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Lieber gründlich

26. Oktober 2011

Unter den Blicken der Weltöffentlichkeit hat in Brüssel ein weiterer Gipfel gegen die Schuldenkrise begonnen. Die Erwartungen sind groß. Doch auch dieses Treffen wird wohl Antworten schuldig bleiben.

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Merkel mit Akten unter'm Arm im Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron(Foto:Geert Vanden) Wijngaert/AP/dapd)
Mit frischem Mandat des Bundestages in Brüssel: Bundeskanzlerin MerkelBild: dapd

Mindestens drei große Entscheidungen werden von diesem Gipfel erwartet: zu einem Schuldenschnitt für Griechenland, bei dem die Banken auf rund die Hälfte ihrer Forderungen verzichten sollen, zu einer Rekapitalisierung der Banken, damit sie diesen Forderungsverzicht auch verkraften können, und zu einer stärkeren Nutzung des Rettungsfonds EFSF. Doch wird dieser Gipfel endlich alle Einzelfragen klären, die der Gipfel am Sonntag aufgeschoben hatte? Die Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft in Brüssel deutet nicht darauf hin. “Wir haben noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen und Verhandlungen zu führen. Also, die Arbeit ist noch nicht getan, aber ich glaube, alle reisen heute hier mit dem Ziel an, auf jeden Fall ein ganzes Stück weiter zu kommen.“ Merkel hatte erst am Nachmittag (26.10.2011) das Verhandlungsmandat des Bundestages zum veränderten Einsatz des EFSF erhalten.

Das Problem verlorener Vermögenswerte

Hochhauskulisse Frankfurter Bankenviertel mit dunklen Wolken (Foto: dpa)
Welche Verluste kommen auf die Banken zu? Bankenviertel in Frankfurt am MainBild: picture alliance/dpa

Jean-Claude Juncker, der Präsident der Eurogruppe, blieb ähnlich vorsichtig: “Wir nähern uns der Wahrheit.“ Man werde wahrscheinlich nicht alles “bis ins allerletzte Detail ausformulieren können, aber die Gesamtrichtung muss heute ultraklar sein.“ Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, dessen Land dem Euro ferngeblieben ist, warnt vor Eile. Immerhin habe ein Schuldenschnitt in Griechenland große Auswirkungen auf die gesamte Bankenlandschaft, auch außerhalb der Eurozone. “Umfangreiche Vermögenswerte wären verloren. Um das Problem müssen wir uns kümmern. Und es ist besser, dass wir das gründlich machen und es dann auch funktioniert, als dass wir es schnell machen. Deshalb brauchen wir vielleicht ein bisschen mehr Zeit.“

Wenn auch “übermenschliche Anstrengungen“ nicht reichen

Doch gerade die griechische Regierung erwartet offenbar den großen Wurf an diesem Abend. Ministerpräsident Georgios Papandreou sieht viel mehr als das Schuldenproblem seines Landes auf dem Spiel. “Die Herausforderung heute besteht nicht allein darin, den Euro zu retten, sondern die Ideale zu schützen, die uns in Europa so viel wert sind: Friede und Zusammenarbeit zwischen unseren Nationen, sozialer Zusammenhalt und Solidarität ohne Vorurteile zwischen unseren Völkern.“ Die Griechen machten gerade “übermenschliche Anstrengungen“, um ihr Haus in Ordnung zu bringen. Doch nach allgemeiner Ansicht reichen sie eben nicht. Ein Schuldenschnitt ist unerlässlich. Die Frage ist nur, wie groß er ausfallen wird und ob die Banken mitspielen.

Hat Berlusconi eine Rentenreform dabei?

Berlusconi nachdenklich im italienischen Parlament (Foto: dpa)
Reform nur auf europäischen Druck: Berlusconi im italienischen ParlamentBild: picture-alliance/dpa

Ohne eine größere Schlagkraft des Rettungsfonds EFSF ist das nicht zu machen. “Panzerfaust“ nennen ihn inzwischen viele und sprechen von “Feuerkraft“. Eine kriegerische Sprache hat bei der EU Einzug gehalten. Doch die Verteidigung der Eurozone kann nur gelingen, wenn alle Regierungen ihre Hausaufgaben machen und ihre Schulden in den Griff bekommen. Unter besonderer Beobachtung steht hier Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi. Jean-Claude Juncker will sich bei ihm nicht länger mit leeren Versprechungen abspeisen lassen. “Unsere italienischen Freunde wissen sehr genau, dass wir davon ausgehen müssen, dass uns heute abend mitgeteilt wird, dass es erhebliche, auch strukturell angelegte Konsolidierungsbemühungen Italiens geben wird. Das ist ein must (Muss).“ Konkret könnte Berlusconi die Zusage mitgebracht haben, das Renteneintrittsalter in Italien auf 67 Jahre heraufzusetzen, aber erst auf erheblichen Druck hin, auch von Merkel.

Jean-Claude Junckers philosophische Betrachtungen

Mindestens zwei Dinge scheinen noch ungeklärt: Erstens, wie groß wird der Schuldenschnitt in Griechenland und, damit verbunden, wird er freiwillig sein? Und zweitens, wie wird der EFSF eingesetzt? Viele haben diesen Gipfel als einen der wichtigsten in der gesamten Geschichte der EU bezeichnet. Eurogruppenchef Juncker war schon am frühen Nachmittag gekommen. Er sieht die Sache philosophisch. “Wenn ich nicht zuversichtlich wäre, würde ich längst nicht mehr kommen. Wenn ich völlig beruhigt wäre, wäre ich nicht schon hier.“

Sprach’s und verschwand schmunzelnd in den Gängen des Ratsgebäudes.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Hajo Felten