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Emmy für umstrittenes deutsches TV-Drama

Sabine Damaschke25. November 2014

Der deutsche Fernsehfilm "Unsere Mütter, unsere Väter" ist mit dem International Emmy Award als beste nichtamerikanische Miniserie ausgezeichnet worden. Dabei hatte es gerade aus den USA viel Kritik gegeben.

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Drei Hauptdarsteller des Fernsehfilms "Unsere Mütter, unsere Väter" in einer Szene des Fernsehfilms. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Fünf Freunde, fünf Schicksale im Zweiten Weltkrieg. Die jungen Deutschen, drei Männer und zwei Frauen, träumen von Karriere, Abenteuer und Liebe. Sie unterschätzen die Schrecken des Krieges, bis sie selbst von ihnen eingeholt werden – als Soldaten, als jüdischer Flüchtling, als Krankenschwester und als Sängerin. Über sieben Millionen Zuschauer sahen das dreiteilige Fernsehdrama "Unsere Mütter, unsere Väter", das im März vergangenen Jahres in Deutschland ausgestrahlt wurde. Die Serie erhielt zahlreiche Preise, von der "Goldenen Kamera" bis zum "Prix Europe 2013" und konnte bis heute in mehr als 100 Länder verkauft werden, unter anderem in die USA.

Dort durften die fünf Hauptdarsteller jetzt den weltweiten Ableger des wichtigsten amerikanischen Fernsehpreises entgegennehmen: den internationalen Emmy. Die für nichtamerikanische Produktionen in New York vergebenen Preise sind sehr begehrt. Die Schauspieler waren nicht davon ausgegangen, dass sie zu den Gewinnern zählen würden. "Für deutsche Produktionen gibt es so selten einen Emmy", sagte Fernsehredakteur Alexander Bickel der DW. Er hat "Unsere Mütter, unsere Väter" beim ZDF mitverantwortet. "Diese internationale Anerkennung lässt sich nicht mehr toppen."

Die Hauptdarsteller des TV-Dreiteilers "Unsere Mütter, unsere Väter " nehmen den International Emmy Award in New Yord entgegen. (Foto: EPA)
Riesige Freude bei den HauptdarstellernBild: picture-alliance/dpa/A. Gombert

"Fünf Stunden Selbstmitleid"

Besonders freut Bickel, dass der Preis in New York vergeben wurde. Genau dort, wo die Kritik an dem Fernsehfilm groß war. "Ein sehr fragwürdiges Geschichtsdrama", urteilte die renommierte Tageszeitung "New York Times", als die deutsche Produktion unter dem Titel "Generation War" (Generation Krieg) Anfang dieses Jahres anlief. "Das Übel der Nazis wird nicht abgestritten, aber nur einigen überzeichnet sadistischen SS- und Gestapo-Kommandeuren zugeschrieben, die fast genauso grausam zu Deutschen wie zu Juden und Russen sind."

Die Serie biete "fünf Stunden Selbstmitleid für die Jugend des Dritten Reiches", kritisierte die Zeitschrift "A.V. Club". Das Magazin "The New Yorker" dagegen fand die Produktion "vielleicht hölzern, aber nie langweilig". Ein Publikumserfolg war "Generation War" in den USA nicht. Der Dreiteiler wurde nur in sieben Kinos gezeigt und spielte lediglich 92.000 Dollar ein.

Die Schauspieler (l-r) Ludwig Trepte (Viktor), Alina Levshin (Alina) und Adam Markiewicz (Stanislav) stehen am während einer Drehpause am Set des ZDF-Films "Unsere Mütter, unsere Väter". (Foto: dpa)
Die jungen Deutschen als Sympathieträger, die aber auch schuldig werden - daran gab es in den USA viel KritikBild: picture-alliance/dpa

Sowohl Täter wie Opfer

Robert Moeller, Geschichtsprofessor an der Universität von Kalifornien, wundert die ablehnende Haltung seiner Landsleute nicht. "Viele Amerikaner tragen Vorurteile mit sich herum", sagte Moeller der DW. "Sie denken, die Deutschen waren und sind heute noch schreckliche Antisemiten." Vielen sei nicht klar, dass die Deutschen bereits einen langen Weg der Vergangenheitsbewältigung gegangen und bereit seien, aus ihrer Schuld für die Gestaltung der Gegenwart zu lernen. An dem Film findet der Historiker bemerkenswert, dass die Hauptcharaktere sowohl Täter als auch Opfer des Krieges sind. "Sie kommen weder nur als positive Helden noch als dämonische Monster daher."

Der Film sei eine "kritische Hommage an die Generation meiner Eltern" betont denn auch Regisseur Nico Hofmann. "Wir wollten eine Fernsehproduktion machen, in der das Publikum auf Augenhöhe mit Personen ist, die auch schuldhaft in diesen Krieg verstrickt sind und zeigen, wie sie mit dieser Schuld umgehen", erklärte Redakteur Alexander Bickel. Acht Jahre habe es gedauert, den anspruchsvollen Stoff für ein Massenpublikum zu inszenieren. 14 Millionen Euro kostete der Dreiteiler von insgesamt viereinhalb Stunden Länge. Viel Geld für eine Fernsehserie, aber gemessen an großen Kinoproduktionen kein überaus üppiger Etat.

Produzent Nico Hoffmann ist stolz auf die Internationale Auszeichnung. (Foto: dpa)
Stolz auf die Auszeichnung: Regisseur Nico HoffmannBild: picture-alliance/dpa

Empörung in Polen

Durch den Verkauf der Serie in über 100 Länder hat die Produktion aber längst Gewinn gemacht. Die Rückmeldungen seien größtenteils positiv gewesen, erzählt Bickel. Die schärfste Kritik kam neben den USA aus Polen. Dort sorgte die Darstellung der polnischen Partisanen, denen sich einer der jungen Männer jüdischer Herkunft anschließt, für Empörung. Sie würden durchweg als Antisemiten dargestellt, die Sätze sagten wie "Die Juden ertränken wir wie Katzen" und "Sie sind besser tot als lebendig".

Dass es in der größten polnischen Widerstandsgruppe gegen Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg, "Armia Krajowa", auch Antisemiten gegeben habe, sei historisch unumstritten, betonte Bickel. Dazu habe man im Vorfeld umfangreich recherchiert. "Aber wir haben uns der Kritik aus Polen gestellt." So habe sich das ZDF nach Ausstrahlung der Serie an einer deutsch-polnischen Dokumentation über den polnischen Widerstand beteiligt. Es sei zu einer breiten öffentlichen Diskussion gekommen, "und das hat uns gefreut".

Heftige Diskussionen in Polen über die Filmszenen mit antisemitischen Sprüchen polnischer Widerstandskämpfer (Foto: dpa)
Heftige Diskussionen in Polen über die Filmszenen mit antisemitischen Sprüchen polnischer WiderstandskämpferBild: picture-alliance/dpa

Serie handwerklich von hoher Qualität

Trotz aller Kritik, die es auch von deutschen Historikern an manchen "Auslassungen" gab - Regisseur Nico Hofmann und das ZDF werten die den Film und die Auszeichnung als "tollen Erfolg". "Unsere Mütter, unsere Väter" habe das Bild vom deutschen Fernsehen weltweit verändert, sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut.

Fernsehexperte Dieter Anschlag vom Bonner Medienfachblatt "Funkkorrespondenz" stimmt zu. "Auch wenn die Kritik teilweise berechtigt ist, die Serie ist handwerklich von höchster Qualität und zeigt, dass deutsche Produktionen weltweit exportfähig sind", sagte er der DW.