DW: Dirk Nowitzki, nach 20 Jahren, zwei Monaten und fünf Tagen ist Ihre NBA-Karriere nun endgültig vorbei. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie das hören?
Dirk Nowitzki: Jetzt geht's mir gut. Aber da waren schon einige emotionale Momente dabei. Vor dem Spiel das Video war unglaublich (San Antonio hatte einen Clip mit Nowitzkis Karriere-Höhepunkten auf der Anzeigetafel gespielt und Nowitzki zu Tränen gerührt, Anm. d. Red.) und auch kurz nach dem Spiel, als dann wirklich alles vorbei war. Ich habe versucht, so gut es geht, meine Gefühle zusammenzuhalten. Aber hier und da war es schwer.
Sie wurden mit stehenden Ovationen aus der Halle verabschiedet. War es eine Karriere-Ende, wie Sie es sich gewünscht haben?
Ohne Playoffs war das so gut, wie es geht. Ich hätte natürlich schon gerne zu Hause aufgehört. Ich glaube, am Dienstag (beim letzten Heimspiel gegen Phoenix mit der Bekanntgabe, dass er seine Karriere beendet, Anm. d. Red.) wäre es optimal gewesen. Aber was hier abgelaufen ist, war auch unfassbar. Dass so etwas bei einem Auswärtsspiel passieren kann. Es hatte sich fast angehört, wie ein Heimspiel. Als ich Freiwürfe geschossen habe, waren die "MVP”-Rufe echt so laut. Von daher war es eine super, super Erfahrung. Und die nehme ich natürlich gerne mit.
Socken und Unterhose weggeworfen
Hier in San Antonio schließt sich für Sie ein kleiner Kreis. Denn hier hatten Sie 1998 beim Spiel einer Weltauswahl gegen ein gleichaltriges US-Team erstmals in Amerika für Aufsehen gesorgt, waren beim überraschenden 104:99-Sieg mit 33 Punkten bester Werfer. Und jetzt haben Sie hier Ihre Karriere ausklingen lassen.
Ja, damals hat meine Karriere in San Antonio wirklich angefangen. Davor war ich ja nur Spieler bei DJK Würzburg, und dieses eine Spiel hat mich wirklich in die Welt katapultiert. Das war Wahnsinn, was danach los war. Da bin ich direkt aus der zweiten deutschen Liga in die NBA gedraftet worden. Es passt schon irgendwie zusammen, dass sich der Kreis jetzt hier schließt. Ich habe auch hier immer tolle Erfahrungen, tolle Spiele und tolle Playoff-Serien gegen die Spurs gehabt.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Bye, bye NBA
Das hat noch keiner geschafft: Dirk Nowitzki spielt seine 21. NBA-Saison beim selben Klub. Es ist seine letzte. Beim letzten Heimspiel in Dallas dreht sich alles nur um Nowitzki. Die Fans und der Klub verabschieden ihre Nummer 41 mit einer gigantischen Zeremonie, in der Coach Rick Carlisle es auf den Punkt bringt: "Du gibst so viel von dir und verlangst selbst nach so wenig."
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Schon als Junior begehrt
Aufgewachsen ist Dirk Nowitzki in Würzburg als Sohn einer Basketball-Nationalspielerin und eines Zweitliga-Handballers. Er selbst beginnt erst mit 13 Jahren mit dem Basketball, aber schon bald wird klar, dass Dirk ein herausragendes Talent ist. Bereits mit 19, beim Zweitligisten DJK Würzburg, wo er von Holger Geschwindner trainiert wird, und landet er auf der Liste von Scouts aus der NBA.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Mentor, Trainer, Berater, Freund
Holger Geschwindner war selbst Basketballer, nahm 1972 an den Olympischen Spielen in München teil. Viel bekannter wird er der breiten Öffentlichkeit aber als Entdecker von Dirk Nowitzki. 1995 überzeugt er Nowitzki davon, ganz auf den Basketball zu setzen. Während seiner Karriere lässt Nowitzki seinen Mentor immer wieder mal als Individualtrainer in die USA einfliegen und legt Extraschichten ein.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
The "German Wunderkind"
1998 wagt Dirk Nowitzki den großen Schritt in die beste Basketball-Liga der Welt und wird von den Dallas Mavericks unter Vertrag genommen. Mavs-Coach Don Nelson muss beim Draft tricksen, um zu verhindern, dass die Boston Celtics vor ihm zugreifen. Der Plan geht auf und der Deutsche landet in Texas, wo er die nächsten 21 Jahre bleiben und zum "German Wunderkind" und "Dunkin Deutschman" werden soll.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Fadeaway und andere Stärken
Berühmt ist Nowitzki vor allem für seinen Fadeaway, eine Wurftechnik, bei der man sich durch das Zurückfallen in der Luft Raum verschafft und so dem Gegner das Blocken erschwert. Oft ist das nicht so spektakulär wie die Dunkings seiner Kollegen, die er auch beherrscht, aber mindestens genauso effektiv. Egal ob aus der Ferne oder unterm Korb - Nowitzki scheint für alles eine Lösung zu haben.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
WM-Bronze und Olympiateilnahme
Mit Nowitzki als Fahnenträger tritt Deutschland bei Olympia 2008 in Peking an, scheidet aber schon in der Vorrunde aus. Tragisch: Der vorher überragende Nowitzki vergibt im entscheidenden Spiel gegen China kurz vor Schluss die Chance zum Ausgleich. Sonst reicht es immerhin zu Bronze bei der WM 2002 und Silber bei der EM 2005.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Ein Titel für die Ewigkeit
2011 gewinnt Dirk Nowitzki mit den Mavericks den NBA-Titel. Er ist nicht nur als Spieler beteiligt. Durch einen Gehaltsverzicht ermöglicht er zu Saisonbeginn die Verpflichtung von anderen Stars, dadurch wird das Team ausgeglichener, besser. In der Finalserie gewinnt Dallas gegen die Miami Heat mit 4:2, auch wenn Nowitzki zeitweise durch Fieber gehandicapt wird.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Ein deutscher Weltstar
Den NBA-Titel hat zuvor noch kein Deutscher gewonnen. Spätestens jetzt darf Dirk Nowitzki zu den deutschen Weltstars gezählt werden, in einer Reihe mit Max Schmeling, Franz Beckenbauer oder Michael Schumacher. Als erster Europäer wird er zum besten NBA-Basketballer der Saison gewählt, zu Deutschlands Sportler des Jahres sowieso und auch ESPN sagt: Bester männlicher Sportler des Jahres 2011.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Volksnah, bescheiden und freundlich
Trotz aller Erfolge - Dirk Nowitzki bleibt bodenständig. Wann immer er kann, geht er auf die Fanwünsche ein, steht für Interviews bereit. Und ist dabei stets aufmerksam und freundlich. Von Allüren keine Spur. Sein Privatleben schirmt der Vater von drei Kindern weitgehend ab. Skandale sind ihm fremd.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Drei wichtige Frauen
Dirk Nowitzki heiratet 2012 Jessica Olsson (l.), eine schwedische Galeristin mit kenianischen Wurzeln. Sie wird zur wichtigsten Frau in seinem Leben und zur Mutter seiner drei Kinder Malaika, Max und Morris. Eine große Rolle spielen außerdem Mutter Helga (r.) und Schwester Silke (2.v.r.), beide Ex-Basketball-Nationalspielerinnen. Die Schwester ist Nowitzkis Managerin und Leiterin seiner Stiftung.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Soziales Engagement
Dirk Nowitzki ist Kurator einer Stiftung zur Förderung sozial benachteiligter junger Menschen. Auch in weiteren Programmen engagiert er sich. Hier spricht er auf einer Pressekonferenz in Südafrika für "Basketball ohne Grenzen".
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Immer häufiger verletzt
Zu Beginn seiner letzten Saison kann Nowitzki nicht mehr so häufig auf dem Parkett stehen, wie er es sich gewünscht hätte. Nach einer Knöchel-Operation im April 2018 fällt er lange aus. Er gehört er nicht mehr zur Starting-Five der Mavericks. Meist bekommt Nowitzki nur noch Kurzeinsätze. Allerdings schafft er noch zwei Meilensteine: Sechster der ewigen Korbjäger-Liste und 10.000 Defensiv-Rebounds.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Nachfolger gefunden
Bester Spieler der Mavericks ist derzeit Luka Doncic (r.). Der 20-jährige Guard aus Slowenien legt eine großartige Rookie-Saison hin: über 20 Punkte im Schnitt bei sieben Rebounds und fünf Vorlagen pro Spiel. Als designierten Nachfolger auf Nowitzkis Position haben die Mavericks bereits den 2,21 Meter großen Kristaps Porzingis von den New York Knicks verpflichtet.
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Dirk Nowitzki - wie er zur NBA-Legende wurde
Bescheiden bis zum Schluss
Nach seinem letzten Heimspiel steht Nowitzki alleine im Rampenlicht, dort wo er sich immer unwohl fühlt. Umringt von den Idolen seiner Jugend, Ex-Spielern wie Larry Bird, Scottie Pippen und Detlef Schrempf, teilt er den Fans seinen Entschluss mit, nicht weiterzumachen. Die NBA-Legenden, zu denen Nowitzki früher aufschaute, sind nun gekommen, um der noch größeren Legende ihren Tribut zu zollen.
Autorin/Autor: Tobias Oelmaier
Wie haben Sie es empfunden, zum letzten Mal in der Kabine zu sein, bei und mit Ihren Teamkollegen?
Es war komisch. Vor dem Spiel habe ich gesagt, dass ich mir noch einmal das Trikot überstreife - das war schon ein emotionaler Moment. Und dann das Trikot nach dem Spiel zum letzten Mal auszuziehen. Ich habe alles weggeworfen, Socken, Unterhose, alles. Brauchen wir nicht mehr zu waschen, können wir alles wegschmeißen. Es ist klar, dass ich es vermissen werde für Monate, wahrscheinlich für ein paar Jahre oder für immer - keine Ahnung. Aber, ich habe alles gegeben.
Youtube-Highlights für die Kinder
Ihre Kinder sind zwei, vier und fünf Jahre alt. Haben die eigentlich mitbekommen, dass es für den Papa besondere Tage sind?
Ich habe Sie nach dem Spiel in Dallas nicht mehr gesehen (die Mavericks flogen umgehend nach San Antonio, Anm. d. Red.), aber sie waren alle in der Halle und bis zum Schluss dabei. Um das wirklich zu checken, dass ich jetzt aufhöre, sind sie, glaube ich, noch ein bisschen zu jung. Aber zum Glück gibt es Youtube. Denen werde ich YouTube-Highlights reindrücken bis zum Gehtnichtmehr, wenn sie ein bisschen älter sind. Dann zeige ich denen, dass der Papa schon noch ein bisschen besser spielen konnte, als das, was sie jetzt am Schluss hier gesehen haben.
Dirk Nowitzki, Jahrgang 1978, ist der bekannteste deutsche Basketballer und mit 21 Saisons in der NBA herausragender Spieler der stärksten Basketballliga der Welt. Sein größter Erfolg war der Gewinn der NBA-Meisterschaft 2011, dazu kamen MVP-Titel (wertvollster Spieler), WM-Bronze und EM-Silber mit der deutschen Nationalmannschaft. Im April 2019 erklärte Nowitzki seinen Rücktritt und bekam weltweit Anerkennung für seine außergewöhnliche Karriere.
Das Interview führte Heiko Oldörp.