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Drogenboss El Chapo führt Mexikos Regierung vor

Jan D. Walter14. Juli 2015

Seine Inhaftierung sollte zeigen, dass Mexikos Rechtsstaat funktioniert. Nun ist der mächtige Drogenboss "El Chapo" flüchtig, dabei hatten US-Behörden Mexikos Präsidenten vor der Flucht gewarnt.

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Joaquin Guzman Loera El Chapo Drogenboss Mexiko (Foto: Picture-alliance/dpa/P. Valtierra)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Valtierra

Drei Tage nach seinem spektakulären Ausbruch ist der Drogenboss Joaquín "El Chapo" Guzmán weiterhin auf der Flucht. Peinlich genug, dass ein international gesuchter Schwerverbrecher zum zweiten Mal aus einem Hochsicherheitsgefängnis entkommt. Nun wurde auch noch bekannt, dass die mexikanischen Behörden offenbar von den Fluchtabsichten wussten.

Einzelheiten über den Fluchtplan seien zwar nicht bekannt gewesen, berichtet die spanische Tageszeitung El País. Aber die US-Anti-Drogen-Behörde DEA habe erfahren, dass Guzmán fliehen wollte, und die mexikanischen Behörden darüber informiert.

Inzwischen hat das Innenministerium mehrere Sicherheitsbeamte ihrer Ämter enthoben. Wie groß deren persönliche Schuld an der Flucht des international gesuchten Drogenbosses ist, wird ein Gerichtsprozess klären müssen. Interessanter als das mögliche Fehlverhalten einzelner dürfte jedoch sein, was die Flucht Guzmáns über die Kontrolle der Regierung über ihre Institutionen verrät.

Spektakuläre Versäumnisse

Laut Ermittlungsstand ist Guzmán durch einen beleuchteten und belüfteten Tunnel entkommen, der vom Keller eines nahe gelegenen Rohbaus direkt in seine Zelle führt. Der Hausbau diente offenbar nur als Tarnung für den Tunnelbau. Die rund 150 LKW-Ladungen Abraum konnten so offenbar unbemerkt entsorgt werden.

Dass auf der grünen Wiese 1,5 Kilometer entfernt von dem Hochsicherheitsgefängnis ein Haus gebaut wurde, schien niemanden weiter zu interessieren. Dabei sitzen in Altiplano gleich eine ganze Reihe hochrangiger Drogenbosse ein.

Mexiko Flucht Drogenboss Guzman (Foto: Reuters)
Durch diesen Tunnel ist "El Chapo" ("Der Kurze") entwischtBild: Reuters

"Diese Flucht offenbart nicht nur massive Sicherheitslücken und eine ungeheure Inkompetenz auf allen Ebenen, sondern auch die tiefgreifende Korruption in Mexiko", sagt der costa-ricanische Politik-Analyst Juan Carlos Hidalgo. "Der Fall hat die mexikanische Regierung vollkommen bloßgestellt."

Mythos El Chapo

Obwohl die mexikanische Regierung um Enrique Peña Nieto ihren Kampf gegen die organisierte Kriminalität weniger medienwirksam austrägt als die Vorgängerregierung, hatte sie die Verhaftung von El Chapo als riesigen Erfolg gefeiert. Lange nämlich galt Guzmán als Nummer Eins des mexikanischen Drogenhandels. Obwohl sein Einfluss in dem mächtigen Sinaloa-Kartell inzwischen geschrumpft sein soll, gilt er immer noch als eine Ikone seiner "Branche".

Schon nach seiner ersten Verhaftung 1993 entkam El Chapo 2001 aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis. Laut offizieller Version verließ er versteckt zwischen Schmutzwäsche in einem Wäschereiwagen die Haftanstalt. In einer anderen Version spazierte er als Polizist verkleidet durch den Hauptausgang der Anstalt.

PR-GAU für den Präsidenten

Wie dem auch sei, seine Flucht vom vergangenen Wochenende zeigt einen ungleich höheren Grad an Organisation. Und sie demonstriert die Machtverhältnisse zwischen El Chapo und Präsident Peña Nieto. "Die Regierung hätte Guzmán längst an die USA ausliefern müssen", meint Juan Carlos Hidalgo, "aber Peña Nieto wollte nicht. Er wollte der Welt zeigen, dass sein Mexiko ein anderes ist als das von 2001, ein Mexiko mit starken Institutionen."

Frankreich Meixiko Präsident Enrique Pena Nieto zu Besuch in Paris (Foto: Picture-alliance/AP Photo/K. Zihnioglu))
Mexikos genarrter Präsident Enrique Peña Nieto in ErklärungsnotBild: picture alliance/AP Photo/K. Zihnioglu

Seit seinem Amtsantritt 2013 ist der Präsident redlich bemüht, der Welt zu zeigen, dass sein Land ein Rechtstaat ist. In kürzester Zeit gelangen ihm überfällige Wirtschaftsreformen. Die brachten ihm zwar viel Ärger mit Gewerkschaften ein, aber eben auch einen Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen in Mexiko.

Was Peña Nieto immer wieder einen Strich durch seine PR-Strategie macht, ist die schier grenzenlose Korruption - angefangen beim Verkehrspolizisten, der einen Tempo-Sünder gegen Schmiergeld fahren lässt, bis hinauf in höchste politische Ämter. Peña Nieto selbst wurde mehrfach illegale Bereicherung vorgeworfen.

Sicherheitslage ändert sich nicht

Schwerer als die Vetternwirtschaft wiegt in der Öffentlichkeit allerdings die Gewalt: Im Herbst 2014 sorgte das Verschwinden von 43 Lehramts-Studenten für weltweites Aufsehen. Erst eine Leiche ist bislang identifiziert. Die anderen Studenten gelten ofiziell als vermisst. Das mutmaßliche Massaker soll von Killern eines Kartells im Auftrag des Bürgermeisters von Iguala verübt worden sein.

Mexiko Drogenboss Joaquin "El Chapo" Guzman aus Gefängnis ausgebrochen (Foto: Reuters/A. Ortega)
Überall suchen Polizisten nach dem Drogenboss. Doch der hat viele Verbündete.Bild: Reuters/A. Ortega

Von welchen Kreisen Guzmáns Flucht geduldet oder gar unterstützt wurde, wäre zu diesem Zeitpunkt reine Spekulation. Eines scheint jedoch unumstritten: "Verbindungen zwischen verschiedenen Kartellen und der Polizei auf lokaler, staatlicher und sogar auf Bundesebene bestehen seit langem und sind gut dokumentiert", schreibt Scott Stewart vom texanischen Politik-Institut Stratfor in einer Analyse.

Nachdem die Behörden El Chapo nicht unmittelbar nach seiner Flucht gefasst haben, glaubt Cato-Analyst Hidalgo nicht mehr an eine schnelle Festnahme: "Er hat sehr viel Geld und sehr viele Getreue. Inzwischen ist es wohl nahezu unmöglich, ihn noch zu fassen."

Die Sicherheitslage in Mexiko dürfte das allerdings nicht maßgeblich verändern. Auch wenn Guzmán versuchen sollte, seine geschwächte Position im Kartell wieder zu stärken, sehen Stratfor-Analysten keine sprunghafte Eskalation der Gebietskämpfe heraufziehen. Der Drogenkrieg - der Kartelle, der DEA und der mexikanischen Behörden gegeneinander - findet mit oder ohne El Chapo statt. Und mit oder ohne Präsident Peña Nieto.