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E-Scooter-Plage in Paris

Lisa Louis
21. Juni 2019

Rund 20.000 Leih-Tretroller fahren mittlerweile durch Paris. Die Bürgersteige sind zu Hürden-Parcours geworden - auch deshalb glaubt nicht mehr jeder an den Mehrwert der Roller. Die Stadt will nun für Ordnung sorgen.

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Elektrische Leih-Tretroller in Paris
Bild: DW/L. Louis

Angefangen hat für Hugo Roëls alles an einem späten Nachmittag Ende April. An jenem Tag verließ der 28-jährige Marktforscher gerade seine Arbeit im Süden von Paris, als ihm plötzlich ein amerikanischer Tourist auf einer Trottinette, einem elektrischen Tretroller, über den Fuß fuhr. Der Mann hielt nicht an, drehte sich nur kurz zum ihm um, rief "Sorry!" und fuhr weiter. In dem Moment beschloss Roëls, den elektrischen Verleih-Tretrollern den Kampf anzusagen. "Ich dachte damals, mir ist zwar nicht viel passiert, aber für andere Leute wie zum Beispiel Behinderte oder auch schwangere Frauen können diese Roller durchaus gefährlich werden - und das kann man doch nicht einfach so zulassen", sagt Roëls gegenüber der DW.

Elektrische Leih-Tretroller in Paris
Hugo Roëls hat eine Petition gegen die Tretroller gestartetBild: DW/L. Louis

Tatsächlich sind französische Medien voll von Berichten über verletzte Fußgänger oder auch Trottinette-Fahrer - selbst wenn es offizielle Statistiken nicht gibt. Ein Tretroller-Fahrer kam kürzlich ums Leben, nachdem er von einem Lastwagen angefahren wurde. Im April starb ein 81 Jahre alter Mann, nachdem ihn ein Tretroller-Fahrer umgefahren hatte.

Pariser Bürgersteige sind regelrechter Hürden-Parcours

Und es ist einfach, ins Pariser Tretroller-Kreuzfeuer zu kommen. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl von Null auf rund 20.000 Leih-Trottinettes angestiegen, gemanagt von einem Dutzend unterschiedlicher Unternehmen. Ende dieses Jahres könnten es laut Prognosen doppelt so viele sein. Pariser Bürgersteige sind mitunter ein regelrechter Hürden-Parcours - mit zahlreichen geparkten oder umgefallenen Tretrollern. Diese kann man über Smartphone-Applikationen ausleihen. Eine halbe Stunde fahren kostet etwa fünf Euro.

Elektrische Leih-Tretroller in Paris
E-Tretroller in Paris - insgesamt gibt es mittlerweile 20.000Bild: DW/L. Louis

Roëls hat deshalb eine Online-Petition ins Leben gerufen mit dem Titel "Lasst uns die Invasion der Trottinettes in Pariser Straßen stoppen". Über 1.400 Menschen haben  schon unterschrieben. "Die Trottinettes sind nicht nur gefährlich, sie halten auch laut einer Studie der Boston Consulting Group nur drei Monate, sind also alles andere als umweltfreundlich, und schaffen ein komplettes Chaos in der Stadt," sagt er.

Stadt hat beschränkte Handlungsmöglichkeiten

Die Stadt Paris ist sich des Problems bewusst. Aber Christophe Najdovski, stellvertretender Bürgermeister und Beauftragter für Transport, sagt, den Behörden seien zu einem gewissen Grad die Hände gebunden. "Als die Tretroller vergangenes Jahr in der Stadt ankamen, hat man uns zwar informiert, aber die Unternehmen mussten uns nicht um Erlaubnis fragen, weil dieses Transportmittel bisher nicht gesetzlich geregelt ist," erklärt er gegenüber der DW. Erst in einigen Monaten werde ein Mobilitäts-Gesetz einen juristischen Rahmen für die Roller schaffen.

Elektrische Leih-Tretroller in Paris
Christophe Najdovski, stellvertretender Bürgermeister von ParisBild: DW/L. Louis

Die Lokalregierung versucht dennoch, durch Strafen - basierend auf generellen Regeln des Straßenverkehrs - das Chaos einzudämmen. Auf dem Bürgersteig zu fahren kostet 135 Euro, den Tretroller dort zu parken, wo er stört, 35 Euro. Für letzteres Bußgeld müssen die Betreiber aufkommen. Ab erstem Juli soll das Parken auf dem Bürgersteig ganz verboten sein. Stattdessen soll man die Zweiräder auf Motorrad- und Fahrradparkplätzen abstellen. Außerdem hat die Stadt eine - freiwillige - Charta mit Verhaltensregeln geschaffen. Demnach sollen Betreiber zum Beispiel dafür sorgen, dass die Roller immer in gutem Zustand sind und die Benutzer an die Verkehrsregeln erinnern. Und sie empfiehlt den Firmen, die Geschwindigkeit von 25 auf 20 km/h zu drosseln.

'Über Neues beschweren sich die Franzosen immer erstmal'

Das amerikanische Unternehmen Lime, das als erstes seine Roller auf Pariser Straßen verteilte, hat diese Charta bereits unterschrieben. Es hat außerdem eine Werbekampagne gestartet, um die Benutzer der Tretroller dazu zu bringen, verantwortungsvoll zu fahren. "Natürlich ist die Situation gerade etwas chaotisch - schließlich sind ganz plötzlich sehr viele Roller in Paris aufgetaucht," sagt Arthur-Louis Jacquier, geschäftsführender Direktor der französischen Filiale von Lime, zur DW. "Dennoch gibt es klar Interesse, sich auf diese Weise fortzubewegen. Es ist amüsant, angenehm und spielerisch."

Das sieht auch Carla Pinto so. Die 23-jährige Studentin fährt seit einer Woche praktisch nur noch auf dem Tretroller durch Paris. "Das ist viel entspannter als mit der Metro zu fahren - vor allem bei schönem Wetter," sagt sie zur DW. "Und dass sich die Leute erst mal darüber beschweren, ist normal – so ist das in Frankreich immer bei neuen Dingen." Pinto fährt auf dem Bürgersteig, aber höchstens sieben Stundenkilometer, um auch keine Fußgänger zu gefährden.

Elektrische Leih-Tretroller in Paris
Simon Gasmié fährt seit sechs Monaten mit den Verleih-TretrollernBild: DW/L. Louis

Der 18-jährige Simon Gasmié ist schneller unterwegs - mit 20 Stundenkilometer auf der Straße. Vor Unfällen hat er keine Angst. "Meistens sind das Tretroller-Fahrer, die die Verkehrsregeln nicht beachten und zum Beispiel falsch herum in eine Einbahnstraße reinfahren", meint er zur DW. "Die Fußgänger sollten sich außerdem nicht über uns beschweren - schließlich laufen sie häufig über die Straße, ohne auch nur nach rechts oder links zu gucken."

Fester Bestandteil der Pariser Stadtbilds?

Najdovski hofft, dass die Situation zwischen Tretroller-Fahrern und dem Rest der Pariser sich bald etwas entspannt. Dafür will die Stadt, sobald das Mobilitäts-Gesetz beschlossen ist, eine Ausschreibung starten, um nur noch drei Unternehmen zuzulassen, die eine beschränkte Anzahl an Tretrollern betreiben dürfen.

Ganz verbieten wird die Stadt die Trottinettes aber nicht. "Die Tretroller haben sich etabliert als Art der Fortbewegung, und damit müssen wir umgehen," sagt Najdovski. "Außerdem kann das durchaus positiv sein, solange die Leute sich an bestimmte Regeln halten, und vor allem, wenn sie die Roller als Alternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen, was diese dann entlastet."

Aber Roëls will das nicht hören. "Ich glaube einfach nicht, dass die Verleih-Roller eine gute Idee sind – sie sind viel zu schwer zu kontrollieren," sagt er. Er sei anstatt dessen dafür, das Fahrradverleihsystem Vélib' wieder aufzupeppeln. Das hat, seitdem vor etwas mehr als einem Jahr der Betreiber wechselte, viele organisatorische und technische Probleme. "Wenn die Stadt den Fahrradverleih einfach selbst organisierte, könnte man das Ganze wieder in Gang bringen. Und man müsste auch nicht noch extra Parkplätze für die Tretroller reservieren."