneben gibt es weitere Blogger und Journalisten aus Saudi-Arabien, die sich nicht frei äußern können. Auf dem Index der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien ganz hinten.

Wenn es bei uns Pressefreiheit gäbe, wäre Raif frei. Es sind fünf Jahre, dass er im Gefängnis ist und es kommen noch einmal fünf dazu. Dazu hat er zehn Jahre Reiseverbot, eine Million Rial Geldstrafe und 1000 Stockschläge als Strafe bekommen. Wer dieses Urteil sieht, erkennt selbst, ob es bei uns Pressefreiheit gibt oder nicht.

Wie wichtig ist denn freie Meinungsäußerung? Es gibt ja Leute, die sagen, es gibt schon zu viel Spaltung, es gibt Terror, es gibt ausländische Einmischung, die die Souveränität des Landes untergraben…

Wer sich friedlich äußert und die Gesetze kennt, der hat doch wohl das Recht, sich zu äußern! Das ist ein Grundrecht jedes Menschen, was auch immer das Thema ist.

Sprechen Sie auch mit Ihren Kindern über die Meinungsfreiheit? Es ist ja ein gesellschaftliches Thema und nicht nur ein juristisches. Auch von der Gesellschaft gibt es teilweise eine Ablehnung der Meinungsfreiheit…

Hier in Kanada ist das natürlich ganz anders. Es ist ein säkulares Land, wo man seine Meinung ganz frei äußern kann, gerade in der Presse. Wenn ich meinen Kindern von ihrem Vater erzähle, verstehen die gar nicht, wo das Problem ist, wenn man einen Blog betreibt. Das ist hier alles ganz anders.

Demo für  Blogger Raif Badawi
Internationale Unterstützung: eine der Demonstrationen für Raif Badawi in Deutschland (Archiv)Bild: Imago/C. Ditsch

Es gibt ja eine internationale Solidaritätskampagne für Ihren Mann. Wie wirkt sich die aus?

Ich kann mich nur bedanken und hoffe, dass die Initiatoren weiter daran arbeiten. Aber bis jetzt hat das eher einen psychologischen Effekt. Es hat sich bis jetzt nicht auf das Verfahren gegen Raif ausgewirkt. Aber ich hoffe, dass die Solidarität trotzdem weitergeht, denn die moralische Unterstützung ist sehr wichtig. Das gibt mir und Raif Kraft und Hoffnung.

Haben Sie persönlich die Hoffnung, dass Raif aufgrund der Kampagne und des Drucks freikommt? Es ist ja eine internationale Kampagne.

Ich habe die Hoffnung, dass die saudische Regierung eines Tages begreift, dass Meinungsfreiheit ein Recht jedes Menschen ist. Raif hat sich immer friedlich geäußert und sein Land geliebt. Insofern habe ich die Hoffnung, dass er bald freikommt.

Was ist Ihr Appell zum Tag der Pressefreiheit?

Ich hoffe, dass die ganze Welt weiter zu uns steht. Ich fordere die saudische Regierung auf, jedem Bürger zumindest einen Raum für Meinungsfreiheit zu geben.

Ensaf Haidar ist die Ehefrau des saudischen Bloggers Raif Badawi, der im Mai 2014 von einem Gericht in Saudi-Arabien wegen angeblicher Beleidigung des Islams zu zehn Jahren Haft, einer hohen Geldstrafe und 1000 Stockschlägen verurteilt wurde. Nach der Vollstreckung von 50 Schlägen im Januar 2015 wurde die Bestrafung zunächst ausgesetzt. Ensaf Haidar lebt mit ihren Kindern in Kanada.

Das Interview führte Jaafar Abdul Karim.

Journalist Jaafar Abdul Karim
Jaafar Abdul Karim DW JaafarTalk Moderator@jaafarAbdulKari