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"Zeit für politische Lösung läuft ab"

8. Juni 2012

Das Entsetzen über das mutmaßliche neue Massaker ist groß: Die Bundesregierung sieht angesichts solcher Horror-Meldungen keine Zukunft mehr für Syriens Machthaber Assad. Mit ihm sei eine politische Lösung nun undenkbar.

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Ein Flüchtling des Massakers von Houla (Foto: rtr)
Bild: Reuters

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich von dem mutmaßlich neuen Massaker erschüttert: "Die Lage in Syrien ist schrecklich", sagte sie nach einem Treffen mit dem neuseeländischen Premierminister John Key. Ihr Sprecher wurde konkreter: "Es sind wieder viele Menschen - wahrscheinlich mindestens 80 - ermordet worden, darunter viele Frauen und Kinder, und man muss sagen: zum Teil bestialisch ermordet worden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Führung, die solche Taten in ihrem Land zulasse, habe jegliche Legitimität verspielt: "Es ist eigentlich undenkbar, eine politische Lösung, ein Ende des Konflikts mit Herrn Assad an der Spitze Syriens herzustellen."

Die Bundesregierung forderte Assad erneut eindrücklich auf, den Weg für eine friedliche Machtübergabe freizumachen. Entscheidend für die weitere Entwicklung sei die Haltung Syriens. Russland komme dabei besondere Verantwortung zu. "Die Zeit für die Umsetzung einer politischen Lösung läuft ab", sagte Außenminister Guido Weserwelle.

Annan: Ganze Region explodiert

UN-Sondervermittler Kofi Annan versucht derweil von seinem internationalen Friedensplan zu retten, was noch zu retten ist: "Wir beraten, was wir tun können, damit der Plan lebt", sagte Annan nach einer Beratung des UN-Sicherheitsrates in New York. Andernfalls bekomme man einen "umfassenden Bürgerkrieg".

Ein solcher Bürgerkrieg würde sich nicht auf das Land begrenzen lassen: "Syrien ist nicht Libyen. Es würde nicht implodieren, es würde explodieren und die ganze Region mitreißen." Der Schlüssel liege in Damaskus: "Die Frage ist einfach, wie wir die syrische Regierung dazu bekommen, diesen Plan zu befolgen."

Welche "Konsequenzen" sind gemeint?

Verstöße gegen die UN-Resolutionen 2042 und 2043 müssten "Konsequenzen" haben, sagte Annan mit Blick auf die syrische Führung, ließ aber offen, was er damit genau meint. Die internationale Gemeinschaft müsse seine Bemühungen unterstützen und Druck machen. Westliche Diplomaten werten das als eine Aufforderung, den Sechs-Punkte-Plan des Sondergesandten mit einer Sanktionsdrohung zu verbinden. Deutschlands UN-Botschafter Peter Wittig brachte erneut eine entsprechende Resolution ins Gespräch.

Annan machte sich zugleich für die Bildung einer Syrien-Kontaktgruppe stark. Daran sollten neben den Weltmächten auch Vertreter von Ländern der Region beteiligt sein, die Einfluss auf die Regierung oder die Opposition in Syrien hätten. Er hoffe, dass auch der Iran als wichtiges Land der Region "Teil der Lösung" der Krise in Syrien sein werde, sagte Annan. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einer "nützlichen Idee". Wie Annan warnte er vor einem Bürgerkrieg. Die Gefahr sei akut und real, sagte Ban. Er sprach Staatschef Baschar al-Assad "jede Legitimität" ab.

Ban Ki Moon: Das syrische Volk blutet

"Unbeschreibliche Barbarei"

Am Donnerstag hatten Berichte von Oppositionellen über ein neues Massaker in zwei Dörfern in der Provinz Hama mit mindestens 78 Toten, darunter Frauen und Kinder, weltweit Entsetzen ausgelöst. Die Berichte konnten zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden. UN-Generalsekretär Ban sprach von einer "unbeschreiblichen Barbarei".

Nach UN-Angaben war ein Konvoi der Beobachter bei dem Versuch beschossen worden, das Massaker in dem Dorf Al-Kubeir zu untersuchen. Der Generalsekretär warf der Armee vor, auf Fahrzeuge der unbewaffneten Beobachter mit panzerbrechender Munition gefeuert zu haben. Mit dieser Abschreckungsmaßnahme versuche die Regierung, die Beobachter aus bestimmten Gegenden zu vertreiben.

Wieder Sturm auf Homs?

Erst vor anderthalb Wochen waren bei Massenhinrichtungen in der Stadt Hula mindestens 108 Zivilisten getötet worden. Die Gegner von Assad machen die Armee und regimetreue Milizen für die Gräueltaten verantwortlich. Die Führung in Damaskus spricht dagegen von Angriffen "terroristischer" Banden.

Nach Angaben von Aktivisten haben Regierungstruppen das von Rebellen kontrollierte Viertel Chaldije der Stadt Homs massiv beschossen. Das Bombardement wurde als Vorbereitung eines Sturmangriffs gewertet. Der Stadtteil in der Protesthochburg wird seit Monaten von Aufständischen gehalten.

kle/sti/rb (afp, dapd, dpa, rtr)