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Draghi steht Rede und Antwort

Sabine Kinkartz24. Oktober 2012

Als Beitrag zur Vertrauensbildung hat der EZB-Präsident seinen Besuch im Deutschen Bundestag bezeichnet. Die Fragen der Abgeordneten empfand er als schwierig und interessant.

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EZB-Präsident Mario Draghi, links, und Bundestagspräsident Norbert Lammert stehen lächelnd nebeneinander. (Foto: AP/dapd)
Bild: AP

Mit dem Europäischen Parlament pflegt der Präsident der Europäischen Zentralbank einen regelmäßigen Austausch. Dass Mario Draghi (im Bild mit Bundestagspräsident Norbert Lammert) nationale Parlamente in der Eurozone besucht, ist hingegen alles andere als üblich. Aber besondere Zeiten erfordern wohl besondere Maßnahmen. Nicht nur, dass es in Deutschland große Vorbehalte gegen die Ankündigung der EZB gibt, unbegrenzt Staatsanleihen von europäischen Schuldenstaaten aufzukaufen. Auch der deutsche Vertreter im EZB-Rat, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, ist gegen das Aufkaufprogramm – und stimmte bekanntlich als einziges Ratsmitglied dagegen.

Vertrauen schaffen, Bedenken ausräumen, Besorgnisse und Absichten verstehen – so lautete dann auch die Devise, mit der EZB-Präsident Mario Draghi nach Berlin kam. In zwei Runden sprach er zunächst mit den Vorsitzenden der Ausschüsse Haushalt, Finanzen und europäische Angelegenheiten sowie den parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen. Anschließend stand er weitere zwei Stunden lang mehr als einhundert Abgeordneten aller Fraktionen Rede und Antwort.Man habe, so formulierte es Bundestagspräsident Norbert Lammert anschließend, "über eine Aufgabenstellung gesprochen, die wir in unterschiedlichen Rollen als gemeinsame Verantwortung empfinden". Das Treffen habe das gegenseitige Verständnis durchaus gefördert. "Es hat auch, wenn mein Eindruck mich nicht sehr trügt, zur Vertrauensbildung beigetragen, die wir beim Zusammenwirken von Regierungen und Parlamenten und der Europäischen Zentralbank mit dem Ziel der Stabilität unserer gemeinsamen Währung und der Erreichung unserer wirtschafts- und fiskalpolitischen Ziele dringend brauchen."

EZB-Präsident Draghi (Foto: AP/dapd)
Der Besuch des EZB-Präsidenten stieß auf großes MedieninteresseBild: AP

Mario Draghi wirkte nach dem Gespräch mit den Abgeordneten durchaus zufrieden. Der Austausch sei sehr produktiv und weitreichend gewesen. "Diese Sitzung hat dazu beigetragen, eine neue Vertrauensbasis zu bilden in Bezug darauf, was die EZB tut und wie das in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wird", so Draghi.

Die Aufgaben der EZB

Keine Inflationsgefahr

Die meisten Fragen der Abgeordneten bezogen sich auf das Ankaufprogramm für Staatsanleihen, offiziell Outright Monetary Transactions (OMT) genannt. "Diese Maßnahmen stehen in voller Übereinstimmung mit unserem Mandat, für die mittelfristige Preisstabilität in der ganzen Eurozone zu sorgen, sie stimmen mit unserer geldpolitischen Unabhängigkeit überein und sie wurden keineswegs darauf ausgerichtet, die Fiskaldisziplin in den Ländern des Euroraums zu reduzieren", so Draghi. Den Bedenken der Bundesbank, auf Deutschland kämen mit dem Ankaufprogramm erhöhte Risiken zu, widersprach der EZB-Präsident erneut. Die Käufe heizten auch die Inflation nicht an. Für jeden Euro, den die EZB dem Markt zuführe, werde sie einen Euro entziehen, versprach Draghi den Abgeordneten.

Doch nicht alle Parlamentarier ließen sich von Draghis Beteuerungen überzeugen. Frank Schäffler, FDP-Politiker und ausgewiesener Euroskeptiker, bezeichnete den EZB-Präsidenten nach dem Treffen als "Taube im Falkenkleid". Draghi sei Präsident der italienischen Nationalbank gewesen, und die sei durch inflationistische Politik gekennzeichnet gewesen. "Das ist auch jetzt zu erwarten. Ich glaube, er wird auf finanzielle Repression setzen, das heißt, auf die Enteignung von Sparvermögen durch Inflation", so Schäffler.Skepsis bleibt

EZB-Präsident Draghi mit BDI-Präsident Hans-Peter Keitel am 25. September 2012 in Berlin. Foto: AP/dapd.
Im September erläuterte Draghi seine Politik bereits vor deutschen ManagernBild: AP

Zurückhaltend äußerte sich nach dem Gespräch auch der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Zwar sei es sehr positiv, dass der EZB-Präsident das Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten gesucht habe. Es sei ihm aber nicht gelungen, die Bedenken der Parlamentarier hinsichtlich zukünftiger Belastungen für den deutschen Steuerzahler auszuräumen. Mit der Ausweitung des Mandats der EZB, die demokratisch nicht legitimiert sei, sorge Draghi dafür, dass auch Deutschland immer stärker haften müsse.

"Wir haben es mit einer Vergemeinschaftung der Haftung durch die Hintertür zu tun", analysiert Schneider. "Ich meine aber, wenn man eine gemeinschaftliche Haftung haben will, dann muss der Bundestag darüber entscheiden."

Mission erfüllt?

Der CDU-Abgeordnete und Europapolitiker Michael Stübgen meinte nach dem Treffen mit Draghi, es sei nun einmal so, dass die normalen geldmarktpolitischen Instrumente der EZB, wie beispielsweise die Senkung der Leitzinsen, nicht mehr wirken würden, und das habe die Zentralbank zur Kenntnis nehmen müssen. "Ich glaube, Herr Draghi hat überzeugend dargelegt, dass die neuen Programme, die die EZB aufgelegt hat, die Funktionalität der Märkte wieder herstellen werden."

Ob er denn, was die deutschen Bedenken angehe, nach den Gesprächen in Berlin das Gefühl habe, dass seine Mission erfolgreich war und ob er denn nun wieder ruhig schlafen könne, wurde Mario Draghi nach dem Gespräch von einem Journalisten gefragt. Da musste der EZB-Präsident lachen. Das zu denken, wäre wohl zu ehrgeizig, so sagte er. Aber, um es mit einem Sprichwort zu sagen: "Die Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters."