Dorf im Ausnahmezustand
10. Juni 2008An einer Herde von Gänsen muss man vorbei, will man den Bürgermeister von Meseberg treffen. Alois Demuth ist nur im Nebenberuf der Chef des 170-Seelen-Örtchens nördlich von Berlin im ostdeutschen Bundesland Brandenburg. Im Hauptberuf ist er Bauer. "Ich arbeite in der Milchviehanlage in Meseberg. Unser Betrieb ist der einzige im Ort. Das Bundesland Brandenburg ist eben sehr dünn besiedelt und mit Industrie ist hier sowieso nicht soviel los."
In Meseberg gibt es genauso viele Kühe wie Einwohner. Es mangelt an Arbeitsplätzen und viele Gebäude sehen verfallen aus. Ein trostloser Ort, könnte man meinen, wenn da nicht das Meseberger Schloss wäre. Mit seinem roten Ziegeldach und der strahlend weißen Barockfassade steht es leuchtend am Ende des Dorfes. Zu DDR-Zeiten beherbergte das fast 300 Jahre alte Schloss eine Schule, einen Kindergarten und den Dorfladen. Das Gebäude wurde jedoch schlecht instand gehalten und verfiel nach der Wende immer mehr. Vor fünf Jahren war es schließlich zur Ruine verkommen.
Hoffnungen auf Tourismus
Dann renovierte eine Stiftung das Gebäude und übergab es der Bundesregierung, die es heute als Gästehaus nutzt. Alle paar Monate begrüßt Bundeskanzlerin Angela Merkel nun im Meseberger Schloss einen wichtigen Gast aus dem Ausland. Auf seiner Abschiedsreise durch Europa kommt auch US-Präsident Bush ab Dienstag (10.6.08) für zwei Tage vorbei.
Alois Demuth schaut auch gerne hinüber zum Schloss. Er glaubt, das Schloss könnte eines Tages eine Touristenattraktion werden, zumal es ja schon einige berühmte Menschen beherbergt hat. Zwar sind im Schloss nur sieben neue Arbeitsplätze für die Dorfeinwohner entstanden, etwa als Reinigungskraft und Gärtner. Doch der Bürgermeister hofft, dass die Meseberger bald mit Ferienwohnungen und Gaststätten Geld verdienen können. Zunächst waren nicht alle Dorfbewohner von den neuen Schloss-Herren begeistert. Viele fürchteten die strengen Sicherheitsmaßnahmen für die Politiker, die den Mesebergern den Zugang zu ihrem eigenen Dorf erschweren könnten. "Davon hat sich aber gar nichts bestätigt", sagt Demuth. Es laufe alles ruhig ab, "und daran, dass die mit dem Hubschrauber kommen haben sich die Meseberger gewöhnt."
Einwohner ohne Zugang zum Schloss
Nur eins stört viele Bewohner. Sie selbst haben nun keinen Zutritt mehr zum Schloss. Zäune und Überwachungskameras schützen jetzt das Gelände. Und kurz vor wichtigen Staatsempfängen umrunden Sicherheitsbeamte in blauen und grünen Uniformen das Schloss. Sie kontrollieren genau, wer hinein darf und wer nicht. Gertrud Lange hat damit kein Problem. Sie ist eine direkte Nachbarin des Schlosses. Von ihrer Terrasse aus blickt sie auf den barocken Schlossgarten mit den blühenden Rosen. Seit 40 Jahren wohnt sie hier. Die Staatsbesuche seien eine gute Abwechslung vom Einerlei des Dorfalltags, sagt sie. "Was meinen Sie, was hier los ist bei mir? Meine Freunde, meine Geschwister, das ist immer knüppeldick voll hier. Die wollen das alle sehen. Also, wir haben das gerne hier."
Gertrud Lange hat sogar schon Bundeskanzlerin Angela Merkel kennen gelernt. Denn Merkel lud im Frühjahr die Meseberger zu einem Nachbarschafts-Fest ein. Sympathisch sei die Kanzlerin gewesen. Auch Bürgermeister Alois Demuth ist von der neuen Schloss-Herrin angetan. Beim Besuch des französischen Staatspräsidenten bat die Kanzlerin ihn sogar mit aufs gemeinsame Foto.
Schnatternde Gänse und Politiker
Den Kontakt zum Bundeskanzleramt pflegt Demuth weiterhin regelmäßig. Wie einen alten Freund begrüßt er den Beamten, der gerade als Vorauskommando zur Vorbereitung des Staatsbesuchs von Präsident Bush in einer dunklen Karosse vor dem Schloss anrollt.
Das Treffen des gesamten Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg im August 2007 sei für das Dorf ein Höhepunkt gewesen, sagt Demuth. Für US-Präsident George W. Bush erwartet er nun mindestens ebenso viele Kamerateams, Journalisten und Schaulustige. Ihn würde es nicht stören, sagt der Bürgermeister, wenn in seinem Ort auch weiterhin die Politiker schnattern, und nicht nur die Gänse.