Das Kind im Manne
2. Dezember 2006JJ1 wurde am 26.Juni dieses Jahres erlegt. Besser bekannt ist der erschossene Hühnerdieb als Bruno der Bär, und das diesjährige Sommerloch in Deutschlands Tageszeitungen wurde gefüllt mit der Jagd nach ihm. "Es ist ganz klar, dass dieser Bär ein Problembär ist", erklärte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber damals. Jetzt kann man dem Problembär sogar unter dem Weihnachtsbaum begegnen, als Modell, zum selber basteln.
Trendwende für die Branche
"Wir haben gesagt: den können wir ruhig weiter leben lassen", sagt Wolfgang Keck von der Herstellerfirma. "Wir bringen ihn im Modell 1:87. Einen kleinen Bausatz mit dem Jägerhochsitz, dann den Bären selbst natürlich und dazu vier Figuren." Zusammen mit Hochleistungs-Rangierlokomotiven, digitalen Gleisweichen und vollautomatischen Bahnübergängen soll Bruno nach dem Geschmack der Modellbaubranche das Weihnachtsgeschäft brummen lassen.
Und Branchen-Analysten glauben, dass es auch so kommt. Modellspielzeug, vor allem wenn ein Computerchip integriert ist, liegt wieder im Trend, sagt der Marktforscher Eurotoys. Drei Prozent mehr Umsatz im Spielwarenbereich als im selben Monat des Vorjahres, das klingt nach einer Trendwende. 2005 waren die Umsätze um bis zu 17 Prozent in den Keller gerutscht.
Erwachsene Spielkinder
Zugpferde der positiven Entwicklung sind allerdings nicht spielwütige Kinder. "Ü-40" nennen Branchenkenner die Generation Erwachsener mittleren Alters, die rund ein Viertel aller Spielwaren kauft. Und die Lust der Erwachsenen aufs Spielen verändert auch das Spielen selbst, denn neben Ausprobieren und Tüfteln an Brücken, Gleisen und Signalanlagen kommt jetzt noch die richtige Vorbereitung dazu - Workshops vermitteln den Bastlern die notwendige Technik-Schulung.
Auch die Hersteller von Modellbahn-Zubehör stellen sich verstärkt auf die erwachsenen Kunden ein, was sich auch in ihrer Motivwahl von Landschaften, Figuren und Gebäuden spiegelt. "Wir haben ein brennendes Finanzamt, dass sich gut verkaufen lässt, weil es wahrscheinlich der Kerngedanke eines jeden Steuerzahlers ist, einmal vielleicht diese Institution in einer anderen Form zu sehen", sagt ein Sprecher des Herstellers Faller.
Aufatmen bei Märklin
Nur beim deutschen Marktführer für Lokomotiven, Wagen, Gleise und Zubehör, Märklin, will keine Festtags-Stimmung aufkommen. Das Familienunternehmen wurde im Sommer von dem Finanzinvestor Kingsbridge aufgekauft. Zwar rettete der Verkauf Märklin das Überleben, doch nach 147 Jahren im Familienbesitz blickten nicht nur eingefleischte Modellbaufans skeptisch nach Göppingen. "Wir sind wieder in ruhigerem Fahrwasser", sagt der Märklin-Sprecher Roland Gaugele. "Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal unsere Halbjahreszahlen veröffentlicht und konnten eine vierprozentige Umsatzsteigerung zum Vorjahr vermelden und einen sechsprozentigen Auftragsbestandszuwachs zum Vorjahr."
Auch mit neuem Eigentümer will Märklin Leidenschaft unter seinen Kunden produzieren, dem Ernst der Welt zum Trotz. Und Gaugele hofft dabei wohl auf Modellbaufans wie diesen Mann aus dem Ruhrgebiet: "Kühe habe ich schon. Wir suchen noch einen Hund, für die Schafherde." (stu)