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Politik

Ende des INF-Vertrags - wie geht es weiter?

Seda Serdar
2. August 2019

Mit dem Ende des INF-Abkommens wächst die Sorge um die Sicherheit in Europa. Deutschland will einen Rüstungswettlauf verhindern, mit Russland im Dialog bleiben und die NATO zusammenhalten. Gelingt der Drahtseilakt?

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Russland: 9M729 Rakete in Kubinka
Russische 9M729-Rakete: Zank um ReichweiteBild: picture-alliance/dpa/S. Bobylev

Es ist offiziell: Die Vereinigten Staaten ziehen sich an diesem Freitag aus dem Intermediate-Range-Nucelar-Forces-Vertrag (INF) zurück. Das 1987 von den USA und der Sowjetunion unterzeichnete Abrüstungsabkommen habe "auf Veranlassung" Washingtons seine Gültigkeit verloren, teilte das Außenministerium in Moskau mit. US-Präsident Donald Trump hatte den Vertrag im Februar aufgekündigt, kurz darauf setzte auch Russland ihn aus. Nach einer Auslaufphase von sechs Monaten tritt der Ausstieg nun formal in Kraft. 

Mehr als drei Jahrzehnte lang hatte das Abkommen beide Staaten verpflichtet, Bodenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern zu vernichten. Es war das erste Mal, dass die Supermächte eingewilligt hatten, eine ganze Kategorie ihrer Atomwaffen zu zerstören.

Seit 2014 stand die Vereinbarung im Zentrum eines Dauerstreits zwischen den USA und Russland. Beide Länder beschuldigten sich immer wieder gegenseitig, das Abkommen gebrochen zu haben. Ein Zankapfel waren die russischen 9M729-Raketen, deren Reichweite laut Russland unter den im Vertrag vorgegebenen 500 Kilometern liegt. Die USA sahen das anders.

Gruppenbild: Februar-Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel
Februar-Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel: Vergebliche Bemühungen, den INF-Vertrag zu rettenBild: Getty Images/AFP/F. Walschaerts

Besonders wichtig war das Abkommen für Deutschland gewesen, wo in den 1970er  und 80er Jahren Demonstranten massenhaft gegen die Stationierung von Atomraketen auf deutschem Boden auf die Straße gingen. Allem Widerstand zum Trotz wurden schließlich mehr als 100 amerikanische Pershing-II-Raketen in Westdeutschland stationiert.

"Schlechte Nachricht für die europäische Sicherheit"

Laut Fabrice Pothier vom International Institute for Strategic Studies, ehemals Leiter der strategischen Planung bei der NATO, haben sich Deutschland und Frankreich in den vergangenen sechs Monaten hinter den Kulissen intensiv um die Rettung des Vertrags bemüht - ohne Erfolg.

Das Scheitern des Abkommens sei "eine sehr schlechte Nachricht für die europäische Sicherheit", warnt Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) der Universität Hamburg. "Im Prinzip kehren wir in die 1980er Jahre zurück. Russische Raketen sind auf Westeuropa gerichtet." Möglicherweise werde der Westen "in ein bis zwei Jahren" auch Waffen auf Russland richten.

Unter NATO-Mitgliedstaaten, besonders in mittel- und osteuropäischen Ländern, wächst die Sorge um einen Rüstungswettlauf. Es müsse gelingen, "Regeln zur Abrüstung und Rüstungskontrolle zu vereinbaren, um einen neuen Wettlauf um Atomwaffen zu verhindern", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas.

So sieht es auch Roderich Kiesewetter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Von bilateralen Militärabkommen zwischen Washington und seinen europäischen Partnern hält der CDU-Politiker wenig. Derartige Verträge könnten den Zusammenhalt der NATO schwächen und Russland in die Hände spielen, sagte Kiesewetter der DW. So sollte es "definitiv kein bilaterales Abkommen zwischen Polen und den USA geben, da dies die Zahl der Atomwaffen in Europa erhöhen könnte."

Diplomatie und Absicherung

Mit Blick auf die Zukunft plädiert Ex-NATO-Mann Pothier für weitere diplomatische Bemühungen Deutschlands und Frankreichs. Der Dialog mit Russland müsse gepflegt werden. Paris und Berlin könnten "nicht passiv bleiben, weil es sie betrifft".

Auch CDU-Außenpolitiker Kiesewetter hält "intensive Vertrauensbildung" und einen Dialog im NATO-Russland-Rat für wichtig. Zudem müsse Russland davon absehen, westlich des Urals Mittelstreckenraketen zu stationieren.

Protest gegen Auflösung des INF-Vertrages
Protestaktion gegen die Auflösung des INF-Vertrags im Februar in BerlinBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Ulrich Kühn geht noch einen Schritt weiter. Deutschland müsse seine militärische Infrastruktur sichern. Dazu gehörten etwa die Ramstein Air Base, der Hafen in Bremerhaven und andere NATO-Transportrouten, so der Hamburger Experte für Rüstungskontrolle.

Maas: New-START-Vertrag muss erhalten werden

Experten warnen: Die Aufkündigung des INF-Vertrags könnte auch andere Abkommen zwischen Washington und Moskau gefährden, darunter den "New Strategic Arms Reduction Treaty", kurz "New START", wodurch die weltweiten Bemühungen um nukleare Abrüstung weiter untergraben würden.

Deutschlands Außenminister rief Russland und die USA "jetzt umso mehr auf, den New-START-Vertrag als Eckpfeiler der weltweiten Rüstungskontrolle zu erhalten". Auch Atommächte wie China müssten sich ihrer "Verantwortung in der Rüstungskontrolle stellen", so der SPD-Politiker.